Wahlversprechen von SPD und Grünen:Sie können sogar rechnen

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Die Sozialdemokraten reden darüber, was sie im Erfolgsfall mit diesem Land so anstellen würden. Bis zu 80 Milliarden Euro pro Jahr wollen sie in Wohnungen, Infrastruktur und Bildung investieren. Früher hätte man von Luftschlössern gesprochen. Doch SPD und Grüne widerlegen das Vorurteil gegen linke Parteien, nicht mit Geld umgehen zu können.

Ein Kommentar von Christoph Hickmann

Seit einiger Zeit redet die SPD nun wieder darüber, was sie nach der Wahl so alles tun will. Damit ist nicht die (in sozialdemokratischen Kreisen ebenfalls gern thematisierte) Frage gemeint, wer nach der Niederlage zurücktreten oder wegtreten muss. Stattdessen reden die Sozialdemokraten wieder darüber, was sie im Erfolgsfall mit diesem Land so anstellen würden: zum Beispiel, so der neueste Vorschlag, bis zu 80 Milliarden Euro pro Jahr für Verkehrswege, Netze für Energie und Daten sowie Wohnungen ausgeben, außerdem für Bildung und Pflege.

Früher hätte man so etwas eine oppositionelle Beglückungsorgie genannt oder, ähnlich einfallsreich, von Luftschlössern gesprochen, ungedeckten Schecks und derlei mehr. Aber das träfe es in diesem Fall nicht. Stattdessen gelingt den Sozialdemokraten, wie auch den Grünen in diesem Vorwahlkampf etwas Bemerkenswertes, ohne dass es groß bemerkt würde: Sie widerlegen das Vorurteil gegen (mehr oder weniger) linke Parteien, am Ende eben doch nicht mit Geld umgehen zu können.

Beide Parteien haben in den vergangenen Jahren viel Mühe darauf verwandt, nicht nur Wünsche und Ziele vorzustellen, sondern die Pläne zur Gegenfinanzierung gleich mitzuliefern. Weil man das in der Opposition gar nicht hätte tun müssen und Konzepte mit einem Kapitel zur Finanzierung gleich etwas weniger zauberhaft klingen, war das mit harter Arbeit verbunden - wobei der härteste Part nicht im Hin- und Herschieben von Summen bestand, sondern darin, sich den Begehrlichkeiten aus den eigenen Reihen zu widersetzen.

Kein Bauchladen voller Versprechungen

Das eine oder andere ist dann doch durchgerutscht, bei den Grünen etwa das Konzept einer Kindergrundsicherung, von dem sie noch nicht so genau wissen, wie und wann sie das hinbekommen sollen. Doch insgesamt sind die Programme von SPD und Grünen finanziell derart grundsolide, dass die Union früherer Tage neidisch geworden wäre - also ohne jene Kanzlerin, die qua Beliebtheit vergessen lässt, dass die Sache mit der Gegenfinanzierung im Unionsprogramm nicht unbedingt einen überragenden Rang einnimmt.

Statt mit einem Bauchladen voller Versprechungen in den Wahlkampf zu ziehen, bieten SPD und Grüne einen Baukasten der Zumutungen: Spitzensteuersatz, Vermögensabgabe, Erbschaftsteuer und so weiter. Nun wird, speziell die Grünen-Pläne betreffend, fleißig gerechnet, ob davon nicht auch Menschen betroffen sein könnten, die das Geld selbst gebrauchen könnten.

Das ändert aber nichts daran, dass insgesamt vor allem denen etwas zugemutet werden soll, für die sich die Zumutung in Grenzen hält. Die Programme der rot-grünen Wunschpartner sind so links wie lange nicht mehr, obwohl sie auf vieles verzichten, was hierzulande vulgärpolitologisch als links gilt: Beglückungsorgien, Luftschlösser, ungedeckte Schecks.

SPD gewinnt Glaubwürdigkeit zurück

SPD und Grünen ist es gelungen, den (Schein-)Widerspruch zwischen links und machbar aufzulösen. Zuletzt hatten sie das Ende der Neunziger geschafft, wobei der Kunstgriff darin bestand, sich um das links nicht weiter zu kümmern und den sogenannten schlanken Staat für alternativlos zu erklären. Eineinhalb Jahrzehnte später hat die SPD wieder eine Vorstellung davon, wo ihr Platz sein könnte, zwischen kaum gebrochener Marktgläubigkeit rechts von ihr und Realitätsverweigerung zu ihrer Linken. Das ist für sie, anders als für die Grünen, lebenswichtig.

Es nützt ihr bloß bislang rein gar nichts, und es ist auch nicht zu erwarten, dass sich daran bis zur Wahl etwas ändern wird. Trotzdem war es aus Sicht der SPD richtig, sich die Mühe zu machen. Um in Sachen Gerechtigkeit wieder glaubwürdig zu werden, braucht es ein bisschen mehr als vier Jahre Opposition. Und ewig dürfte selbst diese Kanzlerin nicht regieren.

© SZ vom 05.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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