Informationspolitik des BND:Bizarrer Kampf um Deutungshoheit

Schattenspiele und Ablenkungsmanöver sind für Geheimdienste Routine. Beim BND schafft man sich offenbar eine eigene Wirklichkeit, in der alles anders ist, als die da draußen meinen. Nur so lässt sich die Reaktion auf den SZ-Bericht über eine umstrittene Anordnung von BND-Chef Schindler verstehen.

Von Hans Leyendecker

Seit jeher laufen im Reich der Nachrichtendienste bizarre Schattenspiele ab. Es gibt Wahres, es gibt Amtswahrheiten, private Ansichten, und der Stempel "Geheim" macht merkwürdigerweise selbst aus Geschwätz scheinbar wichtige Nachrichten für die Regierenden. Geheimdienstarbeit ist also auch ein Kampf im Dunkeln um Begriffe und Deutungshoheit.

Seit einigen Monaten wird in Teilen des Bundesnachrichtendiensts (BND) heftig darüber gestritten, ob es richtig ist, den US-Diensten Daten von Mobilfunknummern terrorverdächtiger Personen zu überlassen (alle Details in diesem Exklusiv-Text von Süddeutscher Zeitung und NDR). Die Kritiker dieser seit etwa zehn Jahren geübten Praxis argumentieren, auch diese GSM-Mobilfunknummern machten gezielte Drohneneinsätze auf Menschen möglich - und diese Drohneneinsätze seien eigentlich Hinrichtungen ohne Gerichtsverfahren.

Dass sich gegen diese Praxis intern Widerstand regt, schmückt eigentlich den BND. Mitarbeiter anderer Sicherheitsbehörden reichen wegen der Drohnen-Praxis der USA solche Daten nicht mehr weiter. Aber der derzeitige BND-Präsident Gerhard Schindler gibt sich gern schneidig, er hat ein klares Freund-Feind-Bild. Die NSA etwa schätzt ihn außerordentlich, die Deutschen suchten "Führung und Rat" erkannte die NSA.

Die Frage der Süddeutschen Zeitung an den Nachrichtendienst, ob ein "BND-Mitarbeiter in Leitungsfunktion auf einen anderen Posten versetzt" worden sei, "nachdem er solche Bedenken" wegen der Weitergabe von Mobilfunkdaten geäußert hatte, beantwortete der Dienst am Freitag so: "Nein. Eine Umsetzung hat nicht stattgefunden. Unabhängig davon sieht das verbindliche Personalkonzept des BND nach einer Verwendungszeit von vier bis fünf Jahren eine Rotation vor. Rotationen sind integraler Bestandteil der Personalentwicklung des BND".

Da wurde also kein Kritiker umgesetzt, sondern es wird nur rotiert.

Man rotiert fortwährend um sich selbst, schafft sich ein Parallel-Universum, eine eigene Wirklichkeit, in der alles etwas anderes ist, als die da draußen meinen. Unmut der Mitarbeiter gibt es in dieser Welt nicht mehr, sondern Vollzug nach kurzem Diskurs. Der BND-Präsident habe im Haus "diesbezügliche Unklarheiten ausgeräumt," teilte der Dienst zu den Diskussionen über die Weitergabe der Daten mit.

Schindler hat also nicht das Weiterreichen eigens angeordnet, sondern nur darauf verwiesen, dass sie natürlich weitergegeben werden. Durch Stellungnahmen gegenüber anderen Medien und Nachrichtenagenturen versucht der Dienst jetzt als offizielles Dementi zu verkaufen, was sich nicht leugnen lässt: Der BND teilt Informationen über GSM-Mobilfunknummern von terrorverdächtigen Personen, die zum Opfer eines amerikanischen Drohneneinsatzes werden könnten.

Dabei taugen die Daten in der offiziellen BND-Sicht natürlich nicht für eine zielgenaue Lokalisierung von Menschen. Experten, die etwas anderes behaupten, sind dann eben keine Experten mehr.

Außerdem kann gar nichts Schlimmes passieren, denn bei "Erkenntnismitteilungen an ausländische Partnerdienste" (wie das Weiterreichen von Mobilfunknummern genannt wird) gebe es, so teilt der BND mit, immer folgenden Zusatz:

"Die übermittelten Daten dürfen nicht als Grundlage oder Begründung für unangenehme Maßnahmen (Folter i.S. d. Art 1 der UN-Antifolterkonvention... vom 10.12. 1984) im Rahmen der Strafverfolgung und nicht als Grundlage oder Begründung für eine Verurteilung zum Tode verwendet werden. Eine Verwendung zum Zwecke des Einsatzes körperlicher Gewalt ist nur dann zulässig, solange und soweit ein gegenwärtiger Angriff vorliegt oder unmittelbar droht".

Man tut beim BND schließlich nur seine Pflicht. Und der Freund wird den Sinn des Zusatzes unter den "Erkenntnismitteilungen" schon verstehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: