Treffen der EU-Außenminister:EU will Dialog mit Türkei fortsetzen

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Wichtig kann auch sein, was nicht gesagt wird. Die EU-Außenminister vermeiden bei ihrem Treffen, der Türkei mit der Absage neuer Beitrittsverhandlungen zu drohen. CDU-Außenpolitiker Polenz schlug vor, bei den Gesprächen auch das Kapitel über die Grundrechte zu eröffnen. Dann müsste die Türkei das Demonstrationsrecht europäischen Standards anpassen.

Die Aussichten auf eine Wiederbelebung der eingefrorenen EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sind gestiegen. Bei einem Treffen in Luxemburg schlugen mehrere Außenminister der EU-Staaten moderate Töne gegenüber Ankara an. Es geht um Verhandlungen über einen neuen Themenbereich ("Verhandlungskapitel") mit der Türkei vor dem Hintergrund der gewaltsamen Eingriffe in die landesweiten Proteste. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) mahnte, bei einer Entscheidung müssten auch "strategische, langfristige Interessen" der EU berücksichtigt werden.

Seit mehreren Wochen kommt es in der Türkei zu landesweiten Demonstrationen gegen die Regierung. Sie entzündeten sich ursprünglich an Plänen, einen Park in Istanbul zu bebauen. Westerwelle verzichtete darauf, frühere Äußerungen aus deutschen Regierungskreisen zu wiederholen, wonach die Verhandlungen über ein neues Verhandlungskapitel "wohl eher nicht möglich" sind. Vielmehr sagte er: "Es gibt natürlich Ereignisse. Auf der anderen Seite gibt es aber auch langfristige Interessen. Und zwar Interessen aufseiten aller Beteiligten. Und dazu müssen jetzt die Gespräche geführt werden."

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Die Gewalt in der Türkei droht die EU-Beitrittsgespräche ernsthaft zu schädigen. Doch ein Stillstand der Verhandlungen würde die Falschen treffen. Ohne EU drohen der Türkei Isolation und Wirtschaftsabschwung, einen Schuldigen dafür würde Premier Erdoğan leicht finden: die Demokratiebewegung.

Ein Kommentar von Christiane Schlötzer, Istanbul

Der niederländische Außenminister Frans Timmermans, dessen Regierung in den vergangenen Wochen gemeinsam mit der deutschen als Zentrum des Widerstands gegen intensivere Verhandlungen genannt worden war, schwieg zu dem Thema - es stehe nicht auf der Tagesordnung. Andere Minister wie Jean Asselborn (Luxemburg), Carl Bildt (Schweden) und Didier Reynders (Belgien) forderten, gerade angesichts der Gewalt in Istanbul müsse die EU die weitere Annäherung der Türkei an europäische Standards vorantreiben.

Die Eskalation in der Türkei sei "alles andere als gut gewesen", formulierte Westerwelle. "Auf der anderen Seite ist aber ebenso klar, dass wir den Gesprächsfaden weder abreißen lassen sollten noch, dass wir ihn ausdünnen." Es gebe "verschiedene technische Fragen, die wir aufgeworfen haben, die noch beantwortet werden müssen", sagte Westerwelle. Einzelheiten wollte er nicht nennen.

Die EU wollte ursprünglich am Mittwoch das 14. von 35 "Verhandlungskapiteln" mit der Türkei eröffnen. Dabei geht es um Regionalpolitik. Eine Entscheidung darüber werde voraussichtlich erst am Dienstag fallen, sagte Westerwelle. CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz schlug vor, nicht nur das Kapitel über die Regionalpolitik, sondern auch das Kapitel über die Grundrechte zu eröffnen. "Dann müsste die Türkei auch das Demonstrationsrecht europäischen Standards anpassen."

© Süddeutsche.de/dpa/mike - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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