Papstbesuch in Brasilien:Das Publikum will Taten sehen

Die Begeisterung in Brasilien für den neuen Papst ist groß. Dennoch gilt dessen erste Auslandsreise als riskant. Sein Besuch bietet den Unzufriedenen im Land neue internationale Aufmerksamkeit.

Von Peter Burghardt, Rio de Janeiro

Plötzlich tauchte da dieser Sprengsatz auf, aber so dramatisch war es offenbar nicht. In einer Toilette des Wallfahrtsortes Aparecida zwischen Rio de Janeiro und São Paulo fand die Militärpolizei ein Plastikrohr mit Klebeband, offenbar eine selbstgebaute Bombe.

Sprengmeister brachten das Fundstück kontrolliert zur Explosion - "niedriges Verletzungspotenzial" meldeten die Experten, nie seien Zivilisten in Gefahr gewesen. Das musste gesagt werden, ehe Papst Franziskus an diesem Mittwoch in der monumentalen Marienkultstätte die erste große Messe bei seinem sechstägigen Besuch in Brasilien liest, vor mutmaßlich 200 000 Gläubigen. Denn trotz der brasilianischen Begeisterung für diesen neuen Pontifex gilt seine Reise als durchaus riskant.

Tausende Soldaten und Polizisten sind im Einsatz, Flugzeuge und Kriegsschiffe stehen bereit. Das ist Routine bei so einem hochrangigen Gast, vor allem jedoch hatten erst vor einem Monat Hunderttausende Brasilianer während des Konföderationen-Pokals im Fußball gegen Korruption, Geldverschwendung und schlechten öffentlichen Service protestiert. Seitdem sind die Kundgebungen deutlich kleiner geworden, trotzdem wird immer mal wieder irgendwo im Lande demonstriert.

Unzufriedenen bieten sich nun weitere Bühnen mit internationaler Aufmerksamkeit, zur Ankunft des Jorge Mario Bergoglio alias Franziskus gingen in Rio allerdings nur ein paar Brasilianer zornig auf die Straße. Außerdem gilt der Argentinier als deutlich leutseliger und spontaner als sein deutscher Vorgänger Benedikt XVI., das macht die Sicherheitsleute nervös.

Auf der Fahrt vom Flughafen zur Kathedrale verfuhr sich der Chauffeur seines Kleinwagens, auf den Franziskus Wert gelegt hatte. Zwischendurch steckte der Nachfolger Petri im Stau, das Volk bedrängte den Wagen, ohne dass ihn jemand unangenehm belästigt hätte. Er ließ sogar das Autofenster offen und bestätigte seinen Ruf des Charmeurs. "Das war ein etwas schwieriger Augenblick", fand sein Sprecher Federico Lombardi. "Aber es war der Moment, in dem der Papst den Enthusiasmus der Leute sehen konnte."

Viel versprochen, wenig gehalten

Unversehrt fuhr Bergoglio dann mit dem Papa-Mobil zu Rios Regierungspalast Guanabara, wo Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff den Gast aus dem Vatikan empfing. Frau Rousseff trug ein blaues Kostüm, der Papst sein weißes Gewand, dahinter hingen die Fahnen ihrer Länder.

Es geht bei dieser Auslandspremiere von Joseph Ratzingers Erbe auch um Politik, obwohl er sich mit dem Thema zunächst zurückhielt. "Ich habe weder Gold noch Silber dabei", sprach der Bischof aus Rom auf Portugiesisch mit spanischem Einschlag, "aber ich bringe das Wertvollste, das mir gegeben wurde: Jesus Christus."

Schüchterne Bitte

Sein einziger irgendwie politischer Satz bei dieser zweiten Begegnung nach der Begrüßung am Rollfeld war dieser: "Die Jugend ist das Fenster, durch das die Zukunft in die Welt tritt, das stellt uns vor große Herausforderungen." Sie brauchten Sicherheit, Bildung, bleibende Werte und einen "transzendentalen Horizont".

Dilma Rousseff bat den Papst fast schüchtern um eine "weitreichende globale Allianz im Kampf gegen Hunger und Armut". "Wir wissen, dass der Hunger und der Durst nach Gerechtigkeit Eile haben. Die Wirtschaftskrise zwingt uns dazu, die Ungleichheiten mit neuer Dringlichkeit zu bekämpfen." Diplomatische Worte. Das Publikum will Taten sehen.

Viel hatte Dilma Rousseff nach der Revolte kürzlich versprochen. Wenig konnte sie halten, ihre zuvor überbordende Beliebtheit lässt unterdessen erheblich nach. Ihre hartnäckigsten Gegner sitzen im Parlament sowie in den eigenen Reihen. Ihr eilig verkündetes Projekt eines Plebiszits über allerlei Reformen blieb im Ansatz stecken, weil es vor den Präsidentschaftswahlen 2014 angeblich nicht durchführbar ist.

Es hakt

Die meisten Abgeordneten und Kumpanen wollen auch gar keinen Wandel, sie leben ausgezeichnet mit ihren herrlichen Löhnen und Privilegien, die Wähler auf die Barrikaden treiben. Unklar ist weiterhin, wie genau die Erlöse aus den mutmaßlichen Ölfunden im Meeresboden in Erziehung und Gesundheit fließen sollen. Der Transportplan hakt ebenfalls, und als die Präsidentin aus den Reihen der linken Arbeiterpartei PT den Bürgermeistern vor Kurzem in Brasília läppische drei Milliarden Reais (gut eine Milliarde Euro) versprach, da wurde sie ausgepfiffen.

Die Residenz von Rios Gouverneur Sergio Cabral im edlen Strandviertel Leblon wird derweil immer wieder belagert, Cabral schläft fürs Erste lieber woanders. Und draußen vor dem Guanabara-Palast flogen ein paar Gummigeschosse der Polizei und ein Molotow-Cocktail der Protestierer, die üblichen Scharmützel. Das Fernsehen blies den Zusammenstoß auf. Die Demonstranten versichern, dass es nicht gegen den Papst geht.

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