Home-Office in der Diskussion:Couch oder Schreibtisch?

Büro

Großraumbüros versprühen wenig Charme - da erscheint das Arbeiten vom eigenen, gemütlichen Arbeitszimmer aus verlockend.

(Foto: Jamie Choy/iStockphoto.com)

In Sachen Heimarbeit sind sich die großen Konzerne nicht einig: Während Yahoo das Home-Office abschafft, gibt es bei IBM immer weniger feste Schreibtische im Büro. Welches Arbeitsplatz-Modell Unternehmen und Arbeitnehmern nützt.

Beim Frühstück in die Telefonkonferenz reinhören oder in Ruhe auf dem Sofa eine knifflige Präsentation vorbereiten: Für viele Arbeitnehmer ist Heimarbeit mittlerweile Alltag - und eine beliebte Alternative zur Hektik im Büro. Auch die Mitarbeiter des Internetriesen Yahoo nutzten das bisher gern. Doch damit ist nun Schluss: Firmenchefin Marissa Mayer verordnete kürzlich wieder Anwesenheitspflicht und machte dem Home-Office damit den Garaus. Ein Schritt, der für manch anderes Unternehmen undenkbar wäre.

"Die Produktivität ist für uns unabhängig vom Arbeitsplatz", sagt eine Sprecherin des Autobauers Daimler. Dort wird Heimarbeit bereits seit Ende der 80er Jahre angeboten. Die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, sieht man dort als zusätzliche Motivation, wie die Sprecherin betont: "Es ist auch ein Faktor für die Attraktivität des Arbeitgebers."

Keine Angst, dass jemand faul auf der Couch rumfläzt? Dafür gebe es klare Zielvereinbarungen, erklärt sie. Wer sein Soll nicht erfülle, fliege so recht schnell auf.

Nach Absprache dürfen Mitarbeiter dem Büro eine Woche fernbleiben

Wenn das Ergebnis stimme, sei der Ort unerheblich, findet auch Natalie Lotzmann, zuständig für das Gesundheitswesen beim Softwarekonzern SAP. "Es kann nicht sinnvoll sein, dass man für Anwesenheit bezahlt wird. Es geht ja um Verantwortung für Aufgaben und Zielerreichung." Bei SAP gebe es kein festinstalliertes Home-Office - nach Absprache dürfen Mitarbeiter dem Büro aber schon mal eine Woche lang fernbleiben.

Experten bewerten die Heimarbeit positiv. "Das ist eine Win-Win-Situation", sagt Martin Braun vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft in Stuttgart. Yahoo-Chefin Mayer hatte in einem Schreiben an ihr Team erklärt, im Heimbüro litten oft Tempo und Qualität der Arbeit. Der Experte sieht das Argument kritisch. "Ich glaube nicht, dass es vom Ort abhängig ist", sagt Braun. "Es ist eher eine Frage der inneren Motivation." Jenseits der Stechuhr arbeiten Menschen ihm zufolge sogar mehr.

Studien kommen zu einem ähnlichen Ergebnis. Mitarbeiter brüten demnach länger über Aufgaben, wenn sie ihren Job von zu Hause aus machen. Das ergab etwa eine repräsentative Befragung des Bürodienstleisters Regus. Demnach sitzt jeder fünfte Angestellte im Heimbüro täglich länger als elf Stunden am Schreibtisch - wenn er denn vom Schreibtisch aus arbeitet.

Rollkoffer, Laptop, Smartphone und Spind. Für die meisten Beschäftigten am deutschen Hauptsitz des US-Technologieriesen IBM gehört das mittlerweile zur Grundausstattung. So sollen Mitarbeiter aus Vertrieb und Verwaltung von überall aus arbeiten können - und das Unternehmen spart Kosten für die Bürofläche.

"Wir haben ein sehr flexibles Bürokonzept", erklärt ein IBM-Sprecher in Ehningen bei Stuttgart. Einen eigenen Schreibtisch habe dort niemand mehr. Wenn es doch jemanden ins Büro ziehe, stehe aber ein Arbeitsplatz zur Verfügung. Alternativ könnten Mitarbeiter ihren Laptop auch in den Nischen des Betriebscafés aufbauen. Einmal wöchentlich gebe es gemeinsame Meetings oder Telefonate.

Arbeitnehmertraum mit Einschränkungen

Klingt nach einem Arbeitnehmertraum? Ja, sagt der Experte. Aber mit Einschränkungen. Lässt man sich zu lange nicht beim Chef blicken, könne sich durchaus das Sprichwort "Aus den Augen, aus dem Sinn" bewahrheiten.

Auch die Yahoo-Chefin hatte darauf hingewiesen, wie wichtig das persönliche Zusammensein sei - Gespräche auf dem Flur oder in der Cafeteria inklusive. "Gerade bei Teamarbeit ist zumindest zeitweise physische Anwesenheit ein wichtiger Faktor", sagt auch SAP-Gesundheitsmanagerin Lotzmann. Deswegen ist die richtige Mischung entscheidend." Videokonferenzen seien auf Dauer kein Ersatz für das persönliche Gespräch.

"Es gibt eine soziale Dimension", betont Experte Braun. Der Kontakt zum Arbeitgeber könne ebenso motivieren wie der Arbeitsplatz in den eigenen vier Wänden. Sein Fazit: eine Sowohl-als-auch-Lösung.

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