Kinderspiele in Kurzversion:Gefängnis? Zeitverschwendung!

Monopoly Spielfeld

"Gehe zum Juden." Dieser Ausdruck stand in der umgebastelten Monopoly-Version des NSU-Trios für das Gefängnis im Spiel.

(Foto: Justin Sullivan/AFP)

Wegen Schulstress, Smartphones und Elektronikgeräten fehlt Kindern heute oft die Muße zum Spielen. Ein US-Konzern bietet daher alte Brettspielklassiker in schnelleren Versionen an. Monopoly in 30 Minuten - ob man den Kindern damit einen Gefallen tut, ist fraglich.

Von Martin Zips

Es lief schon mal besser für's Gesellschaftsspiel. Sein Quartalsgewinn, so hat der US-Spielzeugriese Hasbro gerade bekannt gegeben, sei um gut 16 Prozent eingebrochen. Hasbro ist der größte Brettspielhersteller der Welt. Vor allem Jungen haben mit Würfelspielen offenbar nicht mehr viel am Hut. Hier brachen die Erlöse gleich um 35 Prozent ein. Den Grund dafür sehen Experten vor allem in der wachsenden Beliebtheit von Smartphones und Elektrospielzeug. Zudem hätten die Kinder fürs Spielen neben Schule und Ausbildung immer weniger Zeit.

Weil man aber in der Wirtschaft innovativ und gewitzt ist, überrascht es nicht, was das Wall Street Journal nun meldet: In den USA bringt Hasbro immer mehr Kurzversionen alter Spieleklassiker auf den Markt. Der Vize-Präsident des Konzerns, Jonathan Berkowitz, spricht in diesem Zusammenhang vom "snackable component", also einer Art "Schnellimbiss-Ingredienz".

Aus einem abendfüllenden Scrabble-Spiel im Kreise der Familie wird so das Game-Häppchen "Scrabble Flash", das in zwei Minuten und 30 Sekunden beendet werden kann. Aus dem quälend langen, durchaus kapitalismuskritischen Monopoly wird "Monopoly Empire" (30 Minuten). Das Gefängnis-Feld? Aus Zeitgründen abgeschafft. Wer braucht schon ein Zuchthaus, das man erst wieder verlassen darf, wenn man eine Sechs gewürfelt hat?

Das digitale Brett vorm Kopf

Weil der moderne Heranwachsende neben Nachhilfe, Violinstunde und Tennisunterricht auch für die Lösung des Zauberwürfels keine Zeit mehr hat, wurde bereits vor Längerem "Rubik's Revolution" erfunden. Farbengleiche Seiten, ganz ohne Handumdrehen. Man weiß ja: Der Homo ludens stand nie unter größerem Druck als heute. Es ist wahrscheinlich nur noch eine Frage der Zeit, bis man "Mensch ärgere Dich nicht" mit nur einer Figur spielt und "Memory" mit aufgedeckten Karten. Denn alternativ lockt ja das iPad zum nächsten hektischen "Templerun"-Punkterennen. Was ist schon der Knobelbecher gegen das digitale Brett vorm Kopf?

Gut, dass es noch so erfahrene Pädagogen wie Siegbert A. Warwitz ("Vom Sinn des Spielens") gibt. Im Gespräch mit der SZ warnt der Karlsruher Professor und Buchautor: "Spiele brauchen Zeit!" Schließlich gehe es darum, das richtige Maß an Anspannung, Entspannung und Kommunikation zu finden. Gerade als Kind müsse man sich in all das erst einmal hineindenken. Ein einfaches Beispiel: "Wer gerade glücklich im Sandkasten sitzt, für den ist es schwer erträglich, von der Familie plötzlich zum Essen hereingerufen zu werden." Bei Eltern allerdings, in deren Erziehung weniger das reine Spiel in seiner Zweckfreiheit, sondern eher das Spiel als Training für Schnelligkeit und Erfolg gesehen werde, da werde aus einem guten alten Ritual ein weiterer Stressfaktor.

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