Leichtathletik-WM:"Falsche Hymne? Das wäre eine Blamage!"

Der Unterschleißheimer Student Felix Kuhn ist Stadion-DJ bei der Leichtathletik-WM in Berlin. Dort soll er die Kanzlerin anheizen.

Anja Bartsch

Den Kopfhörer hat er immer auf - aber sonst ist diesmal alles anders. Felix Kuhn alias DJ Core steht hinter seinem DJ-Pult und blickt zu seinen Zuhörern. Erst im Unterrang. Dann im Oberrang. Die Zuschauerränge des Berliner Olympiastadions sind voll. 68.000 begeisterte Fans sind es allein beim Eröffnungstag am vergangenen Samstag gewesen: Der 23-jährige Student aus Unterschleißheim ist während der Leichtathletik-WM der Stimmungsmacher.

Leichtathletik-WM: Der 23-jährige Felix Kuhn als Unterschleißheim sorgt als DJ bei der Leichtathletik-WM für gute Stimmung.

Der 23-jährige Felix Kuhn als Unterschleißheim sorgt als DJ bei der Leichtathletik-WM für gute Stimmung.

(Foto: Foto: ddp)

Die richtige Mischung

500.000 Zuschauer aus aller Welt erwarten die Organisatoren der Leichtathletik-WM dieses Jahr insgesamt im Stadion. Felix Kuhn aus Unterschleißheim legt sonst eher vor 500 Leuten auf - in Münchner Diskotheken, als Job neben dem Studium. Electro, House, Musik für junge, meist angetrunkene Tanzwillige.

Im Stadion der WM soll er ganz verschiedene Typen von Zuschauern anheizen. Junge und Alte, Würdenträger wie Bundeskanzlerin Merkel und Feierwütige wie die Fans aus Australien - keine leichte Aufgabe, es allen Recht zu machen. Diesen Spagat zwischen Teenie-Disco und Ü 30-Party zu schaffen, die richtige Mischung aus aktuellen Hits und Bierzeltstimmung, das sei eine Herausforderung für ihn. "Bei der WM als DJ aufzulegen, ist schon eine Riesensache", sagt der 23-Jährige euphorisch.

Und ein anstrengender Job ist es noch dazu: Neun Tage am Stück, elf Stunden pro Tag am DJ-Pult stehen - für 99 Stunden gute Laune braucht man Ausdauer. Vor allem, wenn man sich strikt an das Drehbuch halten muss, das bis auf 30 Sekunden genau festhält, welches Lied und welche Nationalhymne an der Reihe ist. "Das wäre eine Blamage, wenn wir die falsche Hymne spielen - hoffentlich geht alles gut", sagt Felix.

Aus dem Hobby wird ein Nebenjob

Bei einem der größten Sportereignisse der Welt live mitzuwirken, hätte sich der junge DJ bis vor kurzem nicht träumen lassen. Eigentlich studiert der gebürtige Unterschleißheimer in München Wirtschaftsinformatik. Er kommt aus einer "Informatiker-Familie", wie er sagt, da liegt das nahe.

DJ zu sein und auch später als DJ sein Geld zu verdienen, ist trotzdem sein Traum. "Man muss extrem musikalisch sein, um diesen Job zu machen - DJ zu sein ist für mich Kunst," betont Felix. Ein Gefühl für Tonarten zu haben, Harmonien zu erkennen, das seien wichtige Fähigkeiten eines DJs.

Talent habe er auf jeden Fall, wie er selbst findet. Und musikalisches Gespür. Nicht zuletzt, weil er elf Jahre lang Klavier gespielt hat. Nicht im klassischen Sinne übrigens, da er bis heute keine Noten lesen kann. Er habe immer alles intuitiv nach Gehör gespielt.

"Ich stelle sehr hohe Ansprüche an mich selbst," sagt er, aber: Man brauche eben auch die nötigen Kontakte, um als DJ bekannt zu werden. Einen Wettbewerb für Nachwuchs-DJs einer Münchner Disco hat der 23-Jährige vergangenen Herbst gewonnen. So hat der Student sein Hobby zum Nebenjob gemacht.

Das Auflegen in einem Club sei aber nicht mit dem "Gänsehaut-Feeling" zu vergleichen, das ihn nun im Berliner Olympiastadion überkomme. Da geht es schließlich um Emotionen, bewegende Momente der Sportgeschichte. "Das WM-Fieber hat mich schon total gepackt, vor allem bei den 100-Meter-Läufen", gibt sich der junge DJ enthusiastisch.

Für die Hymnen zuständig

Freude und Begeisterung, das sind die Emotionen, die das Organisationskomitee BOC bei den Zuschauern der WM hervorrufen will. Mit einem Showprogramm, zu dem als kleines Rädchen im riesigen Event-Getriebe auch DJ Core gehört. Über den Kontakt zum Unterschleißheimer Florian Weber, der derzeit Stadionsprecher bei der WM ist, hat Felix letztendlich den DJ-Job bekommen - es kommt eben immer auf die passenden Beziehungen an.

Zwei Plattenspieler, ein Mischpult und der Laptop, mehr braucht Felix nicht für die WM. Sein Kumpel Tobias Weber, der am DJ-Pult im Stadion für die Hymnen zuständig ist, hat auch nur seine eigene DJ-Ausrüstung mit dabei. So einfach ist es also, ein riesiges Stadion zu beschallen - zumindest technisch gesehen. Der Rest ist die Kunst des DJs.

Der Funke der Euphorie ist jedenfalls schon auf das Publikum übergesprungen. Die Fans feiern mit DJ Core. Oder feiern sie das schöne Wetter? Oder einfach nur den neuen Weltrekord im 100-Meter-Lauf?

Der Text ist erschienen auf der Jugendseite der Süddeutschen Zeitung. Die Autorin Anja Bartsch, Jahrgang 1985, ist Studentin. Weitere Texte der Jugendseite finden Sie unter www.sz-jugendseite.de.

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