Debütroman von Frank Spilker:Mental erschöpfte Anspruchsflüchtlinge

Frank Spilker, Sänger der Hamburger Band "Die Sterne", versemmelt seinen ersten Pop-Roman. "Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen" ist maximal gewöhnlich, bei minimaler Komik.

Von Till Briegleb

Es gibt einen absurden Unterschied zwischen Popmusik und Popliteratur. Während die Musikstars auf der Bühne stets als Helden und Vorbilder angehimmelt werden, sind die Popstars der Romane vor allem Versager. Von Jack Kerouac bis Nick Hornby hat die englischsprachige Literatur den Typus des sympathischen Hängers und Aussteigers kultiviert, dem weder eine Arbeit liegt noch eine Beziehung gelingt. Und in der deutschsprachigen Variante von Christian Krachts "Faserland" über Karen Duves "Regenroman" bis Sven Regeners "Herr Lehmann" kämpft der Held auch noch mit einer Deutschlandgrauheit, in die sich so einfach kein rechter Glamour bringen lässt.

Die Bauanleitung des Pop-Romans

Helene Hegemann für Berlin und Tino Hanekamp für Hamburg haben das zuletzt zwar mit einer gewissen subkulturellen Erlebnishysterie zu überzeichnen versucht, aber zumindest der erfolgreiche Debütroman des Hamburger Clubbetreibers Hanekamp, "So was von da", schraubt seine Geschichte ebenfalls an das altbekannte Pop-Roman-Gerüst: Freundin weg, Existenz ruiniert, es folgt der Abgang ins Haltlose mit einem Moment der Selbstfindung als Pointe.

Exakt dieser Bastelanleitung folgt jetzt auch Frank Spilker in seinem Debütroman "Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen". Hier addiert der Sänger der Hamburger Band Die Sterne alle Bestandteile des deutschen Popromans bis hin zur Verwendung extrem blöder Eigennamen.

Thomas Troppelmann, ein szeniger Platten-Cover-Gestalter, dem seit der Trennung von seiner Andrea die praktische Lebensführung entgleitet, provoziert durch Nichtstun die Kündigung seiner Fabriketage und das Ende seiner Ein-Mann-Firma. Als ihm die Mitmieter aufs Dach steigen und er seinen letzten lukrativen Auftrag durch besoffene Manieren versemmelt, sieht er nur noch "unangenehme Dinge überall" und macht sich auf eine ziellose Zugreise durch Deutschland, in deren Verlauf er alles verliert, vom Ladekabel seines Handys bis zur Selbstachtung. Flucht aus Leere und Überforderung, auch dies ein ewiges Poproman-Motiv.

Die Selbstfindung als Pointe

Natürlich kann ein literarisches Genre, das immer den gleichen Regeln folgt, trotzdem zu interessanten Ergebnissen führen, genauso wie Popmusik oder Fußball. Und der geniale Texter Spilker, der seit 20 Jahren atmosphärisch dichte Kurz-Literatur über die Schwierigkeiten des Menschseins singt, wäre eigentlich prädestiniert dafür, einen pointierten Prosastil zu entwickeln, der seine depressive Geschichte in einen unterhaltenden Soundtrack verwandelt. Aber aus irgendeinem schwer verständlichen Grund will Spilker einfach nur die depressive Geschichte erzählen.

Fahrt im ICE, Sex mit einer sehr langweiligen, jung gebliebenen Altenpflegerin in Hildesheim, Besuch bei den Eltern, wo alles wie immer ist, Weiterfahrt in den Schwarzwald, um im strömenden Regen das Kurheim zu suchen, in dem der zunehmend mental erschöpfte Anspruchsflüchtling als Kind unglücklich war, um so vielleicht den Schlüssel zur eigenen Lebensunfähigkeit zu finden - mehr ist nicht los in diesem Roman.Und wenn Spilker seinem Troppelmann mal eine originelle Formulierung schenkt, dann eine wie diese kurz vor Schluss: "Ich möchte Teil einer Modelleisenbahn werden, in der die Züge immer im Kreis fahren." Das schreit doch klar nach Prozac!

Der Abgang ins Haltlose

Weder Spilkers Schärfe noch sein Talent zu knappen analytischen Beobachtungen, die Sterne-Songs so besonders gemacht haben, findet Eingang in diesen Romanversuch, der eigentlich das Etikett "Pop" nicht verträgt. Denn was Spilker beschreibt, ist maximal gewöhnlich bei minimaler Komik. Elternwohnzimmer, Zugabteile, Provinzhotels und Hamburger Tresengespräche brauchen nur dann beschrieben zu werden, wenn ein Autor die Satire liebt ober das Böse im Banalen findet.

Aber in diesem Buch erkennt man nur einfach alles wieder, wie es eben ist. Und daran ändert auch nichts, dass alle paar Seiten Dinge umfallen, als sei dies eine rätselhafte Metapher für den inneren Verfall des Helden. Oder dass Spilker eine total unsinnige Nebengeschichte über eine Trinkwasserhysterie in Hamburg konstruiert, die Troppelmann mit einem Anruf ausgelöst haben könnte.

Tatsächlich erschließt sich aus kaum einer Szene dieses kurzen Romans die Dringlichkeit, warum er überhaupt erzählt werden musste. Oder wie Thomas Troppelmann meint: "In einer Umgebung, in der alle kämpfen, ist es am schlimmsten, gar nicht kämpfen zu wollen". Als Kernthese über 160 Seiten variiert, verkennt dieser Leidenssatz nicht nur das Bedürfnis des Lesers nach Originalität, sondern den ganzen Charakter des Genres: Der Poproman handelt zwar von Versagern, aber im gelungenen Fall wirkt er dabei höchst aufbauend.

Frank Spilker: Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman. Hoffmann und Campe, Hamburg 2013. 160 Seiten, 19,99 Euro.

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