Rechtsanwältin Judy Clarke:"Meisterstrategin" verteidigt Zarnajew

Accused Tucson shooter Jared Loughner appears in Federal court

Judy Clarke mit ihrem ehemaligen Klienten, dem Attentäter Jared Lee Loughner, in der Darstellung eines Gerichtsmalers vom Prozess im Phoenix.

(Foto: dpa)

Das Anwaltsteam des mutmaßlichen Boston-Attentäters Dschochar Zarnajew erhält prominente Verstärkung: Die Strafverteidigerin Judy Clarke ist bekannt dafür, auch in Extremfällen die Todesstrafe zu verhindern. Ihre Berufung ist ein Signal.

Judy Clarke, Jahrgang 1952, ist Rechtsanwältin mit Examen der Universität South Carolina - und hat bei der Auswahl ihrer Fälle eine besondere Neigung. Am vergangenen Freitag sprach die als bescheiden geltende Juristin auf einer Konferenz in Los Angeles von einem schwarzen Loch von Fällen im Zusammenhang mit der Todesstrafe, in das sie vor 18 Jahren gezogen worden sei. Damals, 1995, übernahm sie die Verteidigung von Susan Smith, einer Frau der die Todesstrafe drohte, weil sie ihre beiden Kinder ertränkt hatte. Jetzt wird Judy Clarke Mitglied im Anwaltsteam um den mutmaßlichen Boston-Attentäter Dschochar Zarnajew.

Zwischen Smith und Zarnajew liegen fast zwei Jahrzehnte und eine Vielzahl an Fällen. So verteidigte Clarke zum Beispiel Ted Kaczynski, den sogenannten "Unabomber", der zwischen 1978 und 1995 in den USA mehrere Briefbomben verschickt und damit drei Leute getötet haben soll. Auch Eric Rudolph wurde von ihr vertreten, 1996 verantwortlich für Bombenanschläge auf die olympischen Spiele in Atlanta, bei denen zwei Menschen starben und mehr als 100 verletzt wurden. Zuletzt übernahm Clarke 2011 den Fall von Jared Loughner, der in Arizona ein Attentat die Kongressabgeordneten Gabrielle Giffords verübte und dabei sechs Menschen tötete und 14 schwer verletzte.

Smith, Kaczynski, Rudolph und Loughner - all diesen Klienten drohte die Todesstrafe. Alle bekamen stattdessen lebenslängliche Gefängnisstrafen.

Lob für "legendäre" Clarke

Judy Clarkes beeindruckendes Portfolio sorgte so schon bei der Bekanntgabe ihres Mitwirkens im Fall Loughner dafür, dass die medienscheue Strafverteidigerin von der New York Times als "Meisterstrategin", vom Magazin Time sogar als "legendär" bezeichnet wurde.

In die Lobeshymnen fällt im Artikel der Time auch Clarkes Freund und Kollege Jack King von der "National Association of Criminal Defense Lawyers" ein. Er sieht sie zu ihrem Lebensweg berufen. "Judy weiß, dass niemand an den schlechtesten Momenten seines Lebens gemessen werden möchte", so King, "sie kann sich in Leute hinein fühlen und ihr menschliches Wesen entdecken, ganz egal, was der Rest der Welt in ihnen sieht." Clarke versuche, die Todesstrafe "one human being at a time", also einen Fall nach dem anderen, zu stoppen.

Debatte um Todesstrafe für Zarnajew

Der nächste, dem sie nun helfen soll, ist Dschochar Zarnajew, der am 15. April zusammen mit seinem Bruder Tamerlan an der Ziellinie des Bostoner Marathons drei Menschen getötet und mehr als 260 verletzt haben soll. Tamerlan starb nach einer Schießerei mit der Polizei, der 19-jährige Dschochar wurde schwer verletzt gefasst. Ihm wird vor einem Zivilgericht die Benutzung einer Massenvernichtungswaffe vorgeworfen - ihm droht dafür die Todesstrafe.

Für Judy Clarke ist die Todesstrafe schlicht "legalisierter Mord". Bei der Konferenz in Los Angeles sprach sie davon, dass eine Verbindung zum Klienten hergestellt werden müsse, um herauszufinden was ihn in seine Situation gebracht hatte - meist, so sagte sie, fänden sich unterschwellige Mentalstörungen. Es gehe ihr bei ihrer Arbeit darum, Todeskandidaten einen Sinn zum Leben zurückzugeben.

Die Entscheidung sie in die Runde der Verteidiger Zarnajews aufzunehmen zeige deshalb, dass diese "vehement einen Prozess gegen die Todesstrafe anstrengen werde", zitiert die Washington Post den Juraprofessor Alan Dershowitz aus Harvard. "Sie werden keine Dschihad-Verteidigung aufziehen, der Klient möchte leben und er will die Todesstrafe vermeiden."

Die Meinungen darüber, ob Zarnajew zu Tode verurteilt werden sollte oder nicht gehen in den USA auseinander. Harvard-Jurist Dershowitz forderte im Guardian die Staatsanwaltschaft auf, nicht auf die Todesstrafe zu plädieren. Der demokratische Senator Charles Schumer hingegen sagte gegenüber CNN, "gemäß der Fakten die ich gesehen habe, wäre es angebracht die Todesstrafe in diesem Fall zu verhängen." Das Zivilrecht erlaube die Todesstrafe, im Fall Dschochar Zarnajew müsste sie zur Anwendung kommen.

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