Steuerliche Gleichstellung für homosexuelle Lebenspartnerschaft:Triumph für die Wilden 13

Die steuerliche Gleichstellung der Homo-Ehe kommt, obwohl sich seit Jahren die Mehrheit der Union dagegen wehrte. Nun muss diese Mehrheit einem kleinen Kreis von Befürwortern folgen - sie tut es nur widerwillig.

Von Robert Roßmann, Berlin

Der Brief soll sogar im größten Posteingang auffallen. Das Schreiben ist gelb statt weiß. Und quer über das Blatt verläuft ein dicker roter Balken. "Balkenschreiben" heißen solche Mitteilungen. Wenn Unionsabgeordnete so einen Brief im Einlauf finden, wissen sie, dass etwas Besonderes passiert ist. Die Fraktionsführung nutzt sie für wichtige Mitteilungen. Am Donnerstagvormittag war es wieder so weit. "Im Namen des Fraktionsvorsitzenden" lud Geschäftsführer Michael Grosse-Brömer alle Abgeordneten zu einer Sondersitzung. Das Verfassungsgericht hatte gerade die Entscheidung zu den Lebenspartnerschaften verkündet - und damit gewaltigen Gesprächsbedarf innerhalb der Union erzeugt. Schließlich haben CDU und CSU die steuerliche Gleichstellung jahrelang bekämpft.

An diesem Freitagmorgen werden die 237 Abgeordneten nun beraten, wie ihre Fraktion mit dem Beschluss aus Karlsruhe umgehen soll. Ihre Führung wollte sich am Donnerstag öffentlich noch nicht festlegen, Fraktionschef Volker Kauder und sein Geschäftsführer Grosse-Brömer sind seit einem gemeinsamen Vorstoß im Februar gebrannte Kinder. Die beiden hatten damals - unterstützt von den stellvertretenden CDU-Chefs Thomas Strobl, Julia Klöckner und Ursula von der Leyen sowie Finanzminister Wolfgang Schäuble - dafür geworben, die Lebenspartner beim Ehegattensplitting gleichzustellen. Angesichts "der klaren Tendenzen der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts sollten wir möglichst rasch handeln und die erforderliche verfassungsrechtliche Gleichstellung auch durchführen", hatte Grosse-Brömer damals verlangt. Statt sich ständig von Karlsruhe treiben zu lassen, solle man lieber selbst aktiv werden.

Der Vorstoß löste bei der CSU und in großen Teilen der CDU erheblichen Unmut aus. Bei einer Unionsfraktionssitzung Ende Februar entlud sich der Zorn. Es gab mehr als 20 Wortmeldungen. Selbst der Kanzlerin gelang es nicht, die Wogen zu glätten. Angela Merkel sagte damals, auch ihr persönlich falle eine Gleichstellung der Lebenspartnerschaften schwer. Sie sei wie viele Abgeordnete mit der traditionellen Rollenverteilung von Mann und Frau aufgewachsen. Andererseits sei aber klar, wie Karlsruhe urteilen werde. Die CDU-Chefin appellierte deshalb an ihre Abgeordneten: "Lassen Sie uns miteinander reden und dann entscheiden."

Merkel bat die Abgeordneten um zehn Tage Zeit für ausgiebige Gespräche. Sie hoffte noch auf eine Lösung. Doch der Unmut war so groß, dass Merkel und das CDU-Präsidium schon sechs Tage später die Reißleine ziehen mussten. Die CDU-Spitze stoppte den Vorstoß und vereinbarte, die nächste Entscheidung des Verfassungsgerichts abzuwarten.

Nun ist diese Entscheidung gekommen. Die Prognose der Fraktionsführung ist wahr geworden, die Lebenspartner müssen gleichgestellt werden. Wegen der Erfahrungen im Februar will die Führung diesmal aber erst mit ihren Abgeordneten reden, bevor sie verkündet, wie es nun weitergehen soll.

Wie die Debatte in der Fraktion ausgehen wird, zeichnete sich aber schon am Donnerstag ab: Die Union wird nicht auf Zeit spielen, sondern die Gleichstellung beim Ehegattensplitting noch in dieser Legislaturperiode durch den Bundestag bringen. Mit der Gleichstellung bei den Sukzessiv-Adoptionen, die das Verfassungsgericht bereits im Februar verlangt hat, will man allerdings bis nach der Wahl warten.

Pontius-Pilatus-Politiker lassen sich treiben

Der Kurswechsel der Union bei der steuerlichen Gleichstellung ist vor allem für die "Wilde 13" ein Triumph. Die 13 Abgeordneten hatten bereits im vergangenen Sommer in einem gemeinsamen Brief die Gleichstellung verlangt. Bekannteste Unterzeichner waren die stellvertretende Fraktionschefin Ingrid Fischbach und der Gesundheitsexperte Jens Spahn. Einen Tag später schloss sich auch Bundesfamilienministerin Kristina Schröder dem Appell an. Die Wilden 13 schafften es, dass das Thema auf dem Bundesparteitag im Dezember auf die Tagesordnung kam. Damals unterlagen sie jedoch. Etwa 60 Prozent der Delegierten votierten gegen die steuerliche Gleichstellung. Kein Wunder also, dass sich Spahn jetzt besonders freute. Ein "tolles Signal", twitterte der CDU-Abgeordnete.

In der Unionsfraktion hat es im Streit um die steuerliche Gleichstellung der "Homo-Ehe" bisher drei Gruppen gegeben: Prinzipielle Gegner wie den CSU-Abgeordneten Norbert Geis oder Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach; prinzipielle Befürworter wie Spahn; und taktische Gegner einer sofortigen Gleichstellung. Diese argumentierten, die Union dürfe nicht von sich aus die Lebenspartnerschaften stärken. Ein solch aktives Handeln würde die eigenen Anhänger ohne Not verstören. Die Union solle deshalb lieber die - jetzt gefallene - Entscheidung des Verfassungsgerichts abwarten und sich damit zur steuerlichen Gleichstellung zwingen lassen. Zu diesen Pontius-Pilatus-Politikern gehörten auch CSU-Chef Horst Seehofer und Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. Dass jetzt sogar die CSU für eine schnelle Umsetzung des Karlsruher Beschlusses plädiert, ist also keine Überraschung.

Richtig unangenehm war die Kunde aus Karlsruhe dagegen für Steinbach und ihre Mitstreiter. Die CDU-Abgeordnete erklärte gallig, das Verfassungsgericht habe den Artikel 6 des Grundgesetzes "schlichtweg uminterpretiert", und zwar "gegen die Intention der Verfassungsschöpfer". Die Fraktionsführung will die Gegner der Gleichstellung nun vor allem mit dem Verweis auf andere Forderungen der Union befrieden. Die Gegner hätten ja vor allem die Sorge, dass die traditionelle Familie an Wert verlieren könnte, glaubt man in der Fraktionsspitze. Deshalb will sie in der Sondersitzung an diesem Freitag darauf verweisen, dass die Union - anders als die Opposition - am Ehegattensplitting festhalte. Außerdem habe Merkel gerade eine Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderfreibetrags angekündigt. Und die Mütterrenten sollten ja auch erhöht werden. Zumindest bei Steinbach und Geis wird diese Argumentation wohl nicht verfangen.

Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft

Ungefähr 35.000 gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften gibt es in Deutschland

(Foto: Jens Kalaene/dpa)
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