Bundestagswahlkampf 2013:Große Flaute

Wahlkampf der schleswig-holsteinischen CDU

Leidenschaftsloser Wahlkampf: Zuschauer auf einer CDU-Veranstaltung in Lübeck

(Foto: dpa)

Politische Windstille im Wahlkampf: Es fehlt der Kontrast, es fehlt die Alternative, es fehlt der Streit. Der wichtigste Unterschied zwischen CDU/CSU und SPD scheint der zu sein: Die einen sind an der Regierung, die anderen in der Opposition.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Rossbreiten heißen die Gebiete, in denen fast immer Windstille herrscht. Der Name stammt aus der Zeit der Segelschifffahrt: Wenn die Schiffe in den Rossbreiten wochenlang festlagen, wurden die mitgeführten Pferde angeblich über Bord geworfen, um ihnen das Verdursten zu ersparen. Die Antwort auf die Frage, welche Nutzanwendung aus dieser Notmaßnahme für Deutschland zu ziehen sein könnte, darf man dem Kabarett überlassen.

Tatsache ist, dass der Wahlkampf 2013 den Eindruck erweckt, als sei Deutschland in die Rossbreiten verlegt worden: Es ist politische Windstille, es herrscht die große Flaute. Der einzige Vorschlag, der für Furore sorgte, war derjenige der Grünen, in öffentlichen Kantinen einen "Veggie Day" einzurichten. Das sagt alles über diesen Wahlkampf.

Diese Windstille hat nichts mit aufsteigender und absinkender, feuchter oder trockener Luft zu tun, sondern mit dem drucklosen Zustand von CDU/CSU und SPD. Der wichtigste Unterschied zwischen diesen Parteien scheint der zu sein: Die einen sind an der Regierung, die anderen in der Opposition. Die SPD tat und tut sich schwer damit, aufzuzeigen, was sie in der Europapolitik, zumal beim Euro, und was sie in der Außenpolitik, zumal in Afghanistan, von der Union unterscheidet. Und die Union tat und tut sich nicht schwer damit, in der Sozial- und Gesellschaftspolitik, zumal beim Mindestlohn, so zu tun, als vertrete sie die Forderungen der SPD. Die daraus entstandene Windstille nutzt der Union und schadet der SPD. Die CDU ist nämlich schon dort, wo sie hinwill. Sie braucht den Wind nicht.

Geschichte der großen Namen

Die große Koalition liegt vier Jahre zurück, sie endete mit einem 23-Prozent-Desaster für die SPD. Aber in zentralen Fragen gibt es die große Koalition informell noch immer. Das mag staatspolitisch bemerkenswert sein; die Wähler aber bemerken keine großen Unterschiede in der Politik. Das sediert. Es fehlt der Kontrast, es fehlt die Alternative, es fehlt der Streit. Den kann man dann am Ende der Legislaturperiode künstlich inszenieren; aber er bleibt eben dann künstlich.

Die Europapolitik ist ein Exempel: Die SPD hat in den großen Parlamentsdebatten 95 Prozent ihrer Redezeiten dazu benutzt, die Euro-Politik der Kanzlerin anzugreifen - um ihr dann im Ergebnis zuzustimmen. Was sie wie anders machen will, hat die SPD nicht deutlich machen können. Die kapierbare Alternative zur Merkel-Politik formulierten nur die Euro-Gegner von der "Alternative für Deutschland". Die SPD konnte ihre Position (mehr Solidarität mit den Menschen in Südeuropa, mehr Demokratie in der EU und mehr Sozialstaatlichkeit) nicht pointieren und popularisieren. Das ist exemplarisch.

In Berlin hat die SPD am Wochenende ihr 150-jähriges Jubiläum gefeiert. Gefeiert wird eine Geschichte, die einen ehrfürchtig machen kann; es ist dies auch eine Geschichte der großen Namen und langjährigen Vorsitzenden, die für die Kontinuität gesorgt haben und die Integrationskraft hatten. Das funktioniert nicht, wenn Führungsfiguren ständig ausgetauscht werden, wenn sie sich also nicht entwickeln können.

Nutzlose Kunst

Über den österreichischen Sozialdemokraten Bruno Kreisky, der erst sieben Jahre Außenminister, dann Oppositionsführer und schließlich 13 Jahre Kanzler und einer der erfolgreichsten Sozialdemokraten der europäischen Geschichte war, kursierte das Bonmot von der "Quadratur des Kreisky", weil er verschiedenste Positionen zusammenbringen konnte. Das ist mehr als ein Bonmot, das ist ein Erfolgsrezept. Aber dazu braucht es Zeit, viel Zeit - die etwa Willy Brandt hatte.

Und dann gehört dazu die Kunst, so zu reden, dass ein Professor es noch akzeptiert und ein Hilfsarbeiter es noch kapiert. Diese Kunst beherrscht Peer Steinbrück. Aber diese Kunst bleibt nutzlose Kunst, wenn sie nicht die Zeit und Kraft hat, Menschen und Positionen zusammenzuführen.

Angela Merkel beherrscht die Kunst des Zusammenführens von Positionen auf kurios-kunstlose Weise: Sie hat keine. Ihr Rezept ist die Leidenschaftslosigkeit; viele schätzen das als unideologisch. Merkel spielt die schwäbische Hausfrau (das funktioniert vor allem wegen der gehässigen Merkel-Kritik aus Südeuropa), die das Geld beieinander hält; das gefällt vielen Deutschen. Sie macht Macht zur unspektakulären Angelegenheit; das gefällt vielen Deutschen auch. Sie hat es geschafft, dass die schlechte Bilanz ihrer Koalition ihrer Beliebtheit nicht schadet - und diese gar auf ihre Partei abfärbt. Sie führt eine schlechte Regierung, tut aber erfolgreich so, als stünde sie darüber. Je schlechter ihre Regierung regierte, desto beliebter wurde die Regierungschefin.

Das ist so perplex wie der Wahlkampf 2013. Das Land hat einen besseren Wahlkampf verdient.

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