Literatur-Preis:ORF will beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb aussteigen

In diesem Juli könnte in Klagenfurt das letzte Mal gelesen werden: Der ORF will den Ingeborg-Bachmann-Preis künftig nicht mehr ausrichten - sich stattdessen auf sein "Kerngeschäft" konzentrieren. Die Zukunft der Literaturtage ist ungewiss.

Von Cathrin Kahlweit

In wenigen Tagen, Anfang Juli, geht das Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Preis im Rahmen der "Tage der deutschsprachigen Literatur" wieder los, wobei: Gut möglich, dass in Klagenfurt das letzte Mal gelesen wird. Denn der ORF finanziert das Literaturfest mit 350.000 Euro aus dem Budget des Landesstudios Kärnten, insgesamt koste die Tagung den Sender, wie aus dem ORF zu hören ist, samt Nebenveranstaltungen und Empfängen sogar 750.000 Euro. Dieses Geld soll nun schon ab 2014 nicht mehr ausgeben werden.

Mehr als 80 Millionen Euro müsse man insgesamt einsparen, hatte Generaldirektor Alexander Wrabetz am Donnerstag bekannt gegeben; das Geld werde durch Wertpapier- und Immobilienverkäufe, "Personal- und Strukturmaßnahmen", aber eben auch durch "kurzfristige und strategische Umschichtungen im Programmbudget" hereingeholt. Das heißt: Der Sender möchte zwar noch die 37. Ausgabe des Bachmann-Preises im ORF-Theater in Klagenfurt ausrichten, aber eben nicht mehr die 38. So will es der ORF-Stiftungsrat.

Das mutmaßliche Ende für eines der kulturellen Aushängeschilder des Senders und der österreichischen Literaturszene, der Bachmannpreis, vulgo: Klagenfurt, ist allerdings ein echter Paradigmenwechsel. Auf der Webseite des Senders ist noch zu lesen, der ORF Kärnten verstehe die Veranstaltung des Wettbewerbs als "beispielhafte Erfüllung seines Bildungsauftrags". Der Stadt Klagenfurt hätten die "Tage der deutschsprachigen Literatur" ein "unverwechselbares Image beschert." Seit Freitag klingt das nun anders: Der Sender lässt auf Anfrage offiziell ausrichten, man biete weiterhin eine große Vielfalt und ein großes Kulturprogramm, aber man könne in finanziell schwierigen Zeiten nicht als "Veranstalter oder Ausrichter" auftreten. Das sei, so weiter, nicht das "Kerngeschäft des Unternehmens".

Je nachdem, ob die Veranstaltung wahlweise als elitär, irrwitzig, weltfremd oder aber als herausragender Treff- und Fixpunkt der literarischen Avantgarde des deutschsprachigen Raums angesehen wird, fallen jetzt die Reaktionen aus. Die Interessengemeinschaft Autorinnen Autoren protestiert heftig; hier werde mittels Einsparung der öffentlich-rechtliche Auftrag beseitigt. Die Leiterin des Kärntner Landesstudios, Karin Bernhard, die dem Vernehmen nach von der Ankündigung aus der Wiener Zentrale überrascht wurde, will sich bemühen, den Preis zu erhalten - womöglich, indem sie neben der Landeshauptstadt (die aber, wie das gesamte Land Kärnten, ebenfalls ziemlich pleite ist), bei Banken oder anderen Geldgebern zusätzliche Mittel einwirbt.

Die Preisgelder für diverse Literaturpreise im Rahmen des Wettbewerbs werden von der Stadt Klagenfurt, von Banken und Verlagen gestiftet. Immerhin: 1977 war es schon einmal gelungen, zusätzliches Geld aufzutreiben, als der rechtspopulistische Landeshauptmann Jörg Haider den Preis des Landes wegen Kritik an seiner Kulturpolitik kurzerhand kassierte; damals sprang eine Bank ein. Haiders Nach-Nachfolger Peter Kaiser (SPÖ) warnte den ORF nun vor einer "Amputation", die "nicht akzeptabel" sei.

Dabei ist die Sache noch gar nicht fix, denn das Budget für 2014 wird erst im November festgelegt. Bis dahin aber dürften sich die Gegner und Befürworter einer öffentlich-rechtlichen Finanzierung jenes traditionsreichen Wettbewerbs in Stellung bringen, der als einer der wichtigsten deutschsprachigen Literaturpreise gilt. Immerhin waren es einst der Kärntner Autor Humbert Fink und der einstige Landesintendant des Kärntner ORF, Ernst Willmer gewesen, welche die Literaturtage gemäß dem Vorbild der Gruppe 47 ins Leben gerufen hatten. Seither trifft in Klagenfurt der schreibende Nachwuchs auf bekannte Stars, 25 Minuten darf jeweils aus unveröffentlichten Texten gelesen werden.

Wer sich auf den Fluren des ORF umhört, stößt aber angesichts der drohenden Entscheidung durchaus auch auf Verständnis. Eine leitende Redakteurin sagt, sie könne die Aufregung nicht verstehen: Der Bachmann-Preis sei ein extrem teures Programm, davon könne man "quasi wöchentlich einen Arthouse-Film zeigen" oder mehrere andere, anspruchsvolle Sendungen finanzieren. Man könne eben nicht viele Millionen sparen, ohne an einige heilige Kühe herangehen zu müssen. Es sei allerdings zu erwarten gewesen, so die hochrangige ORF-Mitarbeiterin, dass jene "gut bezahlten Juroren und Literaten jetzt aufjaulen", die von dem Preis bislang profitiert hätten.

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