Wahlkampftour von Angela Merkel:Denk an Dich, tu Dir was Gutes

Wahlkampfauftritt von Angela Merkel in Ludwigshafen

Angela Merkel ist auf Wahlkampftour

(Foto: dpa)

Ist doch alles prima hier! Das ist die zentrale Botschaft, die Angela Merkel zu Beginn ihrer Wahlkampftour aussendet. Sie appelliert an den Egoismus ihrer potenziellen Wähler und suggeriert: Die Bundestagswahl dient im Idealfall der Optimierung des eigenen Lebensentwurfs.

Von Hannah Beitzer, Seligenstadt

Die Trillerpfeifen stören, die Ratschen sowieso und dann trötet auch noch eine Tuba hinein, mitten in den schönen Wahlkampfauftritt! Angela Merkel kräuselt die Stirn, nur ein kleines bisschen, aber: die Kanzlerin ist irritiert. Die Demonstranten, angeführt von einer Gruppe Jusos, tragen Transparente auf denen steht: "Stop Watching us" und "Freiheit statt Überwachung" - sie protestieren gegen das Verhalten der Bundesregierung im Ausspähskandal um den US-Geheimdienst NSA.

Angela Merkel steht auf einer Bühne, auf einem Marktplatz, der von hübschen Fachwerkhäusern umgeben ist. Hier, in Seligenstadt in Hessen, beginnt sie ihren Wahlkampfendspurt, 60 Stationen will sie bis zur Bundestagswahl am 22. September abklappern. Der Startpunkt ist kein Zufall: In Hessen wird ebenfalls gewählt, auch am 22. September.

Bisher ist Merkel im Wahlkampf ganz gut damit gefahren, eben diesen politischen Gegner, der hier trillert und trötet, weitgehend zu ignorieren und sich ansonsten als bodenständige, ein bisschen biedere, durchsetzungsstarke, aber grundsympathische Mutter der Nation zu inszenieren.

"Gemeinsam sind wir stark"

Auch in Seligenstadt ist ihre Hauptbotschaft zunächst: Es geht uns doch eigentlich ganz gut. Die Arbeitslosigkeit ist niedriger als anderswo in Europa, die Schulden maßvoller, jeder bekomme die Möglichkeit, sich nach seinen Fähigkeiten zu entfalten. Und so solle das auch bleiben. Und mit wem bleibt alles so, wie es ist? Na klar, mit ihr, Angela Merkel.

"Gemeinsam erfolgreich" lautet das Motto ihrer Kampagne. Auffällig ist jedoch, dass Merkel entgegen dieses offiziell verordneten "Gemeinsam sind wir stark" vor allem versucht, die höchst persönlichen Interessen ihrer Zuhörer anzusprechen.

"Im Grunde entscheiden Sie mit Ihrer Entscheidung für die Wahl weniger über uns als über Ihr Leben", sagt sie. Sie verlangt von ihren potenziellen Wählern, sich "mit der Familie" hinzusetzen und zu überlegen, ob Maßnahmen wie die Abschaffung des Ehegattensplittings oder Steuererhöhungen wirklich gut für sie persönlich und ihre Lieben seien.

Seitenhieb gegen die Grünen

Und alle Entscheidungen, die darüber hinausgehen? Die könne man getrost ihr überlassen. "Ist es für Sie und Ihr Leben wichtiger, dass Ihnen jemand sagt, dass Sie Donnerstag kein Fleisch essen sollen oder dass ich als Bundeskanzlerin dafür gesorgt habe, dass wir nicht mehr fünf Millionen sondern nur noch knapp drei Millionen Arbeitslose haben?", ruft sie.

Das ist ein kleiner Seitenhieb gegen die Grünen, die neulich mit dem Vorschlag in die Schlagzeilen gerieten, öffentliche Kantinen sollten einen vegetarischen Tag in der Woche einführen. Und es bleibt nicht der letzte Seitenhieb. Die restlichen wirken jedoch allesamt ein wenig wie aus der Mitte des 20. Jahrhunderts hervorgezerrt: Die Anderen könnten nicht sparen, dafür aber Steuern abzocken und Vorschriften machen.

"Wenn jemand erfolgreich ist, dann wird als erstes gefragt, was man dem noch abnehmen kann", ruft sie und in der Menge wird zustimmendes Gemurmel laut. Das hätte auch in jedem Bierzelt gut geklappt.

Merkels Bierzelt-Ich

Wobei, natürlich müsse schon jeder, der viel Geld habe ein bisschen mehr zahlen, als der, der weniger habe, schiebt Merkel gleich hinterher, als hätte sie auf einmal doch Angst vor ihrem Bierzelt-Ich bekommen.

"Wir wollen Ihnen helfen, sich Ihre Träume zu erfüllen", sagt sie, nun eher im Stil eines Vertreters der Volksbanken-Raiffeisenbanken. "Gehen Sie unsere Angebote durch. Dann werden Sie feststellen, wir machen Ihnen Angebote."

Angebot, Nachfrage - klar, so funktioniert der Markt. Auch im Wahljahr. Da dient dann, so suggeriert Merkel, die Bundestagswahl als Weg zur Optimierung des eigenen Lebensentwurfes. Die FDP hätte es nicht besser sagen können.

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