Gewalt gegen Journalisten in Ägypten:Getötet zwischen den Fronten

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Zivilisten, Soldaten und Polizisten in Kairos Straßen: Im ägyptischen Machtkampf geraten auch Journalisten zwischen die Fronten. (Foto: Mohamed El-Shahed/AFP)

In Ägypten tobt ein Machtkampf - Journalisten, von Berufs wegen unparteiisch, sitzen zwischen allen Stühlen. Misstrauen gegenüber Amerikanern und Europäern lässt ausländische Korrespondenten zunehmend zum Feindbild werden. Doch auch einheimische Journalisten werden Opfer der Gewalt.

Von Tomas Avenarius

Erschossen: der Brite Mike Dean, Kameramann des Senders Sky-News. Habeeba Abdelaziz, Journalistin der Zeitung Xpress aus Dubai. Ahmed Abdel Gawad, Reporter des ägyptischen Blattes Al-Akhbar. Mosab El-Shami, ägyptischer Fotograf des pro-islamistischen, alternativen Mediennetzwerks Rassd.

Verletzt, zum Teil schwer: mindestens fünf Kameraleute und Fotojournalisten von Reuters, AP, Al-Jazeera, der Zeitung Al-Watan.

Festgenommen, bedroht oder verprügelt: Zahl unbekannt.

"Wenn ich dich noch einmal hier sehe, schieße ich dir ins Bein", soll ein Polizeioffizier der Korrespondentin der Washington Post gedroht haben. Das alles spricht für sich: Auch Journalisten sind zum Ziel geworden im ägyptischen Machtkampf.

Die bisher getöteten und verletzten Medienleute hielten sich am Mittwoch zum Zeitpunkt der Räumung in dem Pro-Mursi-Zeltlager vor der Rabaa al-Adawija-Moschee auf. Wie viele der Hunderte Anhänger des gestürzten Staatschefs, die beim Sturm der Armee und Polizei getötet wurden, so wurden auch die Journalisten von Scharfschützen ins Visier genommen, die auf Hochhäusern in Stellung gegangen waren. Es dürften also Polizisten oder Soldaten geschossen haben, auch wenn die Regierung immer wieder behauptet, die Islamisten seien selbst verantwortlich.

Mit dem Sturm der Sicherheitskräfte auf die Islamisten-Sit-ins in Kairo jedenfalls ist der Machtkampf landesweit in offene Gewalt umgeschlagen. Der Ausnahmezustand gilt, Armee und Polizei schießen scharf. Auch aus den Reihen der Fundamentalisten wird gefeuert, die ersten Polizisten wurden in Kairo an Kontrollpunkten aus vorbeifahrenden Autos heraus getötet. Eine Polizeistation wurde gestürmt, elf Beamte wurden abgeschlachtet. Bei den Demonstrationen am Freitag waren schon zum Auftakt einzelne Männer mit Sturmgewehren zwischen den Protestierenden zu erkennen. Das 85-Millionen-Einwohner-Land Ägypten könnte im Chaos versinken. Und das entscheidende Kräftemessen zwischen Staat und Islamisten wird sich in der Hauptstadt Kairo abspielen, einem Moloch mit 16 Millionen Einwohnern und riesigen Armenvierteln.

Internationale Medienvertreter werden mit Misstrauen gesehen

Journalisten, von Berufs wegen unparteiisch, sitzen zwischen allen Stühlen. Die Regierung garantierte schon unter dem Alleinherrscher Hosni Mubarak nur auf dem Papier echte Medienfreiheit, auch wenn die Zeitungen in Ägypten immer mehr Vielfalt boten als die im Irak oder in Syrien. Nach der Revolution von 2011 gaben sich die Medien kurze Zeit unabhängig, doch seit der Machtübernahme der Armee im Juli 2013 sind sie wieder umgeschwenkt, geben sich als Sprachrohre der Machthaber.

Internationale Medienvertreter werden mit Misstrauen gesehen, sowohl von den Behörden als auch von den meisten Bürgern. Anti-Amerikanismus, eine Art Spionage-Psychose und das Misstrauen inzwischen auch gegenüber Europäern lassen ausländische Journalisten zunehmend zum Feindbild werden.

Dass die Islamisten internationalen Medien gegenüber derzeit noch relativ offen sind, obwohl sie wie die neuen Machthaber von Haus aus mehr auf Propaganda denn auf kritische Fragen setzen, hat einen einzigen Grund: Der Machtkampf wurde von Anfang an auch über die Medien geführt. Die großen ägyptischen Sender und Zeitungen sind von der Regierung gleichgeschaltet worden, die Grenze zwischen Propaganda und Hetze ist fließend, zwischen den politischen Sendungen laufen Jubel-Clips der ägyptischen Armee beim Manöver im Wüstensand. Also suchen sich die Muslimbrüder andere Kanäle.

Den Anhängern des gestürzten Staatschefs bleiben für ihre Propaganda nur islamistische Webseiten oder Online-Plattformen wie Twitter und Facebook. Ihre Sprecher schicken Aufrufe zu Protestmärschen und Sit-ins per SMS. Ihre angebliche Sympathie für Medienleute, ob Ägypter oder Ausländer, erlischt aber schnell, wenn diese sich ihnen gegenüber kritisch zeigen: Vor dem Sturm der Zeltlager wurden mehrere ägyptische Journalisten von den Islamisten festgehalten, geschlagen und mit Folter bedroht.

© SZ vom 17.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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