Datenschutz nach Spionage-Enthüllungen:Mühsamer Kampf gegen die heimlichen Schnüffler

National Intelligence Director John Negroponte past a video screen at National Security Agency at Fort Meade

Wie sollen Internetdaten vor dem Zugriff von Geheimdiensten wie der NSA geschützt werden? Dazu gibt es viele schnell formulierte Meinungen, aber nur wenige konkrete Umsetzungsideen.

(Foto: Jason Reed/Reuters)

Zum Datenschutz haben viele Politiker in Deutschland schnell eine Meinung. Doch konkrete Vorschläge, wie die Privatsphäre ihrer Bürger geschützt werden könnte, gibt es nur wenige. Die Bundesregierung hat zum Beispiel angeregt, ein UN-Abkommen um Datenschutz im Internet zu erweitern. Doch würde das wirklich helfen?

Von Oliver Klasen und Nakissa Salavati

Ausländische Geheimdienste erfassen und kontrollieren massenhaft digitale Kommunikationsdaten, die durch Deutschland fließen - doch konkrete Konsequenzen aus Edward Snowdens Enthüllungen über die Praktiken des US-Abhördienstes NSA sind noch immer nicht abzusehen.

Aufklärung über die Rolle des BND und einen härteren Kurs gegen die USA fordert die Opposition. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat auf den wachsenden Druck reagiert und am Wochenende angekündigt, den Datenschutz auf EU-Ebene und auch darüber hinaus auf die Agenda zu setzen. "International müssen wir auch verhandeln", so die Kanzlerin. Im Klartext soll das heißen: Wir kümmern uns und wollen ein Abkommen mit den USA erreichen, in dem der Schutz privater Daten stärker gewährleistet ist und Überwachungsexzesse vermieden werden.

Einen etwas konkreteren Vorschlag dazu hat Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bereits vor einer Woche in einem 13-Punkte-Papier vorgelegt. Sie will ein UN-Abkommen aus dem Jahr 1966, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, um ein Zusatzprotokoll ergänzen. Dieses Abkommen, das häufig auch UN-Zivilpakt genannt wird, garantiert die grundlegenden Menschen- und Freiheitsrechte und ergänzt im Regelwerk der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.

Bisher steht im Zivilpakt in Artikel 17: "Niemand darf willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung und seinen Schriftverkehr (...) ausgesetzt werden. Jedermann hat Anspruch auf rechtlichen Schutz gegen solche Eingriffe oder Beeinträchtigungen."

Würde dieser Passus um den Datenschutz im Internet ergänzt, es entstünde eine völkerrechtlich bindende - und damit vor den UN-Gremien sanktionierbare - Regelung, so die Argumentation von Leutheusser-Schnarrenberger.

"Schwarz-Gelb hat vier Jahre lang nichts zustande gebracht"

SPD-Netzpolitiker Lars Klingbeil findet den Vorschlag der Justizministerin überlegenswert. "Das wäre eine Möglichkeit, um zu entsprechenden völkerrechtlichen Vereinbarungen zu kommen", sagt Klingbeil. Allerdings habe die schwarz-gelbe Regierung "in diesem Bereich vier Jahre lang nichts zustande gebracht". In Sachen Datenschutz sei eine gemeinsame Linie von Union und FDP nicht erkennbar. "Das ist keine gute Voraussetzung, um auf internationaler Ebene etwas zu erreichen", sagt Klingbeil.

Jan Philipp Albrecht, der für die Grünen als Innen- und Rechtsexperte im Europaparlament sitzt, geht sogar noch weiter. Ein Zusatzprotokoll zu dem UN-Abkommen sei überflüssig, denn die Komplettüberwachung der Kommunikation und die Datenabschöpfungspraktiken der US-Geheimdienste seien bereits bei aktuell geltender Rechtslage ein "willkürlicher" Eingriff, wie er in Artikel 17 beschrieben wird. Die Bundesregierung, vertreten durch die Justizministerin, könne bereits jetzt vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag einklagen, dass der Artikel eingehalten werde. Das sei besser, als auf wenig realistische und nur "in Sternstunden der Geschichte" erreichbare neue Abkommen zu hoffen, sagt Albrecht.

Ähnlich argumentiert Jérémie Zimmermann. Er ist Mitbegründer der Vereinigung "La Quadrature du Net", die sich für die Rechte der Bürger im Internet einsetzt. Er hat Zweifel an Leutheusser-Schnarrenbergers Vorstoß: "Es ist interessant, dass die Ministerin auf die Vereinten Nationen verweist, damit verlagert sie das Problem auf eine sehr ferne Ebene", sagt Zimmermann.

