"Blockupy"-Proteste in Frankfurt:Ziviler Ungehorsam in der Bankenstadt

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Blockupy-Proteste in Frankfurt am Main  (Foto: dpa)

Sie nennen es "Widerstand im Herzen des Europäischen Krisenregimes": Tausende Kapitalismuskritiker protestieren in Frankfurt gegen Banker. Einige ziehen mit Kochtöpfen vor die Deutsche Bank und machen Lärm. Andere fordern Gerechtigkeit für Textilarbeiter in Bangladesch. Ein Tag mit Aktionen zivilen Ungehorsams.

Von Jens Schneider, Frankfurt

Der Morgen des Protests in der Bankenstadt lief nach Plan. Nur war es ein anderer Plan als an jedem sonstigen Tag in Frankfurt. Es war noch nicht sieben Uhr, da sammelten sich im strömenden Regen die ersten Blockierer am Willy-Brandt-Platz, nahe der Europäischen Zentralbank (EZB). Etwa tausend hatten in einem Camp übernachtet und sich sorgfältig darauf vorbereitet, in das Bankenviertel "einzusickern", wie sie es nennen. Das Bündnis Blockupy hatte aufgerufen, den Zugang zur EZB abzuriegeln. Sie stehe, so die Kritik, für ein Krisenmanagement, das zu Gunsten der Großbanken und zu Lasten vor allem ärmerer Menschen gehe.

Aber auch die Polizei war längst da, seit Stunden. Hunderte Beamte hatten den Zugang zur EZB mit Sperrgittern abgeriegelt. Sie hatten eine doppelte Aufgabe. Das Gebäude sollte gesichert, aber auch der Zugang für Mitarbeiter der EZB ermöglicht werden. Gegen acht Uhr verkündete eine Sprecherin von "Blockupy" Vollzug. "Die EZB ist blockiert", sagte sie. "Der Geschäftsbetrieb der EZB ist erfolgreich gestört." Das Bündnis sprach von 3000 Menschen, die alles dicht gemacht hätten. Die Polizei schätzte die Zahl niedriger. Etwas mehr als tausend könnten es sein. Strittig blieb, ob die Bank vollends abgeriegelt war. Auch die EZB hatte ihren Plan für diesen Tag, einen anderen als sonst, aber doch: "Wir arbeiten", sagte eine Sprecherin. Manche Mitarbeiter blieben offenbar daheim, andere kamen in den Eurotower.

Ob nun abgeriegelt oder nicht - das war am Ende eine Nebensache. Frankfurt erlebte einen Tag mit Aktionen zivilen Ungehorsams mit mehreren tausend Teilnehmern, sie nannten es "Widerstand im Herzen des Europäischen Krisenregimes". Er verlief nach Angaben der Polizei fast durchgehend friedlich. Bis zum Nachmittag gab es nur einzelne Rangeleien.

Am Vormittag wandten die Demonstranten sich, auch das war geplant, anderen Zielen zu. Einige hundert machten mit leeren Kochtöpfen vor der Deutschen Bank Lärm. Auf der Zeil, der Frankfurter Einkaufsmeile, protestierten Hunderte vor Textilketten gegen die Bedingungen, zu denen vor allem Arbeiterinnen und Kinder Billig-Produkte etwa in Bangladesch herstellen. Sie riefen: "Eure Mode ist so fesch wie der Tod in Bangladesch." Einige der Läden schlossen. Am Flughafen protestierten mehrere Hunderte gegen die Abschiebepolitik in Deutschland und Europa.

Unterdessen wurde in Brüssel bekannt, dass die geplante Finanzmarktsteuer nach massiver Kritik von Banken voraussichtlich abgeschwächt werden soll. Demnach werden bei den Verhandlungen in Brüssel Änderungen am Gesetzentwurf der EU-Kommission diskutiert, die den Finanzinstituten entgegenkämen. Eine Folge könnten weitaus geringere Steuereinnahmen für Deutschland und andere Staaten sein. Der deutsche Fiskus könnte, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, nur eine statt zehn Milliarden Euro kassieren.

Ziel der Steuer ist es, die Banken an den massiven Kosten der Finanzkrise zu beteiligen, die sie mit verursacht haben. Jedoch machen die Geldhäuser Front, weil sie Milliardenlasten befürchten. Offenbar hat ihre Lobbyarbeit Erfolg. Wie es aus Brüssel heißt, wird überlegt, Produkte von der Steuer auszunehmen oder die Steuer mit Übergangsfristen einzuführen. Die von Deutschland, Frankreich und Österreich vorangetriebene Steuer sollte Anfang 2014 eingeführt werden.

© SZ vom 01.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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