Blockupy-Demonstrationen:Hessens Innenminister Rhein gerät unter Druck

Blockupy-Proteste

Umstrittener Polizeieinsatz während einer Blockupy-Demonstration in Frankfurt

(Foto: dpa)

Der umstrittene Polizeieinsatz während der kapitalismuskritischen Blockupy-Demonstration in Frankfurt beschäftigt den hessischen Landtag. Innenminister Boris Rhein wird von allen Seiten angegriffen - auch Bürgerrechtsorganisationen kritisieren das Vorgehen der Beamten scharf.

Das Thema ist brisant, die Sitzung des Innenausschusses war Medienberichten zufolge turbulent: Der hessische Innenminister Boris Rhein (CDU) musste heute im hessischen Landtag zu einem umstrittenen Polizeieinsatz während der Blockupy-Demonstration in Frankfurt am vergangenen Wochenende Stellung nehmen. Der kapitalismuskritische Protestzug, dem sich ungefähr 10.000 Menschen angeschlossen hatten, wurde am Samstag nach kurzer Zeit gestoppt. Beamte kesselten etwa 900 Blockupy-Demonstranten ein. Danach stand der ganze Zug über Stunden auf der Stelle. Schließlich löste die Polizei den Protestmarsch unter Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray auf, Berichten zufolge wurden mehr als 100 Demonstranten, darunter auch Journalisten, und etwa 20 Polizisten verletzt.

Hessens Innenminister Boris Rhein hat nun im Landtag die Einkesselung verteidigt. Der Einsatz sei "verhältnismäßig und angemessen" gewesen, sagte der CDU-Politiker laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. SPD und Grüne haben demzufolge Polizei und Innenminister vorgehalten, das Demonstrationsrecht schwer beschädigt zu haben. Janine Wissler, Fraktionsvorsitzende der hessischen Linken im Landtag, schreibt auf Twitter: "Innenminister hätte sich für Übergriffe der Polizei auf Journalisten und Demonstranten entschuldigen müssen. Das ist das Mindeste." Sie drohte Rhein in der Sitzung die Einberufung eines Untersuchungsausschusses an.

Am selben Tag forderten auch Bürgerrechtsorganisationen einen sensibleren Umgang der Polizei mit Demonstranten. Bei der Vorstellung des diesjährigen Grundrechte-Reports sprachen sich mehrere Initiativen für eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten aus. Zudem müssten Vorkehrungen für unabhängige Ermittlungen in Fällen von Polizeigewalt getroffen werden, "etwa durch unabhängige Beschwerdestellen", erklärte die Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Beate Rudolf. Die Geschehnisse vom vergangenen Wochenende seien ein "verfassungsrechtlicher Skandal", kritisieren die Herausgeber Reports. Das Demonstrationsrecht werde durch Platzverweise, Videoüberwachung, Verbote und Auflagen ausgehöhlt, sagte Elke Steven vom Grundrechtekomitee.

Hintergründe zum Streit um den Blockupy-Einsatz:

  • Stimmen aus der Politik: Vor allem die Linkspartei, die gemeinsam mit anderen Organisationen zu der Demonstration aufgerufen hatte, greift den hessischen Innenminister Rhein und die Polizei an. Für die Linke im hessischen Landtag war die "von großer Härte und Brutalität" gekennzeichnete Aktion "eine offenbar politisch gewollte Aushebelung des Grundrechts auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit". Die Partei forderte Rheins Rücktritt. Drei Abgeordnete der Linken schrieben Rhein einen offenen Brief - sie hatten die Demonstration als parlamentarische Beobachter begleitet. Zurückhaltender äußerten sich zunächst Vertreter von SPD und Grünen. Der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) sagte, nach Darstellung der Medien scheine der Einsatz der Polizei unverhältnismäßig gewesen zu sein. Die hessische SPD forderte ebenso wie die hessischen Grünen eine Aufklärung der Vorfälle. "Demonstrationsfreiheit schützen ist die Aufgabe des Innenministers, nicht sie zu blockieren", sagte der Vorsitzende der hessischen Grünen, Tarek al-Wazir.
  • Das sagt die Polizei: Laut Einsatzleiter Harald Schneider ist eine Gruppe von etwa 500 Autonomen bereits vor Beginn der Demonstration "außergewöhnlich aggressiv und gewaltbereit" gewesen. Nach dem Losgehen sei die Gruppe gewachsen. Einige hätten sich mit Sturmhauben, Tüchern und Sonnenbrillen vermummt, Plastikschilder, Schirme, spitze Latten und Seile ausgepackt, erste Feuerwerkskörper seien gezündet worden - "alles eindeutige Straftaten gegen das Versammlungsgesetz". Nach langen Verhandlungen mit dem Versammlungsleiter habe er beschlossen, diese Gruppe zu separieren, "mit dem Ziel, dass die friedlichen Demonstranten weiterlaufen können". Nach Ende der Einkesselung - mehr als acht Stunden später - habe man Böller "mit verheerender Wirkung", Farbflaschen, Spray und Werkzeug sichergestellt. Schneider betonte außerdem: "Ich bin mir absolut sicher, dass es zu Ausschreitungen gekommen wäre."

Verheerendes Medienecho

Das Medienecho fällt für Polizei und Regierung überaus negativ aus. Viele Journalisten waren selbst Zeuge des umstrittenen Polizeieinsatzes, einige wurden verletzt. Der Journalistenorganisation DJU sah im Vorgehen der Polizei einen Verstoß gegen die Pressefreiheit. Auch einige Tage nach dem Vorfall ist der Tenor in der Berichterstattung klar. Die Frankfurter Rundschau zitiert Sanitäter, die schwere Vorwürfe gegen die Polizei erheben, in derselben Zeitung kritisieren gar hessische Polizisten das brutale Vorgehen von Kollegen aus anderen Bundesländern. "Die kamen, haben zugeschlagen und sind wieder heimgefahren", zitiert die Zeitung einen Beamten.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung - der man schwerlich eine linksradikale Ausrichtung unterstellen kann - lässt den Staatsrechtler Christoph Gusy zu Wort kommen, ebenfalls mit Kritik am Einsatz. "Regenschirme sind keine Vermummung", sagt dieser, und: Die Polizei dürfe nicht aufgrund bloßer Vermutungen in das Versammlungsrecht eingreifen. "Sie muss konkrete Anhaltspunkte im konkreten Fall zu einem konkreten Zeitpunkt haben. Dass sich in einem Demonstrationszug üble Gesellen befinden, reicht nicht aus, um einen gesamten Zug zu stoppen."

#blockupy 2013

"Eine Schande für Frankfurt"

Auf einer Pressekonferenz Anfang der Woche hatten bereits zahlreiche Vertreter verschiedener Medienhäuser ihrem Ärger Luft gemacht - waren doch viele von ihnen laut eigenen Aussagen selbst von Polizeiübergriffen betroffen. "Zwischenrufe, Flut von Vorwürfen, 'Schande'-Rufe: So eine Polizei-PK habe ich noch nie erlebt", bilanzierte am Montag der Rundfunk-Journalist Frank von Bebber die Pressekonferenz.

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