Nachbar Flughafen:Segen oder Fluch?

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Eschenbacher und Thalhammer beklagen vor dem Verwaltungsgerichtshof die negativen Auswirkungen der Airporterweiterung für die Entwicklung der Stadt Freising. Richter Allesch spricht von einem Luxusproblem

Von Peter Becker

Im Norden von Freising Beverly Hills, in Lerchenfeld die Bronx. Frei nach Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher gestaltet sich so die künftige Entwicklung der Freisinger Stadtteile, wenn die dritte Startbahn im Erdinger Moos gebaut wird. Geschuldet ist dies der Entwicklung der Grundstückspreise, wie Eschenbacher am Donnerstag dem Vorsitzenden Richter Erwin Allesch am Obersten Verwaltungsgerichtshof erläuterte. Der Freisinger OB, Alt-Oberbürgermeister Dieter Thalhammer und Berglerns Bürgermeister Herbert Knur, schilderten, wie der Flughafen im Moos immer autarker werde. Er ziehe Kaufkraft aus den Innenstädten ab. Knur sagte, dass die Klinik am Flughafen immer mehr in Konkurrenz zum Erdinger Kreiskrankenhaus stehe. Richter Allesch betitelte die Argumente der Bürgermeister als "Luxusprobleme". Oberlandesanwalt Niese kritisierte, dass die städtebaulichen Argumente am Planfeststellungsbeschluss vorbei zielten. "Wir reden hier nicht über den Bau eines neuen Terminals oder einer Klinik, sondern über den Bau einer Startbahn", blaffte er.

Den elften Verhandlungstag im Prozess um den Bau der dritten Startbahn wollten Eschenbacher, Thalhammer und Knur nutzen, um auf die Folgen der Flughafenerweiterung aufmerksam zu machen. Basierend auf Gutachten, die bei einem Bau der Startbahn 10 000 zusätzliche Arbeitsplätze prognostizieren, rechnete Eschenbacher vor, dass dies einem Zuzug von 25 000 Menschen in die Region gleichkomme. Denn in den Landkreisen rundum herrsche Vollbeschäftigung. Die Arbeitskräfte müssten daher von Außen kommen, erläuterte der Oberbürgermeister.

Eschenbacher beschrieb das "Paradoxon", dass der Flughafen einerseits die Menschen anziehe und dadurch mehr Wohnraum geschaffen werden müsste. "Doch die dritte Starbahn verhindert das." Der OB sprach von knappem Wohnraum im Norden der Stadt, den sich nur noch Spitzenverdiener leisten könnten. Im Süden dagegen sänken die Grundstückspreise. Daher der Vergleich mit dem Vergleich des Nobelvororts der Stadt Los Angeles und dem New Yorker Armenviertel. Thalhammer erinnerte an ein Obdachlosen-Problem, das die Stadt Freising vor Jahren mit Bautzener Bürgern gehabt habe. Damals wurden eigens Menschen aus der strukturschwachen Region Sachsens geholt, um am Flughafen zu arbeiten. Bald hätten sie sich aber hier ihre Wohnungen nicht mehr leisten können und mussten in Notunterkünften unterkommen.

Kritisch beäugen Eschenbacher, Thalhammer und Knur die Entwicklung der beiden Terminals zu Einkaufszentren. Der OB sprach von einem "Kannibalisierungs-Effekt." "Viele Leute kaufen am Flughafen ein und nicht mehr in den Innenstädten", erklärte Eschenbacher. Während die Stadt Freising händeringend nach einem "Magneten" für die Innenstadt suche, ließen sich in Frage kommende Unternehmen lieber in den attraktiven Terminals nieder. "Die Wertschöpfung bleibt beim Flughafen", kritisierte Eschenbacher. "Die Folgelasten tragen die Kommunen." Etwa in Form von verfallenden Zentren.

Bei Allesch stießen diese Argumente auf wenig Resonanz. "In den Geschäften am Flughafen ist alles viel teurer", wandte er ein. Er würde dort nicht einkaufen. Eschenbacher entgegnete, das es am Flughafen im Gegensatz zu den Innenstädten die Markenartikel gebe, welche die Kunden in den Zentren der Städte nicht kaufen könnten. Knur empfahl dem Vorsitzenden Richter, einmal sonntags oder zur Adventszeit an den Flughafen zu fahren. "Die Leute delektieren sich dort und kaufen ein", sagte der Berglerner Bürgermeister.

Thalhammer erwähnte, dass der Flughafen erst seit Kurzem Gewerbesteuer zahle. Berglern, ergänzte Knur, gehe da ganz leer aus, und müsse daher allein aus der Einkommensteuer und der eigenen Gewerbesteuer aufgrund des Zuzugs teure Kindergärten bauen. "Oberding hat doppelt so viele Einwohner als Berglern und nimmt 20 Mal so viel Gewerbesteuer ein", schilderte Knur. Dies provozierte Allesch zu der Frage, um was es Knur gehe. Etwa darum, an der Gewerbesteuer des Flughafens partizipieren zu können?

Flughafenanwalt Volker Gronefeld pries hingegen den Segen, den der Flughafen der Region gebracht habe. Zehntausend Arbeitsplätze seien in den Jahren zwischen 2000 und 2009 entstanden. Das durchschnittliche Gehalt der am Flughafen Beschäftigten sei in diesem Zeitraum von 31 000 auf 37 000 Euro im Jahr gestiegen. Eine Milliarde Euro sei in den zehn Jahren an Gehältern erwirtschaftet und in der Region wieder ausgegeben worden. Freising habe eine Kaufkraft, die um 25 Prozent höher sei als die der meisten Kommunen Deutschlands. Und außerdem stellten die Bürgermeister das Planungsziel, die Stärkung der Wirtschaftskraft Münchens, gar nicht in Frage.

© SZ vom 17.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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