Hollywood-Star Matt Damon:Einer wie keiner

Hollywood-Star Matt Damon

Matt Damon bei einem Fototermin für seinen neuen Film "Elysium" in Los Angeles im August.

(Foto: REUTERS)

"Ich bin ein durchschnittlicher Typ, Familienvater, glücklich verheiratet, vier Kinder." Matt Damon ist der große Jedermann unter den Hollywood-Stars - und gerade das macht ihn besonders. Eine Begegnung in Berlin.

Von Rebecca Casati

Einer der besten Oscar-Momente aller Zeiten war der, als 1998 Ben Affleck und Matt Damon den Drehbuch-Oscar für "Good Will Hunting" gewannen. Genauer gesagt, war es einer der seltenen Momente, deretwegen man die von Jahr zu Jahr lahmere Oscar-Verleihung überhaupt noch anschaut.

Als ihre Namen ausgerufen wurden, "And the Oscar goes to . . ." Briefumschlag, Knister, Augenzusammgekneife: "Matt Damon and Ben Affleck for 'Good Will Hunting'!" saßen die beiden im Publikum, mit damals noch sehr blassen (Affleck) beziehungsweise etwas pausbäckigen (Damon) Jungsgesichtern. Matt Damon hatte damals noch viel mehr Haare, Ben Affleck vielleicht noch nicht ganz so viele wie heute.

Als sie ihre Namen hörten, steckten beide für den Bruchteil einer Sekunde den Daumen in den Mund, der eine den rechten, der andere den linken. Das ist kein Witz, und er war auch nie als einer gedacht, es ist überhaupt auch nur zu sehen, wenn man die Standbild-Rahmen bei Youtube studiert; beide sehen jedenfalls kurz mal aus wie frisch vom Fabrikband gefallen. Dann umarmen beide ihre Mamis und schrumpfen noch mal kurz in ihre Sitze und Jacketts und Smokingfliegen zurück.

Matt Damon ist gerade für ein paar Monate in Berlin zwischengelandet, er dreht hier mit George Clooney den Film "The Monuments Men", die wahre Geschichte einer Gruppe alliierter Kunsthistoriker, die am Ende des Zweiten Weltkrieges Kunstwerke vor der Zerstörung durch die Nazis retten. Außerdem bewirbt Damon seinen in wenigen Tagen anlaufenden Film "Elysium", einen Science-Fiction-Thriller mit sozialkritischer Botschaft. Er setzt im Jahr 2154 ein, die Reichen sind von der verkarsteten, verslumten Erde geflüchtet und haben ihre Luxusquartiere auf dem Satelliten Elysium aufgeschlagen, der aussieht wie ein gigantisches Riesenrad und auf den die armen, verbliebenen Bewohner der Erde nun jeden Tag starren müssen; eine Metapher auf soziale Ungleichheit genau wie auf moderne Celebrity-Kultur.

Matt Damon spielt einen der Erdbewohner, der, wir ahnen es, sich eines Tages aufschwingen wird, die Erde zu retten. In dieser Rolle können die Zuschauer nicht genug von ihm kriegen: Der Mann, der ihre bescheidenen Hoffnungen und Sehnsüchte teilt, der nichts will außer Frieden und ein bisschen Wohlstand, den die Umstände dann aber zum Helden wider Willen machen. In diesem Fall zu einem Helden mit rasiertem Schädel, dem eine Kampfmaschine in die Knochen geschraubt wird.

Damon sitzt im Soho House in Berlin in einem riesigen abgedunkelten Zimmer, in dem nicht viel mehr als zwei Stühle stehen. Das Ganze hat etwas Theatralisches, ganz im Gegensatz dann zu ihm. Er steht höflich auf, er ist sehr groß, was den Schluss zulässt, dass seine Schuhe gar keine "Elevator Schuhe" sind, wie sie gerne von eher klein geratenen Schauspielern und Politikern getragen werden, sondern einfach Schuhe mit unattraktiv klobigen Sohlen. Seine Kleidung ist ansonsten fast widernatürlich durchschnittlich, so als wollte sie sich jeder Beschreibung entziehen.

Er ist fähig zu schimmern - auch bösartig

Gut sieht er aus, aber weder einschüchternd noch lächerlich gut. Seine Augen sind sehr klein und grün, seine Nase ist aufgeworfen, seine großen weißen Zähne springen beim Reden und Lachen unter den Lippen hervor. Er ist gealtert, was ja normal ist. Nur eben nicht in Hollywood. Er hat am Vorderkopf etwas schüttere, an den Seiten deutlich grau werdende Haare. Die jungenhafte blonde Tolle, sein früheres Erkennungszeichen, ist jedenfalls weg.

Zum ersten Mal sah man ihn damit in "Good Will Hunting", zum letzten Mal in "Der talentierte Mr. Ripley", der nicht nur ein Meisterwerk war, sondern auch bis heute Matt Damons bester Film, auch weil man darin sehen kann, zu was er als Schauspieler eigentlich fähig ist: schimmern - bösartig, in diesem Fall.

