Befristete Beschäftigung:Pädagogen arbeiten als Saisonkräfte

Lehrer

Frontalunterricht hat einen schlechten Ruf - zu Recht?

(Foto: Bernd Weissbrod/dpa)

Jeden Sommer steigen die Arbeitslosenzahlen sprunghaft - weil viele Lehrer in den Sommerferien von Arbeitslosengeld leben. Ihre Verträge sind befristet und sparen die Sommermonate aus. Verbände kritisieren diese langjährige Praxis der Länder als "Skandal" und fordern ein Ende der Saisonarbeit.

Von Thomas Öchsner

Nach zehn Jahren hatte die Grundschullehrerin Marie Luise J. von den Kettenverträgen genug. 14 Mal hatte sie vom Land Hessen einen befristeten Arbeitsvertrag erhalten. Immer wieder musste sie aufs Neue bangen, ob sie im nächsten Schuljahr wieder unterrichten durfte. Und immer wieder hatte sie sich in den Sommerferien arbeitslos melden müssen, weil ihr jeweiliger Vertrag nur bis zum Ende der Unterrichtszeit lief. Dann klagte sie auf eine feste Anstellung - und erhielt vom Arbeitsgericht Gießen im März 2013 recht.

Wie Marie Luise J. geht es derzeit vielen der gut 200.000 angestellten Lehrer in Deutschland. Zehntausende von ihnen sind nicht nur befristet beschäftigt. Etliche müssen im Sommer sogar Arbeitslosengeld I oder wegen nicht ausreichender Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung kurzzeitig Hartz IV beantragen.

Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) meldeten sich in den Sommerferienmonaten 2012 bundesweit 5400 Lehrer zusätzlich arbeitslos. In einer Analyse der Behörde heißt es: Dieser "sprunghafte Anstieg der Arbeitslosigkeit", der nach Ende der Ferien wieder deutlich zurückgehe, falle bereits seit Jahren auf. Spitzenreiter 2012 war laut der Statistik Baden-Württemberg. Dort kletterte die Zahl der arbeitslosen Lehrer im August um satte 1400 Prozent. Auch in Rheinland-Pfalz, Bayern oder Hessen sei das Phänomen verbreitet. Hauptursache seien befristet geschlossene Verträge mit nicht-verbeamteten Lehrkräften, bei denen die Sommerferien ausgespart blieben.

Länder sparen auf Kosten der Bundesagentur für Arbeit

Dass Länder so auf Kosten der Arbeitslosenversicherung sparen, ist nicht neu: Bereits 2001 hatte der Bundesrechnungshof kritisiert, Länder würden sich "eines Teils ihrer Arbeitgeberverpflichtungen zulasten des BA-Haushalts entledigen". Nachdem 2007 etwa 7000 zusätzliche arbeitslose Lehrer im Sommer in der Statistik aufgetaucht waren, prangerte die BA dies an. Danach gelobte etwa Hessen Besserung. Die Zahl schmolz im Sommer 2009 auf 4400. Doch 2011 waren es wieder 5800, zuletzt eben bundesweit 5400.

Ilse Schaad, Vorstandsmitglied in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, hält dies "für einen Skandal. Die Arbeitslosenversicherung ist nicht dafür da, Lehrer im Juli oder August zu bezahlen." Sie weist darauf hin, dass es in vielen Schulen am Anfang des Schuljahres "Notstundenpläne" gebe, weil noch nicht alle Lehrer mit neuen befristeten Verträgen wieder eingestellt worden seien.

Auch Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Philologenverbands, fordert, solche Lehrkräfte mit kompletten Ganzjahresverträgen auszustatten. Das Kultusministerium in Baden-Württemberg lehnt dies jedoch genau in diesen Fällen ab: Dabei handele es sich meist um Vertretungen, "die an einen Vertretungsgrund wie zum Beispiel Krankheit oder Mutterschutz gekoppelt sind. In den Sommermonaten besteht dieser Vertretungsgrund nicht", sagte eine Sprecherin.

2011 wurde eine noch kuriosere Form der Saisonbeschäftigung bekannt: Viele der 300 Eishockey-Profis in Deutschland haben Neun-Monats-Verträge - und kassieren trotz Jahresgehältern von 100.000 Euro und mehr in den spielfreien wärmeren Monaten ganz legal Arbeitslosengeld. Das aber haben einige Vereine inzwischen abgeschafft.

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