Fashionspießer zum Flachdach-Käppi:Brett am Kopf

Justin Biebers Flatcap

Justin Bieber mit Flatcap.

(Foto: AFP)

Wer die Flachdach-Kappe mit dem brettartigen Schild trägt, sieht immer ein bisschen aus, als könne er nicht bis drei zählen. Dennoch erfreuen sich Flatcaps bei Jungs überdurchschnittlicher Beliebtheit. Ein Erklärungsversuch.

Von Violetta Simon

Der Kleine ist die personifizierte Nervensäge, die reinste Provokation. Wie er so dasteht, von unten heraufschaut unter seinem Käppi. Wobei - die Kappe ginge ja noch. Es ist dieses Schild, das sein Gesicht überdacht: horizontal und kerzengerade, wie ein Brett, das man in sein Hirn gerammt hat. Der Junge ist eigentlich ein kluger Kopf und abgesehen davon sieht er ziemlich smart aus. Daran gibt es schon allein deshalb keinen Zweifel, weil es sich bei dem Doofe-Mützen-Träger um den eigenen Sohn handelt. Doch leider - das ist ebenfalls unbestreitbar - wirkt der Junge mit dem Ding auf dem Kopf, als könne er nicht bis drei zählen.

Man möchte ihm die Kappe vom Wuschelkopf reißen und darauf herumtrampeln. Da es sich bei dem Modell aus unerfindlichen Gründen um die allerliebste Kopfbedeckung des kleinen Mannes handelt, verlässt man alternativ dazu lieber das Zimmer und versucht sich daran zu gewöhnen, dass man offenbar mit Justin Bieber unter einem Dach lebt.

Nun sind es aber nicht nur Mütter, die sich einem mitunter grotesken Geschmacksempfinden ihrer Söhne ausgesetzt sehen. Die Caps werden schließlich vorwiegend von größeren Jungs getragen. Und diese Männer haben Freundinnen. Die sind in der Regel jedoch ebenso wenig begeistert. Recherchen unter Frauen im nahen Umfeld haben ergeben, dass die Akzeptanz bei diesem Accessoire eher gering ist - und das Verständnis dafür mit zunehmendem Alter gegen null tendiert. Die Antworten auf die Frage, wie man reagieren würde, wenn der Partner mit einem solchen "Truckercap" auf dem Kopf erschiene, reichen von "Dann muss er zu Hause bleiben" über "Das würde er nicht tun, dafür sorge ich" bis hin zu "Ich würde mich sofort trennen". Die Aussage "Dann schau ich eben auf die inneren Werte" war noch eine der wohlwollendsten.

Das liegt sicher nicht zuletzt daran, dass die Cap mit dem Brettschild dem Träger fast immer ein - man kann es nicht anders sagen - grenzdebiles Aussehen verleiht. Wer einen Eindruck vom Standing dieser Kappe erhalten will, muss nur eine Umfrage unter Männern starten, wie sie Haremshosen an Frauen finden. Niemals wird es einer Frau gelingen, in den Stoffungetümen Anmut auszustrahlen. Sie bringen die schlimmsten Seiten unserer Figur ans Licht, selbst jene, die wir gar nicht haben. Und genauso ist es mit der Flachdach-Kappe.

Es gibt sicher viele gute Gründe, sich ein Basecap aufzusetzen: starke Sonneneinstrahlung, Bad-Hair-Day, lichtes Haar - und vielleicht noch das Bedürfnis, die eigene Körpergröße ein bisschen nach oben zu korrigieren. Doch ist es wirklich nötig, dazu ein Modell zu wählen, das einen aussehen lässt, als wäre man geistig unterbelichtet?

Vermutlich liegt es daran, dass die Varianten, ein Basecap zu tragen, inzwischen ausgeschöpft sind. Es ist schon bemerkenswert, was die Kappe im Laufe ihrer Existenz so alles durchmachen musste. Mitte des 19. Jahrhunderts trugen die Spieler des Baseballclubs New York Knickerbockers erstmals die steifen Kappen, die damals noch keinen Schirm hatten und "hemispherical hats" genannt wurden. Erst in den vierziger Jahren versah man die Basecap vorne mit einem versteiften Schild, um die Augen der Baseballspieler vor der Sonne zu schützen.

Auf den Köpfen deutscher Teens tauchten sie erst in den Siebzigern auf. Und dann ging es auch schon bergab mit der Würde des Caps: In den Achtzigerjahren guckten die Mützenträger sich von amerikanischen Straßengangs die Attitüde ab, die Mütze mit dem Schirm nach hinten zu tragen - was auch nicht wesentlich intelligenter aussah als das, was ihnen folgte: die Flachdach-Kappe. Was bis dahin ganz wichtig war - das Schild mit beiden Händen bogenförmig nach unten zu formen, galt nun als Tabu.

Die Steigerung erreicht man nurmehr, indem man sie einen Tick zu klein kauft, so dass sie nurmehr auf dem oberen Viertel des Kopfes sitzt. Und sie dann auch noch nach hinten dreht. Wer in dieser Aufmachung noch ernst genommen wird, der kann wirklich von sich behaupten, über allem zu stehen.

Es soll ja sogar erwachsene Männer geben, die die Flachdach-Käppis lieben - weil sie damit mindestens um zehn Jahre jünger aussehen. Nicht eine Frau würde ihnen da widersprechen: Ein Mann mit Trucker-Cap sieht garantiert aus wie ein Junge - ein dummer Junge. Offenbar ein Nachteil, den viele in Kauf zu nehmen bereit sind, bevor sie als alter Sack dastehen.

Kleiner Tipp für die Frauen, deren Männer das auch so sehen: Sollte der geliebte Lebensgefährte demnächst mit der Doofkappe auf dem Kopf erscheinen und seine Bereitschaft signalisieren, mit Ihnen auszugehen - einfach Segel setzen und die Haremshose hissen!

Hinweis der Redaktion: Aufgrund mehrere Nachfragen möchten wir darauf hinweisen, dass der Begriff "Flatcap" - nicht ganz korrekt ist. Wir haben ihn deshalb umschrieben oder andere Bezeichnungen eingefügt. Die Kappen mit dem geraden Schild haben keine einheitliche Bezeichnung, sie werden im Allgemeinen Basecaps, aber auch Truckercaps oder Buiz-Caps genannt. Für weitere Hinweise sind wir dankbar.

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