Allianz gegen Google:Einen Feind als Freund

Googles Buchprojekt ist vielen ein Dorn im Auge. Jetzt haben sich Microsoft, Yahoo und Amazon gegen das Unternehmen verbündet - und einen alten Feind mit ins Boot geholt.

Bernd Graff

Im Kampf der Guten gegen die Bösen ist nur eines sicher: der Kampf. Ungewiss bleibt, wer denn nun die Guten und wer die Bösen sind. Entweder wechseln die Beteiligten die Seiten oder es ändert sich die Definition dessen, was gut und was böse ist.

Allianz gegen Google: Noch bis zum 4. September können Einwände gegen das "Google-Settlement" vorgetragen werden. Das Settlement  sieht vor, dass Google gegen Zahlung von 125 Millionen Dollar bestimmte Bücher scannen und veröffentlichen darf.

Noch bis zum 4. September können Einwände gegen das "Google-Settlement" vorgetragen werden. Das Settlement sieht vor, dass Google gegen Zahlung von 125 Millionen Dollar bestimmte Bücher scannen und veröffentlichen darf.

(Foto: Foto: AP)

Vermutlich entwirft die frisch gegen den Internet-Giganten Google geschmiedete Allianz der drei großen Technologie-Konzerne Microsoft, Yahoo und Amazon darum auch gar kein heroisches Schlachtengemälde, denn ihr Ziel lautet ganz nüchtern: Big Business.

Google hatte im Jahr 2004 damit begonnen, bedeutende Buchbestände einzuscannen und auf seiner Internetseite verfügbar zu machen. Im archaischen Märchenjargon, den auch der Suchmaschinenbetreiber beherrscht, gehört diese professionell durchgeführte Buchernte zur unternehmenseigenen Mission, "den Informationsschatz der Welt zu organisieren, um ihn universell verfüg- und nutzbar zu machen". Im Klartext: um über Werbung und Verkauf viel Geld mit Informationen zu verdienen, die man nicht selber erstellt hat.

Maximierung des Gewinns

Was bei der Webseitensuche annähernd reibungslos funktioniert, hatte bei Autoren und Rechteinhabern der eingescannten Bücher immer schon reichlich Unmut verursacht; es hagelte Klagen gegen den nassforschen Giganten. Was Google da betreibe, so der greinend-grimmige Chor aus Verlegern und Autoren, habe nichts mehr mit "Fair Use" zu tun, also der angemessenen Nutzung fremden geistigen Eigentums - sondern diene allein der Gewinnmaximierung des börsennotierten Unternehmens.

Während sich die Welt also Popcorn und Bier zurechtstellte, um beim Duell der Myriaden Ameisen-Autoren gegen den mächtigen Googliath zum mitfiebernden Fernzeugen zu werden, kam im Oktober vergangenen Jahres, noch vor Gericht und Urteil, völlig überraschend eine Einigung zwischen den Parteien zustande. Im Märchenjargon: das "Google-Settlement".

Es sieht vor, dass Google gegen Zahlung von 125 Millionen Dollar das Recht zugesprochen wird, jene Bücher zu scannen und zu veröffentlichen, die zwar nicht mehr in gedruckter Form neu aufgelegt werden, aber noch immer unter den Urheberrechtsschutz fallen.

Weltgrößte Waisenhaus

Gemeint sind damit vergriffene Bücher, deren Verleger pleite, deren Autoren verschollen oder deren Erben zerstritten sind. Man nennt ebenjene Werke auch "Waisen". Google muss demnach nun wohl auch noch als das weltgrößte Waisenhaus für das in Worten niedergelegte Schöne, Wahre und Gute, vielleicht auch nur Nützliche gelten.

Ein Schuft, wer angesichts von Millionen Büchern, die nun wieder dem Warenkreislauf zugeführt werden, an Geschäfte denkt. "Dieses Abkommen macht viele Bücher wieder zugänglich, an die man sonst schwer herankommt", sagte nach der Einigung in sanfter Schlichtheit denn auch Alexander Macgillivray, der für Google die Verhandlungen geführt hatte. Allerdings steht immer noch eine kartellrechtliche Prüfung dieser dann doch recht preiswerten Google-Gutmenschentat an.

Um also die nie verstummte Kritikerseite des "Settlements", die ihre Einwände noch bis zum 4. September vortragen kann, mit guten Worten und teuer erkauftem juristischen Beistand fördern zu können, haben sich soeben Googles Gegner, die einander sonst nicht eben gewogen sind, zu einer "Open Book Alliance" zusammengetan.

Ihr steht Gary Reback vor, ein Anwalt aus Silicon Valley. "Sagen Sie einfach: Um der Kinder willen müssen wir Google zerschlagen", so der auf Wettbewerbsrecht und warme Worte spezialisierte Jurist. Während der Zuschauer noch die Tränen der Rührung ob des Pathos und des schönen Bündnis-Namens wegwischt - und Popcorn und Bier zurückholt -, wird erinnerlich, dass jener Gary Reback maßgeblich an den Antitrust-Prozessen gegen Microsoft beteiligt war, die im Jahr 2000 beinahe zur Aufspaltung des Softwarekonzerns geführt hätten.

Mit anderen Worten: Microsoft steht zu Nutz und Frommen des Urheberrechts, also im Grunde der Menschheit, nun auf Seiten seines einstmals größten Gegners. Wie war das noch gleich mit den Kritikern der Elche, die früher selber welche waren?

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