Der Verweis auf ein UN-Abkommen wirkt auf den ersten Blick visionär. Doch ob sich damit Druck auf die USA ausüben lässt, ist äußerst zweifelhaft. Das UN-Abkommen wurde nämlich bereits einmal ergänzt, im Jahr 1989, damals ging es um ein Zusatzprotokoll, das die Abschaffung der Todesstrafe fordert. Die USA haben es nie unterzeichnet.

Viele Verträge, schwierige Verhandlungen

Tatsächlich aber ist die Forderung nach der Ergänzung internationaler Verträge nicht der einzige Vorschlag der Justizministerin. Leutheusser-Schnarrenberger stellt auch die Übermittlung von Fluggastdaten nach dem EU-Passagierabkommen infrage: "Wenn wir nicht umfassend Informationen von den USA bekommen, dann können wir auch nicht verantworten, dass weiter in großem Umfang automatisch deutsche Daten an amerikanische Stellen geliefert werden", sagte die Ministerin vor einigen Tagen im SZ-Interview.

Gleiches gelte für die Safe-Harbor-Regelung. Diese Datenschutzvereinbarung zwischen der EU und den USA legt fest, auf welcher rechtlichen Grundlage personenbezogene Daten europäischer Bürger legal auf die Server amerikanischer Firmen wie Facebook übermittelt werden dürfen. Das Safe-Harbor-Abkommen ist nach Ansicht von Datenschützern schon seit langer Zeit reformbedürftig. "Wir müssen auf allen Ebenen Druck machen, wo sich europäische und amerikanische Interessen gegenüberstehen", sagte Leutheusser-Schnarrenberger.

Grünen-Politiker Albrecht ist allerdings der Meinung, dass dieser Druck bisher nicht ausreicht. "Was von der Bundesregierung nicht gemacht wird, ist, gegenüber den USA Dinge hart einzufordern", sagt er. Das Europäische Parlament habe zum Beispiel bereits vor zehn Tagen die Überprüfung des Safe-Harbor-Abkommens gefordert. Diesen Punkt solle Leutheusser-Schnarrenberger auf die Tagesordnung des nächsten EU-Justizministertreffens setzen.

Eine andere Möglichkeit, Druck auszuüben, wären die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU, die in der vergangenen Woche begonnen haben. Dabei müsse über "die gesamten Abhöraktionen und Interneteingriffe der USA gesprochen werden", so Leutheusser-Schnarrenberger vor einigen Tagen. Tatsächlich wurde bislang nur erreicht, dass gemischte Arbeitsgruppen eingerichtet werden sollen. Europäische und US-Experten sollen darüber verhandeln, wie sich unterschiedliche Vorstellungen vom Schutz der Privatsphäre zusammenbringen lassen.

Franziska Boehm, Juniorprofessorin am Institut für Informations- und Medienrecht an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster, stellt die fachliche Eignung der Politiker in diesen Arbeitsgruppen in Frage. "An diesem Verhandlungstisch sitzen keine Datenschützer, sondern Vertreter mit Wirtschaftsinteressen - die Zivilgesellschaft bleibt außen vor. Dem Datenschutz ist so nicht gedient".

Aufklärung vor Verhandlungen?

Für die Informatikerin Karin Schuler von der Deutschen Vereinigung für Datenschutz ist die Frage, in welchem Vertragswerk ein verbesserter Datenschutz schließlich untergebracht wird, ohnehin zweitrangig. "Zunächst müssen wir überhaupt erst einmal verstehen, was passiert ist. Wo genau werden Daten abgegriffen? Welches Ausmaß hat die Schleppnetzfahndung der Geheimdienste?" Erst wenn darüber mehr Details bekannt seien, lasse sich die Schwere des Eingriffes bewerten.

Die EU müsse zuerst eine gemeinsame Stimme finden, um entschlossener gegenüber den USA aufzutreten, sagt auch Schuler. Da solle sich Merkel viel stärker engagieren als bisher. Die Verhandlungen um den Austausch von Fluggastdaten seien ein Lehrbeispiel dafür, wie verheerend sich eine allzu weiche Haltung der Europäer auswirken könne.

Bei solchen Aussichten könnte das Beispiel des russischen Bewachungs- und Abwehrdienstes FSO bald Vorbild werden. Die Agenten in Moskau haben eine simple Methode erdacht, um sich gegen die NSA zu wehren. Sie haben, wie Medien in den vergangenen Tagen berichteten, 20 Schreibmaschinen eines deutschen Fabrikats bestellt. Besonders heikle Dokumente sollen nur auf Papier getippt werden. Doch ob der Weg zurück ins Analogzeitalter für die digitalisierte Gesellschaft eine wirkliche Alternative ist?

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