Sabbatical:Raus aus der Mühle

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Aus dem Alltag ausbrechen, reisen, Neues ausprobieren: Firmen unterstützen gerade in der Krise Mitarbeiter, die sich eine Auszeit nehmen. Doch ist das Sabbatical ein Karrierekiller?

A. Fichter

Aus dem Alltag ausbrechen, weit weg reisen, etwas völlig Neues ausprobieren - viele Deutsche träumen davon. Knapp 40 Prozent, um genauer zu sein. Zumindest laut einer Forsa-Umfrage. Aber nur vier Prozent trauen sich, tatsächlich ein Sabbatjahr zu nehmen. Denn viele haben Angst, sich dadurch im Beruf entbehrlich zu machen. Und denken, so etwas sei gerade in Krisenzeiten fahrlässig - wo man doch froh sein kann, überhaupt noch einen Job zu haben.

Ein Jahr ausspannen - zum Beispiel auf den Malediven: ein Traum vieler Arbeitnehmer. (Foto: Foto: ddp)

Die Angst ist unbegründet, sagen viele Unternehmen. Ein Sprecher von BMW bestätigt beispielsweise, dass sein Konzern vorübergehende Arbeitspausen der Angestellten jetzt sogar besonders fördere. So könne der Konzern vorübergehend Personalkosten sparen, ohne gute Leute entlassen zu müssen.

Auch Christina Langen von der Personalberatung Heimeier & Co. ist der Meinung, dass der Zeitpunkt für eine Auszeit während der Krise günstig ist, weil Unternehmen mit Beförderungen oder Gehaltserhöhungen sowieso gerade knausern. "So kann man einen krisenbedingten Karrierestau sinnvoll nutzen", sagt sie. Worauf müssen Arbeitnehmer achten, wenn sie sich eine Auszeit nehmen wollen? Hier die wichtigsten Fragen:

Was ist das eigentlich genau, ein Sabbatjahr?

Der Begriff stammt aus der Tora, der heiligen Schrift der Juden. Demnach soll alle sieben Jahre der Ackerbau ruhen, damit der Boden sich erholen kann. In Israel halten sich einige Bauern auch heute noch an die Vorschrift - für sie war 2008 ein Sabbatjahr.

Amerikanische Universitätsprofessoren brachten das Sabbatical in die neuzeitliche Arbeitswelt: Sie nahmen sich ein Semester frei, um ausschließlich zu forschen. Erst seit wenigen Jahren gibt es Sabbaticals auch in Unternehmen: Arbeitnehmer gönnen sich eine Auszeit von drei Monaten bis zu einem Jahr, manche sogar noch länger.

Kann jeder Arbeitnehmer sich einfach so eine Auszeit nehmen?

Einen Anspruch hat zwar niemand darauf, aber dank des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) von 2001 können Firmen und Angestellte gemeinsam über flexible Arbeitszeiten entscheiden. Viele Großunternehmen haben längst interne Leitlinien für Sabbaticals geschaffen, so dass die Abwicklung für sie Routine ist. Bei kleineren Firmen ist es dagegen geschickter, erst einmal vorzufühlen, wie das Thema bisher gehandhabt wurde und wie der Chef dazu steht. Ausschlaggebend ist in beiden Fällen aber die Eigeninitiative und das Verhandlungsgeschick des Sabbatical-Anwärters, denn vor allem die Details werden immer noch informell geregelt.

Ein Sonderfall ist es, wenn in der Auszeit Verwandte gepflegt oder Kinder gehütet werden: Darauf gibt es einen gesetzlichen Anspruch (Pflegezeit, Elternzeit). Dennoch wird in diesen Fällen häufig von einem Sabbatical gesprochen.

Worauf sollte man bei dem Gespräch mit dem Vorgesetzten achten?

Sabbatical-Anwärter sollten dem Chef vermitteln, dass das Unternehmen von der Pause profitiert. Wer in der freien Zeit studiert, sollte hervorheben, dass er bald vielseitiger einsetzbar sein wird. Weltreisende können womöglich bald eine Fremdsprache mehr. Außerdem sollte der Anwärter konkret vorschlagen, welche Kollegen die eigenen Aufgaben vorübergehend erledigen könnten, um die Lücke zu schließen, die er hinterlässt. Das zeigt, dass er sich den Schritt gut überlegt hat und auch Rücksicht auf die Bedürfnisse des Unternehmens nimmt. Aus demselben Grund ist es sinnvoll, die Organisation der Auszeit möglichst schon eineinhalb Jahre vor Antritt anzustoßen.

Nützt oder schadet eine Auszeit der Karriere?

Die Pause könne durchaus förderlich sein, wenn Zeitpunkt und Motiv der Auszeit gut begründet werden, sagt Personalberaterin Langen. Die meisten Chefs sind sich beispielsweise einig, dass ein Auslandsaufenthalt die Persönlichkeitsentwicklung fördert. "Aber dieses Argument zieht natürlich vor allem im ersten Drittel des Berufslebens", sagt Langen. Dann kann es durchaus von Vorteil sein, eine Fremdsprache mehr als andere zu sprechen oder interkulturelle Kompetenzen im Lebenslauf vorweisen zu können. Auch eine Weiterbildung ist dann sinnvoll, wenn sie nicht zu spät begonnen wurde.

