Ungewöhnlicher Technikeinsatz:Mit Smartphones Tropenkrankheiten diagnostizieren

Telemedizin

Mit einem Handy lassen sich Bilder vom Okular eines Mikroskops an entfernte Labors senden

(Foto: Tuijn et al. 2013, Plos one)

Wo es an Laboren und moderner Medizin fehlt, müssen Ärzte improvisieren. Verschiedene Forschergruppen setzen inzwischen Smartphones ein, um die Gesundheitsversorgung in armen Ländern zu verbessern.

Von Christopher Schrader

Das Bild auf dem kleinen Monitor erinnert an eine Pfütze mit Ölfilm. Der blaue Hintergrund zeigt schimmernde Schlieren in Regenbogenfarben, in der Mitte aber ist ein hellbraunes, linsenförmiges Gebilde zu erkennen. An dessen Spitzen ist der Rand etwas heller - das typische Muster eines Peitschenwurm-Eies unter dem Mikroskop.

Das Bild stammt allerdings nicht von einem Laborinstrument, sondern aus der Kamera eines Handys.

Eine internationale Forschergruppe um Isaac Bogoch vom Toronto General Hospital hat einfach eine kleine Linse auf das Objektiv eines älteren iPhones geklebt, einen Probenträger dagegen gedrückt, mit einer Taschenlampe hinein geleuchtet und so den Parasitenbefall diagnostiziert. Die Probe stammte von einem Schulkind auf Pemba, einer tansanischen Insel im Indischen Ozean.

Bogochs Team gehört damit zu einer ganzen Reihe von Forschergruppen, die mit Smartphones die Gesundheitsversorgung in armen Ländern verbessern wollen.

"In vielen Teilen der Welt gibt es keine Mikroskope oder das medizinische Personal ist nicht gut genug ausgebildet, alle Information aus den erzeugten Bildern herauszuholen", haben schon 2009 David Breslauer von der Universität Berkeley und seine Kollegen geschrieben.

Spiel zur Malaria-Diagnose

Mit einem Onlinespiel beurteilen Teilnehmer Blutzellen auf eine Malaria-Infektion hin

(Foto: Screenshot)

Mobilfunknetze erreichten aber viele dieser Regionen und Handys seien weitverbreitet, das könnte man zum Beispiel für die Diagnose von Malaria oder Tuberkulose nutzen. "Die Kameras in den Telefonen sind immer besser geworden, genauso wie die Prozessoren und die Displays", ergänzt Aydogan Ozcan von der University of California in Los Angeles.

Die Entwicklung wurzelt in der sogenannten Telemedizin, bei der Fotos und Daten zur Analyse an Spezialisten geschickt werden, die ganz woanders sitzen. Forscher um Coosje Tuijn von Königlichen Tropeninstitut in Amsterdam haben das in Uganda getestet und einfach Handys vor dem Okular von Mikroskopen befestigt. Hatte die eingebaute Kamera eine Auflösung von zwei Megapixeln oder mehr, taugten die Bilder schon für eine Diagnose, war das Resultat.

Isaac Bogoch und Aydogan Ozcan, die Forscher aus Toronto und Los Angeles, gehen einen Schritt weiter: Sie machen das Smartphone selbst zum Mikroskop. Das Team in Ozcans kalifornischem Labor hat zum Beispiel einen Aufsatz entwickelt, der ohne Linse auskommt. Das Licht einer Leuchtdiode fällt durch die Probe - Speichel oder Blut auf einem Objektträger - und wird dort an den enthaltenen Zellen oder Krankheitserregern gestreut. Auf den Kamerachip fallen Schatten, die eine App auf dem Handy zu Bildern umrechnet.

Sollten dann nicht genug Ärzte zur Verfügung stehen, die zum Beispiel die womöglich von Malaria-Erregern befallenen roten Blutkörperchen beurteilen können, will Ozcan Fans von Computerspielen zur Hilfe rufen. Seine Gruppe experimentiert mit einem Onlinespiel, bei dem Freiwillige aus aller Welt befallene Zellen markieren - als Wettbewerb (biogames.ee.ucla.edu). Bewerten mehrere Spieler einzelne Bilder gleich, erreiche die diagnostische Genauigkeit der Gruppe fast die Werte von Spezialisten, hat das Forscherteam erkannt.

Eine Weiterentwicklung von Ozcans Abbildungstechnik ist das Fluoreszenz-Mikroskop auf dem Handy. Wird eine Probe mit Farbstoffen vermengt, können bestimmte Zelltypen grün oder rot aufleuchten, nachdem sie mit blauem Licht angeregt werden. So lässt sich zum Beispiel der Nachweis von Immunzellen bei HIV-Infizierten automatisieren: Der Aufsatz auf dem Smartphone saugt dazu den Inhalt eines standardisierten Probengefäßes durch einen dünnen Schlauch vor die Linse der Kamera, damit das Handy die Zahl und Dichte der Zellen bestimmen kann.

Bogochs Versuch in Tansania setzt dagegen auf billige, einfache Technik. Die benutzte Linse und das restliche Material kosten 15 Dollar (12 Euro). Immerhin 70 Prozent aller Wurmeier ließen sich so nachweisen. Am besten ging es bei Spulwürmern, am schlechtesten bei Hakenwürmern, die Peitschenwürmer lagen dazwischen.

Noch ist die Ausbeute nicht gut genug, räumen die Forscher ein, sie müsse auf 80 Prozent steigen. Das Team verlässt sich auf den Innovationsdrang der Hersteller, denn es ist überzeugt: "Neue Technologie könnte die Diagnosen mit Mobiltelefonen verbessern".

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: