Unterkünfte in Dubai:Wo die freien, aufgeschlossenen Geister wohnen

JW Marriott Marquis Dubai Hotel Tourismus

Unter den Augen der Scheichs: In der Check-in-Halle des JW Marriott Marquis herrscht gediegene Effizienz. Die gelb leuchtenden Wände sind aus Alabaster.

(Foto: Stephan Rumpf)

Vor kurzem hat in Dubai das höchste Hotel der Welt eröffnet - ein weiterer Luxusort im Emirat der Superlative. Aber hier geht es auch bodenständig zu: in der einzigen Jugendherberge.

Von Jochen Temsch

Bier? Aber natürlich nicht! Sayed Kamal schaut seine Gäste verwundert an. Das können die sich doch denken, dass es hier keinen Alkohol gibt. Getrunken wird nur in den großen Hotels. Und das hier ist eine Jugendherberge! Die einzige Jugendherberge Dubais. "Ich kann Ihnen aber etwas Ähnliches anbieten", sagt Kamal. Er kommt hinter dem Schalter vor, an dem er die Gäste seriös in hellblauem Hemd mit breiter Krawatte empfängt, und öffnet einen mannshohen Kühlschrank. Dieser stellt in Kombination mit einer Resopaltheke und einem Stilmix aus Holzstühlen, Ledersesseln und PC-Terminals den Barbereich des Hostels dar.

Von der Theke aus hat man die ganze Lobby im Blick: einen hohen Raum, dessen Marmorboden das Neonlicht reflektiert. Neuankömmlinge werden mit einer Bordüre aus Wimpeln in den Farben der Vereinigten Arabischen Emirate, großformatigen Porträts der regionalen Herrscher sowie der Skulptur eines sich aufbäumenden Hengstes beeindruckt. Kamal bringt zwei grüne Flaschen zum Vorschein. Sie sehen zumindest aus wie Bier; was drin ist, schmeckt nach flüssigen Erdbeeren. Einen 100-Dirham-Schein, umgerechnet etwa 20 Euro, kann Kamal dafür nicht annehmen - er hat nicht so viel Wechselgeld.

Keine zehn Minuten hat die Fahrt vom Flughafen hierher gedauert, und schon ist man mittendrin in einem Dubai, wie man es eher nicht erwartet. Das Emirat, in dem das Geld offenbar nicht ausgeht, das Übermorgenland, wo die höchsten Gebäude der Welt in den Himmel schießen und die größten Shopping Malls stehen, wo an den Hotelportalen schon mal sieben Sterne prangen und der Sand vor der Küste zu künstlichen Welten aufgeschüttet wird - hier an der Al Nahda Road, Hausnummer 39, ist es weniger phantastisch. Dafür sympathisch bodenständig.

Von außen hat die Unterkunft einen eher herben Charme. Und sie ist besonders verkehrsgünstig an einer sechsspurigen Straße gelegen. Darüber wölbt sich das Hochgleis der Metro. Der Flughafen ist hörbar nah. Das Haupthaus ist ein funktionaler Klotz, der früher das Ministerium für Kultur und Jugendpflege beherbergte. Blaue Leuchtstoffröhren tauchen die Fassade in stimmungsvolles Licht. Ein Frangipani-Baum erfüllt den ganzen Parkplatz mit dem süßlichen Duft seiner weißen Blüten. Die Zimmer sind äußerst sauber, verfügen teils sogar über Flatscreen-Fernseher und Kühlschränke. Bodenfliesen, Wandfarben, Bettdecken und Handtücher sind farblich aufeinander in lieblichen Pastelltönen abgestimmt. Vor allem aber hilft die Freundlichkeit von Sayed Kamal und seinen Kollegen, dass man sich hier schnell wohlfühlt.

"Ich wollte eigentlich nur zwei Tage bleiben, habe dann aber verlängert", sagt Chrystiona O'Sullivan, die gerade ihre E-Mails an der Bar liest. Sie stammt aus Los Angeles und ist alleine auf Weltreise, um über ihre Scheidung hinwegzukommen. Als Nächstes steht Mumbai auf ihrem Plan. "In Jugendherbergen gibt es viel mehr freie, aufgeschlossene Geister als in Luxushotels, man kommt leichter in Kontakt", sagt sie, "genau das brauche ich."

Nicht, dass man im neuesten Luxushotel der Stadt lange alleine herumstehen würde. Kaum betritt man das JW Marriott Marquis an der Sheikh Zayed Road im Business District, wird man von einer Angestellten begrüßt und zu einem der vielen Check-in-Schalter begleitet. Aber das ist dann eher eine routinierte Freundlichkeit. Hier herrscht gediegene Effizienz. Der in Schwarz durchgestylte Empfangsbereich mit gelblich leuchtenden Wänden aus Alabaster hat die Ausmaße einer Airport-Schalterhalle. Vielleicht eine Referenz an die Eigentümerin des Gebäudes, die Fluglinie Emirates.

Auch hier gibt es neben der Lobby eine Bar, und schon die bunten Flaschen in den Regalen, von hinten beleuchtet und meterhoch die Wand emporgezogen wie die Fenster einer Kathedrale, signalisieren, dass hier nicht gerade tiefgestapelt wird: In den 72 Stockwerken des Hotels gibt es 1608 Zimmer und Suiten mit bis zu 600 Quadratmetern, dazu ein Dutzend Restaurants, Bars, Lounges und Ballsäle, ein Business Center mit Konferenzräumen, Büros und Raucherbalkonen. Das Ganze ist aufgeteilt in zwei palmenförmige Türme, je 355 Meter hoch - laut Guinnessbuch das höchste Hotel der Welt, wenn man nur Wolkenkratzer berücksichtigt, die komplett von einem Hotel belegt sind. Ein Turm wurde im Februar eröffnet, der andere soll Ende 2014 bezugsfertig sein.

Das ist das Dubai, wie man es erwartet. Das Dubai, in dem niemand mehr von der Wirtschaftskrise redet. Die neuesten Pläne folgen dem alten Höhenflug: 588 Hotels mit rund 77.000 Zimmern gibt es bereits, noch bis zum Ende dieses Jahres sollen 11.000 Zimmer dazukommen. Nur Europäer können sich noch darüber wundern, wer all die Betten belegen soll. Längst zählen auch Chinesen, Lateinamerikaner sowie Besucher aus dem Mittleren Osten und den aufstrebenden Ländern Afrikas zu den umgarnten Zielgruppen. Laut offiziellen Angaben sind die Hotels zu 80 Prozent ausgelastet. Zehn Millionen Besucher kommen jährlich ins Emirat - doppelt so viele wie noch vor acht Jahren.

Zwei Holzhütten im Wüstensand

"Dubai ist das weltweite Business-Drehkreuz", sagt Daria Novikova, eine aus Russland stammende Managerin des JW Marriott Marquis, "ein Drittel der Weltbevölkerung erreicht die Vereinigten Arabischen Emirate mit einem Vier-Stunden-Flug, zwei Drittel sind in acht Stunden hier." Die zentrale Lage macht Dubai zum begehrten Ort für internationale Meetings. Unternehmen bauen Firmensitze hier, das Hotel bietet sich als Tagungsort für Veranstaltungen mit bis zu 1000 Personen an.

Youth Hostel Dubai Tourismus

Dubai Vereinigte Arabische Emirate, SZ Reisereportage über Jugendherberge und höchstes Hotel der Welt, Foto : Youth Hostel , 15 .April 2013, Foto : C : Stephan Rumpf

(Foto: Stephan Rumpf)

Weitere Hotels werden folgen. Ein Ende des Baubooms ist nicht in Sicht. Die Arbeiter hierfür stammen vor allem aus Indien, den Philippinen und Bangladesch. Sie verdienen etwa 1500 Dirham im Monat, umgerechnet 300 Euro. So viel lassen Gäste im Marriott locker an einem Abend liegen, wenn sie beispielsweise zu zweit im Steakrestaurant Prime 68 in der ebensovielten Etage speisen und drei Stockwerke höher in der Vault Bar noch einen Absacker nehmen.

Von ganz oben sieht Dubai aus wie eine menschliche Raumstation auf einem Planeten mit lebensbedrohlicher Atmosphäre: künstliche Inseln im Meer, Hochhaus-Monolithen im Rohbau, kein Fußgänger auf der Straße, weil es selbst nachts so heiß ist, jenseits der Blocks die Wüste, und aus der Mitte ragt der 830 Meter hohe Burj Khalifa schlank und silbern schimmernd empor wie eine außerirdische Funkantenne. Der junge Kellner, der die Getränke bringt, stammt aus dem Rheinland und sagt, er habe Heimweh.

Frühstück in der Jugendherberge. Die Wände sind sandfarben gefliest. Ein Gemälde zeigt eine Bergidylle, aber mit Zedern statt Tannen. Ein elektronischer Fliegenfänger leuchtet heller als der Fernseher, über dessen Bildschirm Koranverse in arabischer und englischer Schrift laufen, die gleichzeitig lautstark vorgetragen werden. Die Gäste sitzen eng beieinander an langen Tischen, und man kommt tatsächlich schnell in Kontakt.

