Demonstrationen in Brasilien:Regierung entsendet Spezialkräfte in Confed-Cup-Städte

Tausende protestieren in São Paulo

Tausende protestieren in São Paulo

(Foto: dpa)

In Brasilien sollen jetzt Spezialkräfte der Bundesbehörden für Ruhe während des Confed-Cups sorgen. Doch inzwischen solidarisiert sich auch die Fußball-Nationalmannschaft mit den Demonstranten. Trainer Scolari zeigt Verständnis für die Proteste und gibt seinen Spielern alle Freiheit, sich zu äußern - die tun das auch.

Angesichts der Massenproteste in Brasilien sollen nun auch Spezialkräfte für Sicherheit bei den Testspielen für die Fußballweltmeisterschaft sorgen. Das Justizministerium teilte mit, die Força Nacional de Segurança Pública werde die Sicherheitskräfte in jenen Städten unterstützen, in denen der Confederations Cup ausgetragen wird. In fünf der sechs Austragungsstädte sind demnach bereits Truppen der Nationalen Spezialkräfte für öffentliche Sicherheit - eine Art Nationalgarde - entsandt worden. Lediglich Recife verzichtet noch auf die zusätzlichen Ordnungskräfte aus der Hauptstadt Brasília. Erste Soldaten sind bereits auf dem Weg.

Auch am Dienstag gingen wieder Zehntausende Brasilianer in mehreren Städten auf die Straßen und demonstrierten gegen Korruption, Polizeigewalt und die hohen Kosten für die WM. Dabei kam es vereinzelt zu Randalen. In São Paulo wurden ein TV-Übertragungswagen und eine Polizeistation in Brand gesetzt. Mindestens 20 Menschen wurden nach Informationen des TV-Senders O Globo verhaftet.

Alleine in São Paulo schätzte die Polizei die Teilnehmerzahl auf bis zu 50.000 Menschen. In São Gonçalo bei Rio de Janeiro gingen etwa 5000 Menschen auf die Straße. Einige Randalierer setzten auf der Straße Müll in Brand, die Polizei ging massiv gegen sie vor. Proteste von etwa 3000 Demonstranten gab es auch in Belo Horizonte.

Nationalspieler solidarisieren sich

Untersützung erhalten die Demonstranten von der Nationalmannschaft des Landes. Ex-Nationalspieler Juninho hat zu einer Solidaritätsaktion aufgerufen. Die Spieler sollten vor der Confed-Cup-Partie in Fortaleza gegen Mexiko (21 Uhr MESZ) die Nationalhymne mit dem Rücken zur Landesflagge mitsingen, schrieb der 38-Jährige auf seiner Facebook-Seite. "Viele denken, dass Fußballer nur an Fußball denken. Aber wir wissen, was gerade passiert. Wir wissen, dass sie recht haben mit ihren Protesten und dass in unserem Land viele Dinge verbessert werden können", sagte sein Mannschaftskollege Hulk.

Nationaltrainer Scolari wies Vermutungen rigoros von sich, seine Mannschaft könne wie zu Zeiten der Militär-Diktatur von den Demonstrationen politisiert werden. "Die Seleção ist das Volk", betonte er. "In einer Demokratie ist es normal, dass man diese Demonstrationen akzeptiert und dass sie von der Regierung wahrgenommen werden. Wir wünschen uns, dass sie weiter friedlich sind", ergänzte er. Seine Spieler hätten "alle Freiheit" sich dazu zu äußern. Die Demonstrationen waren ein großes Thema bei den Pressekonferenzen des Titelverteidigers - kein Offizieller machte den Versuch, die Diskussion zu stoppen.

Auch Fifa-Präsident Joseph Blatter zeigte Verständnis für die Demonstranten, äußerte aber auch Kritik. "Ich kann verstehen, dass die Menschen nicht glücklich sind. Aber ich denke, sie sollten den Fußball nicht dazu nutzen, um ihre Forderungen zu verkünden", sagte er dem Fernsehsenders TV Globo. "Brasilien hat diese WM verlangt. Wir haben Brasilien diese Weltmeisterschaft nicht aufgezwungen. Sie wussten, um die WM zu bekommen, müssen Stadien gebaut werden", sagte Blatter. Aber diese seien nicht nur für die Weltmeisterschaft gedacht. Neben den Stadien gebe es auch andere Bauvorhaben, wie Straßen, Hotels und Flughäfen. "Dies bleibt als Erbe für die Zukunft und nicht nur die Weltmeisterschaft."

Staatspräsidentin Roussef wertet Demonstrationen positiv

Die Behörden versuchen aber auch, den Demonstranten entgegenzukommen. So sollen in mindestens fünf Städten die Tarife im öffentlichen Nahverkehr gesenkt werden, darunter auch in Porto Alegre und Recife. Auch der Bürgermeister von São Paulo, Fernando Haddad, erwägt nach eigenen Aussagen, die Bus-Tickets günstiger zu machen, allerdings müsse ein Ausgleich für den Einnahmeausfall gefunden werden. Staatspräsidentin Dilma Rousseff wertete die Proteste positiv: Die friedlichen Demonstrationen zeigten die Stärke der Demokratie in Brasilien. Die Stimmen auf der Straße müssten gehört werden.

Höhere Preise für Busfahrten in São Paulo waren in der vergangenen Woche der Auslöser für die größten Proteste in dem Land seit 20 Jahren. Viele Menschen beklagen, dass vor der Fußball-Weltmeisterschaft und den Olympischen Spielen Milliarden-Summen in neue Sportstadien gesteckt und zugleich öffentliche Dienstleistungen vernachlässigt würden.

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