Welche Arbeitszeitmodelle gibt es für ein Sabbatical?

Die meisten Angestellten nehmen sich unbezahlten Urlaub. Dabei wird das Arbeitsverhältnis während der Pause einfach auf Eis gelegt, der Kündigungsschutz besteht aber trotzdem weiter. Allerdings ist man nur in den ersten vier Wochen des Urlaubs sozialversichert.

Das ist bei Lebensarbeitszeitkonten anders, sie sind für das Sabbatical besonders vorteilhaft. Der Arbeitnehmer kann auf diesen Konten Überstunden oder nicht genommenen Urlaub ansammeln und sich dann mehrere Monate am Stück frei nehmen. Dabei ist es wichtig, im Auge zu behalten, dass der Urlaub meist bis April des Folgejahres genommen sein muss und ansonsten verfällt.

Eine Sonderform des Arbeitszeitkontos ist es, mehrere Jahre lang 40 Stunden pro Woche zu arbeiten, sich aber nur 30 Stunden auszahlen zu lassen. Das vierte Jahr ist dann frei, wird aber bezahlt. Außerdem ist es möglich, statt Weihnachtsgeld freie Tage zu erbitten und diese anzusammeln.

Auf der nächsten Seite: Um welche Versicherungen man sich kümmern muss und was Aussteiger sonst noch beachten müssen.

Um welche Versicherungen muss man sich kümmern?

Bei Arbeitszeitkonten übernimmt der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge komplett, bei unbezahltem Urlaub nur vier Wochen lang. Christian Hajek, der sein Sabbatical auf sechs Jahre ausgedehnt hat und die Internetseite www.ratgeber-aussteigen.de betreibt, rät unbedingt dazu, sich freiwillig krankenzuversichern: Verdient man während der Auszeit weniger als 840 Euro - beispielsweise aus Zinseinkünften oder Mieteinnahmen -, dann koste die gesetzliche Kasse monatlich nur 145 Euro. Hält man sich außerhalb Deutschlands auf, sollte zudem eine Langzeit-Reisekrankenversicherung abgeschlossen werden - denn nur die zahlt einen Krankenrücktransport in die Heimat. Auch eine Haftpflichtpolice sei sinnvoll, sagt Hajek. Und Rente? "Dafür sorge ich lieber selbst vor, statt mich zu versichern"; aber das sei Ansichtssache.

Worauf muss man sonst noch achten?

Die Vereinbarungen mit dem Chef sollten unbedingt schriftlich erfolgen. Der Sabbatical-Vertrag muss beinhalten, wie lange die Auszeit dauern wird und wie hoch der Verdienst währenddessen gegebenenfalls ist. Außerdem gehört hinein, wer für welche Versicherung zuständig ist. Am wichtigsten ist es aber sicherlich, den Wiedereinstieg klar zu regeln; besonders, welche Aufgabe und Position der Rückkehrer dann betreuen soll. "Bei alldem ist essentiell, dass eine gute Vertrauensbasis zwischen den Vertragsparteien besteht", so Arbeitsrechtsexpertin Lale Necati, denn zumindest theoretisch bestehe sonst die Möglichkeit, dass der Arbeitgeber sich nicht an die Abmachung hält, den Rückkehrer wiedereinzustellen. Dagegen kann man sich durch eine Klausel absichern, die zumindest eine Abfindungsvereinbarung für diesen Fall enthält.

Was können Aussteiger während eines Sabbaticals machen?

Die Motive der Pausierenden sind breit gefächert. Die meisten nutzen die Zeit für eine Weltreise oder für die Arbeit in einem sozialen Projekt. Manche kombinieren das damit, eine neue Sprache zu lernen. Andere promovieren oder machen einen Master; dafür geben manche Unternehmen ihren Aussteigern sogar eine Extra-Finanzspritze.

Wie lang sollte ein Sabbatical sein?

"Um ein sinnvolles Projekt stemmen zu können, sollte man sich schon sechs Monate einplanen", sagt Personalberaterin Langen. Die Obergrenze liege bei einem Jahr: Wer länger weggehe, sei danach nicht mehr genug in Berufsalltag, Projekte und langfristige Planung seines Unternehmens integriert, findet sie.

Wo gibt es weitere Informationen?

Es gibt zahlreiche Internetseiten und Foren zum Thema, hier eine kleine Auswahl: Unter www.aus-innovativ.de/themen/sabbatical.htm finden sich detaillierte rechtliche Informationen von Experten der Universität Köln. Die Seite www.arbeitsratgeber.com/sabbatical_0170.html hat eine ehemalige IT-Beraterin aufgezogen, die sich selbst eine Auszeit zur Weiterbildung nahm. Und unter www.ratgeber-aussteigen.de gibt das Allgäuer Ehepaar Hajek Tipps zur Organisation eines Ausstieges. Die beiden radeln seit 2003 um die Welt.

© SZ vom 29.8.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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