Zum Beispiel mit den jungen Männern in Trainingshosen und etwas zu kleinen Badeschlappen, die sich Tee, Fladenbrot und Hummus schmecken lassen. Das ist der FC Samarra aus dem Irak, eine Mannschaft der ersten Liga, die hier eine Woche im Trainingslager verbringt. Gleich neben der Jugendherberge liegen die gepflegten Rasenplätze des FC Al-Ahli, Dubais großer Fußballhoffnung, auf denen die Iraker spielen dürfen. Außerdem hat die Herberge einen Swimmingpool. Dem Stürmer Abdul Al Rahman ist noch etwas anderes wichtig: "Keine Disco, kein Alkohol - in so einem Umfeld fühlen wir uns wohl", sagt der 23-Jährige. Am Ende des Gesprächs schenkt er dem Reporter einen Vereinswimpel. "Häng ihn hoch an die Wand", sagt er, "denn da steht auch der Name Gottes drauf."

Kurz, bevor das Buffet abgeräumt wird, erscheint eine weitere Sportlerin. Die Fitness-Trainerin Melanie Cripps stammt aus England. Die 38-Jährige hat neun Jahre in der Karibik gelebt, jetzt versucht sie ihr Glück in Dubai. "Hier habe ich viel mehr Chancen auf einen Job als in Europa", sagt sie, "die Wirtschaft floriert, und die Menschen im Mittleren Osten sind total an Sport und Gesundheit interessiert." Unter den zwei Millionen Einwohnern Dubais sind Zehntausende Expats, ausländische Fachkräfte, die in den Niederlassungen weltweit agierender Unternehmen arbeiten. Mehr als 200 Nationen sind in Dubai vertreten. "Es ist internationaler als Singapur", sagt Cripps, "das finde ich spannend." Aber da sie nicht weiß, wie lange ihre Arbeitssuche dauert, leistet sie sich keine andere Bleibe. "Jugendherbergen sind für Leute wie mich ideal", sagt sie, "und diese hier ist sowieso fast wie ein Hotel."

So etwas hört Hassan A. Mansy, der Direktor des Youth Hostel, natürlich gerne. Mit seinem dunklen Anzug und der großen Uhr am Handgelenk würde er auch als Manager im Marriott durchgehen. "1984 waren das hier noch zwei Holzhütten im Wüstensand", sagt Mansy stolz. "Als wir sahen, wie rasant sich die Vereinigten Arabischen Emirate veränderten, dachten wir, es müsse noch etwas anderes geben als immer nur noch größere Projekte - einen Platz für Leute, die sich kein teures Hotel leisten können." Bis zu 300 Gäste bringt er in der Jugendherberge unter, die meisten stammen aus den Emiraten, Europa und Afrika. Die Auslastung liegt auch in seinem Haus bei 80 Prozent. "Wir investieren nicht nur in Gebäude, sondern in die Kultur des Miteinanders", sagt Mansy. Die Wurzeln dafür lägen in der arabischen Gastfreundschaft: Für drei Tage dürfe jeder sein Zelt auf dem Grundstück eines anderen aufschlagen, erst nach dieser Zeit stelle man Fragen.

Karte Dubai Grafik SZ
(Foto: SZ Grafik)

Die heutige Auslegung des Brauchs funktioniert. So gesehen ist die Jugendherberge dann doch nicht so untypisch für Dubai: Sie wächst rasant. Mansy plant 120 neue Zimmer, zwölf Konferenzräume, zwei weitere Stockwerke obendrauf. Bis Ende des Jahres soll alles fertig sein.

Informationen

Anreise: Flug mit Emirates ab/bis München, Sondertarif bis 30. Juni: ab 499 Euro, www.emirates.de

Unterkunft: Jugendherberge: U. A. E. Youth Hostel Association, No. 39 Al Nahda Road, Al Qusais Area, Doppelzimmer mit Frühstück ab ca. 53 Euro (Nicht-Mitglieder) bzw. 46 Euro (Mitglieder), Platz im Schlafraum ab 25 Euro (Nicht-Mitglieder) bzw. 21 Euro (Mitglieder); Reservierungen unter Tel. 00971/42 98 81 51, www.uaeyha.com; JW Marriott Marquis Dubai, DZ ab ca. 130 Euro, Sheikh Zayed Road, Business Bay, Telefon: 00971/44 14 00 00, www.marriott.de

Weitere Auskünfte: Dubai Department of Tourism, and Commerce Marketing (DTCM), Frankfurt am Main, Tel.: 069/710 00 20, www.dubaitourism.ae

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