Die meisten Hollywood-Schauspieler brauchen ein irgendwie geartetes Narrativ, das Garantie und Käfig zugleich bedeutet und davon ablenkt, dass es ja nun einmal gar nicht so viel zu erzählen gibt über jemanden, der weder das Penicillin erfunden noch die Relativitätstheorie aufgestellt hat. "Und", sagt Damon, "es ist mein Narrativ, dass ich eigentlich keines habe. Ich bin ein durchschnittlicher Typ, Familienvater, glücklich verheiratet, vier Kinder."

Man weiß diese Dinge, sie werden im Zusammenhang mit ihm immer wieder genannt. Er hat die vergangenen Jahre über konsequent daran gearbeitet, einerseits immer berühmter zu werden - 20 Millionen Dollar bekommt er heute pro Film -, andererseits komplett in der Masse zu verschwinden, um hin und wieder überraschende Duftmarken zu hinterlassen.

Von Obama "tief, tief enttäuscht"

Er gilt als der perfekte Everyman unter den Hollywood-Stars, einer, der sich nie verändert hat, wie die Leute sagen, einer der, wie er selber sagt, "eine Zivilistin" geheiratet hat, nämlich die Barkeeperin Luciana Barroso aus Miami. Mit ihr hat er vier Töchter, drei von ihnen leiblich. Auch ein Grund, warum die Identifikation mit dem Publikum so gut funktioniert: Matt Damon wirkt nicht nur wie einer von ihnen, er hat sich in eine von ihnen verliebt.

Damon gilt ein Mensch mit sehr hohem sozialen IQ. Wie auf Knopfdruck stellt er kameradschaftliche Atmosphäre her, mit Kollegen, Journalisten, auf Filmsets, in Restaurants, in fast leeren Hotelzimmern. Er ist einer dieser Typen, bei denen man eine glückliche Kindheit vermutet, die Damon auch tatsächlich hatte; ein kleiner blonder Junge, der im sicheren Boston aufwuchs, Mitglied in der Theater-AG war. Seine Mutter war Professorin für frühkindliche Erziehung, sein Vater Börsenmakler. Er wurde viel gefördert, lernte Latein in der Schule, seine Mutter reiste mit ihm im Bus nach Mexiko und Guatemala, wo er weniger privilegierte Kulturen als seine eigene kennenlernte. Er sei, sagt er, ein sehr ehrgeiziger Schüler gewesen, bis die Schauspielerei dazwischenkam. Wie sein Freund Ben Affleck übernahm Matt Damon neben der High School Statistenrollen. Anfang 20 bekam er einen Studienplatz in Harvard. Parallel begann er, mit Affleck an dem Drehbuch für "Good Will Hunting" zu schreiben. Und wo das hinführte, wissen wir.

Damon ist politisch gebildet, er liest viel, sein Geist arbeitet schnell. Ein Überraschungs-Charismatiker, angenehm, aufmerksam, unneurotisch und meinungsstark. Von Obama ist er "tief, tief enttäuscht", wie er sagt - die meisten Hollywood-Stars würden sich solche Kommentare niemals trauen.

Eigentlich stand Matt Damon schon gar nicht mehr auf der Liste der großen Produzenten und Regisseure. Bis er als Jason Bourne in "Die Bourne Identität" besetzt wurde, einer Art härterem, unlackiertem James Bond. Der Film wurde ein Blockbuster, zog etliche Nachahmer und drei Sequels nach sich, das letzte, "Das Bourne Vermächtnis", ohne Matt Damon.

Die Ausflüge, die er sich stattdessen gestattete, waren ziemlich smart gewählt; er trug eine Fake-Fehde mit dem Showmaster Jimmy Kimmel aus, der in jeder Sendung ganz am Schluss behauptete, dass für Matt Damon leider, leider die Sendezeit nicht gereicht habe, worüber das Publikum jedes Mal wieder lachte. Er trat in zwei Staffeln einer der wohl lustigsten Serien der vergangenen zehn Jahre auf, als neurotischer, heulsusiger Pilot und Boyfriend von Tina Fey bei "30 Rock". Und mit einem Co-Autor schrieb er das Drehbuch zu "Promised Land", einem Film über Fracking, in dem er auch die Hauptrolle spielte. Zwischen dem Kampfmaschinen-Auftritt in "Elysium" und George Clooneys Nazikunst-Thriller sieht man ihn im Herbst auch noch als jugendlichen Lover des Entertainers Liberace (Michael Douglas) im Biopic "Behind the Candelabra". Und zwar im G-String.

Sein Kumpel Ben Affleck, der sich in den Nullerjahren dank Liaisons mit Gwyneth Paltrow und Jennifer Lopez tagtäglich auf Klatschseiten wiederfand, lebt nun ein ebenso gesittetes Familienleben wie Damon. Dessen Rolle im Liberace-Film kommentierte er mit den Worten: "Obwohl ich Matts Hintern schon etliche Male gesehen habe, war es schön, mal wieder ein Update zu bekommen." Besser ist das Phänomen Matt Damon nicht mehr zu beschreiben.

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