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Christian von Gehren, Musikalischer Leiter bei den Festspielen in Andechs, lässt die Partitur der Carmina Burana einfach so spielen, wie sie von Carl Orff komponiert wurde. Das ist eine sehr gute Entscheidung

Reinhard Palmer

Carmina Burana 2013

Die figürlichen Schattenspiele auf der Leinwand erzeugen reizvolle Effekte im Florian-Stadel. Foto: Fuchs

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

AndechsOrffs Zyklus der Carmina Burana gehört zu den meistgespielten musikalischen Werken weltweit. Und was ist nicht schon alles daraus interpretatorisch gemacht worden! Deshalb fiel es Christian von Gehren, dem Musikalischen Leiter der Aufführung bei den Carl Orff-Festspielen in Andechs, leicht, dem Werk eine eigene Erscheinungsform zu geben. Er nahm schlicht die Partitur zur Hand und ließ sie klar und transparent so spielen, wie sie von Orff komponiert war. In den Worten des Komponisten: mit "statischer Architektonik" und im "strophischen Aufbau". "Auf der Knappheit der Aussage beruht ihre Wiederholbarkeit und Wirkung". Das reichte denn auch, um das zu erreichen, wofür die Komposition von Kennern so sehr geschätzt wird - und um sich trotzdem von der Masse abzusetzen.

Da sind vor allem die wunderbaren Stimmungen, die nur dann aufkommen, wenn das instrumentale Kolorit mit viel Fingerspitzengefühl ausbalanciert ist. Ob Frühlingsfrische, Liebesschwärmerei, Tanzfröhlichkeit, Schenkenderbheit, Schwanenlamento, Herzensglut oder einfach nur Lebensfreude: Vor allem das junge Orchester der Andechser Orff-Akademie des Münchner Rundfunkorchesters zauberte hier stimmungsvolle Bilder, die sich nahtlos in die musikalische Dramaturgie fügten. Und wenn es hoch hergehen sollte, dann lieferten die angriffsfreudigen Schlagwerker und Blechbläser entsprechend scharf geschnittene Rhythmen in krachender Konsequenz sowohl hinsichtlich der mittelalterlichen Vorbilder als auch der Tatsache, dass es sich um ein Werk des bereits herangereiften 20. Jahrhunderts handelt.

Die Besinnung auf die Partitur setzte sich auch im vordergründigen Gesang fort. Der Carl-Orff-Chor Marktoberdorf (Einstudierung Stefan Wolitz) zeigte sich diszipliniert und engagiert genug, trotz seiner Größe dem straffen Zugriff agil zu folgen. In klarer Diktion - gänzlich im Sinne deklamatorischen Ausdrucks - beherrschte der Klangkörper auch die Wendungen von breiter Melodik zum rhythmischen Skandieren in beschwingter Leichtigkeit. Wolfgang Newerla (Bariton), die Isländerin Herdis Anna Jónasdóttir (Sopran) und Manuel König (Tenor) konnten denn auch auf dieser Grundlage in ihren Solo-Parts entsprechend in Kategorien des Liedgesangs verbleiben. Insbesondere in den rezitativischen Passagen resultierte dabei eine fesselnde Erzählung. Zarte Tupfen in behutsamer Formung setzte indes der Unterstufenchor des Rhabanus Maurus-Gymnasiums St. Ottilien (Einstudierung Theresia Busen) ins Gesamtbild.

Orff hatte von Anfang an "ein Bühnenwerk mit Sing- und Tanzchören" vor Augen und sprach von einer "Szenischen Kantate". Entsprechend inszeniert mit Bühnenbild ging denn auch das Werk in die Uraufführung. Der künstlerische Leiter der Orff-Festspiele, Marcus Everding, griff die Inszenierungsidee mit einer Lichtkonzeption auf, die Georg Boeshenz gestaltete. Mit farbigem Licht - bisweilen mit abstrakten Formen bewegt, mit figürlichen Schattenspielen auf einer Leinwand hoch über den Protagonisten und immer wieder mit einer Inszenierung der imposanten Baukonstruktion des Florian-Stadels mit ihrer Schattenstruktur - kamen trotz einfachster Mittel durchaus reizvolle Effekte zustande. Für eine gegenseitige Steigerung in der Wirkung zwischen Musik und Lichtinszenierung hätte es aber einer besseren Koordination in rhythmischer Stringenz bedurft. Das versprochene "magische Licht" machte eher einen unfertigen Eindruck, der sein Potenzial an Zauber nicht zu nutzen vermochte, dennoch ausbaufähig ist. Nicht enden wollende Ovationen.

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