SPD und Sozialistische Internationale:Auf Distanz zur Tradition

Sigmar Gabriel, SPD, Sozialistische Internationale, Progressive Allianz

Sozialdemokraten gründen globales Netzwerk: Progressive Alliance

(Foto: dpa)

Wenn es um den "Sozialismus" geht, geben sich die Sozialdemokraten genierlich. Jetzt gründen sie einen Verein mit dem nichtssagend prahlerischen Namen "Progressive Allianz". Was will die SPD mit diesem verdrucksten Produkt?

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Die Sozialistische Internationale hat einen traditionsreichen Namen. Sie ist aber, seitdem Willy Brandt vor gut zwanzig Jahren die Leitung abgegeben hat, eine schwindsüchtige Angelegenheit. In öffentlichen Debatten ist sie wenig präsent, in der nationalen und internationalen Politik spielt sie kaum eine Rolle. Das aber ist nicht der Grund, warum die SPD am 150. Geburtstag sich daraus verabschiedet und einen neuen Verein gründet; die Schwindsucht wäre ja, etwa durch eigene Anstrengung, heilbar. Der Grund für die Gründung des Vereins mit dem nichtssagend prahlerischen Namen "Progressive Allianz" ist vor allem der, dass die SPD mit den Wörtern "Sozialismus" und "sozialistisch" immer genierlicher umgeht.

Der Weihrauch, wie er zum 150. Jubiläum der SPD verbrannt wird, ist daher ein Dual-use-Stoff, ein Stoff mit doppeltem Verwendungszweck: Zum einen soll das Räucherwerk für einen geschichtsgesegneten Auftakt des Wahlkampfs sorgen; zum anderen soll es die verpönten alten Begrifflichkeiten und Ideale im Nebel verschwinden lassen. Sozialismus kommt ja nicht von sozial, sondern vom Sozialisieren, also vom Vergemeinschaften der Produktionsmittel, wie es etwa im Artikel 15 Grundgesetz vorgesehen ist; aber auch dieser Artikel wird ja allenthalben verlegen überblättert.

Wenn es um den "Sozialismus" geht, benimmt sich die SPD heute so wie der Enkel, der sich am Geburtstag vom Opa für dessen vermeintlich aus der Zeit gefallene Rede schämt. Willy Brandt hat diese Genierlichkeit nicht gehabt. Für ihn war, so hat er das oft gesagt, sozialistisch und sozialdemokratisch mehr oder weniger das Gleiche. Das stimmt zwar nicht, aber er hat auf diese Weise das Werden und Sein der SPD gefühlsmäßig zusammengebracht.

Linke Ideen könnten einen wirklichen Wettbewerb gut vertragen

Der Nach-Brandt-SPD gelingt das nicht mehr - wie schon vor sechs Jahren der Streit um das neue Parteiprogramm gezeigt hat: Der damalige Generalsekretär Olaf Scholz wollte den "demokratischen Sozialismus" daraus streichen; nach dem Aufstand der geschichtsbewussten Basis blieb er als Antiquität im Programm.

Als Grund für den Abschied aus der Internationale wird von der SPD-Spitze auch genannt, dass dort etliche dubiose Vereinigungen dabei seien; bei 168 sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien, die Mitglied sind, erstaunt das nicht. Dubiose Mitglieder gab es zu Brandts Zeiten auch; er hat damit umzugehen gewusst.

Die neue "Progressive Allianz" ist letztlich ein verdruckstes Produkt: Die SPD sagt indirekt, dass ihre Sozialisterei beendet ist. Das war eigentlich schon Botschaft des Godesberger Programms von 1959 ff; seitdem fordert die SPD: Wir wollen die Kontrolle wirtschaftlicher Macht! Vorher hat sie plakatiert: Wir wollen wirtschaftliche Macht verhindern! Lafontaine sagt das heute noch; darum ist er nicht mehr in der SPD und zum Jubiläum nicht geladen.

Linke und linksgeneigte Ideen könnten freilich einen wirklichen Wettbewerb gut vertragen - ob der Ort dafür nun "Sozialistische Internationale" oder "Progressive Allianz" heißt.

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