DFB-Frauen unterliegen Norwegen:Viel Aufwand, wenig Ordnung

Frauen-EM Deutschland - Norwegen

Es reichte nicht: Gegen Norwegen verloren die DFB-Frauen 0:1.

(Foto: dpa)

Das gab es seit 20 Jahren nicht mehr: Deutschlands Frauenfußball-Nationalmannschaft verliert bei einer EM ein Spiel. Mit dem 0:1 gegen Norwegen gibt das Team von Silvia Neid den Gruppensieg aus der Hand - im Viertelfinale muss die Mannschaft überlegter auftreten, um gegen Italien zu bestehen.

Von Kathrin Steinbichler, Kalmar

Der Baum von Kalmar hatte sich seine Meinung gebildet. Das heißt, die Menschen von Kalmar haben entschieden, dass der Baum die Meinung abbilden soll. Seit zwei Jahren steht der junge Laubbaum vor dem Haupteingang der neu erbauten Fußballarena von Kalmar, für diese Europameisterschaft der Frauen hat er nun eine besondere Aufgabe bekommen: Seine Äste tragen auf großen Pappsternen die Namen der Nationalmannschaften, die in der EM-Vorrundengruppe B in Kalmar spielen, und zwar in der Anordnung, wie ihre Spielstärke eingeschätzt wird.

Norwegen, Island und die Niederlande baumelten da bisher nebeneinander, ganz oben aber, in der Spitze des Laubwerks, hängt der deutsche Stern. Mit diesem Mittwochabend wird sich das ändern.

Mit 0:1 (0:1) unterlag die deutsche Frauenfußball-Nationalelf gegen Norwegen und vergab damit in der mit mehr als 10.000 Zuschauern ausverkauften Arena den Gruppensieg. Es war die erste deutsche Niederlage seit 20 Jahren bei einer EM-Endrunde, alle 28 Partien zuvor war der Titelverteidiger unbesiegt geblieben. Für das, was die Mannschaft gegen Norwegen bot, fand Bundestrainerin Silvia Neid anschließend deutliche Worte: "Das war unterirdisch."

Schon von Beginn der Partie an sah es nicht danach aus, als ob das deutsche Team erfolgreich sein würde. Denn so sehr die Deutschen sich mühten - sie kamen mit der defensiv eng gestaffelten norwegischen Elf einfach nicht zurecht. Dabei hatte Norwegens Nationaltrainer Even Pellerud im Angesicht des sicheren Viertelfinaleinzugs seine Mannschaft ordentlich umgestellt: Gleich ein halbes Dutzend Stammspielerinnen fand sich auf der Bank wieder, darunter so tragende Persönlichkeiten wie die Mittelfeldspielerinnen Ingvild Stensland oder Solveig Gulbrandsen.

Die Skandinavierinnen waren offenbar mit der Aussicht auf den zweiten Gruppenplatz zufrieden, der ein Viertelfinale gegen das EM-unerfahrene Italien versprach.

Die zweite Reihe Norwegens erwies sich dann aber als unangenehmer Gegner. Schon in der vierten Minute musste Torhüterin Nadine Angerer ihre Klasse unter Beweis stellen, um einen Freistoß von Norwegens Emilie Haavi per Hechtsprung abzuwehren. Auch danach hatte die deutsche Torfrau mehr zu tun als ihre norwegische Kollegin, denn während die Deutschen immer wieder im Spielaufbau hängenblieben, suchte Norwegen nach seinen schnellen Kontern auch den schnellen Abschluss.

Neid kuckt grimmig

Zum Ende der ersten Halbzeit versetzte Norwegen den Deutschen dann einen Tiefschlag: Ingvild Isaksen setzte aus 20 Metern einen Schuss ab, der von Elise Thorsnes unhaltbar ins deutsche Tor abgefälscht wurde. Kurz nach dem 0:1 ertönte der Pausenpfiff, und Trainerin Neid marschierte mit grimmigem Gesichtsausdruck in die Kabine.

Wie auch immer es die deutschen Spielerinnen versuchten, wie sehr sie auch rannten und ackerten, sie bekamen keine rechte Ordnung in ihr Spiel. Dabei hatte sich die deutsche Aufstellung im Vergleich zum 3:0 gegen Island nur geringfügig verändert. Für die gelbgesperrte Jennifer Cramer übernahm Luisa Wensing vom Triple-Gewinner VfL Wolfsburg die rechte Defensivseite.

Außenverteidigerin Leonie Maier vom FC Bayern München wechselte dafür nach links. Daneben war Neid zu einer zweiten Umstellung gezwungen: Mittelfeldorganisatorin Lena Goeßling musste wegen eines grippalen Infekts im Hotel auf Öland bleiben, für sie rückte Simone Laudehr in die Startelf. Die 27-Jährige vom 1. FFC Frankfurt, die sich von ihrer langwierigen Knieverletzung gut erholt hat, hatte am Vortag beim Abschlusstraining angedeutet, dass sie spielbereit ist: Keine andere aus der Mannschaft hatte eine ähnliche Kraft in ihren Schüssen.

Gegen Norwegen aber war von dieser Kraft nur mehr wenig zu sehen. Nach etwas mehr als einer Stunde musste Laudehr wieder vom Feld, ihre Klubkollegin Melanie Behringer durfte sich stattdessen beweisen. Für Melanie Leupolz, die im linken Mittelfeld wirkungslos blieb, kam Anja Mittag ins Spiel (66.). Auch die erst 18-jährige Sara Däbritz kam für die letzten zehn Minuten noch zu ihrem EM-Debüt.

Doch alle Wechsel änderten nichts: Für das Viertelfinale am Sonntag (18 Uhr/ARD) in Växjö gegen Italien muss die deutsche Elf sich gehörig steigern. "So ein Spiel wie heute dürfen wir uns nicht nochmal erlauben", warnte Spielführerin Nadine Angerer, "so etwas geht in der K.o.-Runde einer EM einfach nicht."

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