Volksfestzelt Dachau:Zutritt verboten

Ein BISS-Verkäufer darf bei Auftritt von Bundeskanzlerin Merkel nicht ins Bierzelt - seinem Kollegen erging es bei Ministerpräsident Seehofer in Fürstenfeldbruck genau so. Die Dachauer CSU bedauert den Vorfall.

Benjamin Emonts

Volksfestzelt Dachau: Dachau Frank Schmidt BISS-Verkäufer Foto: Heigl

Dachau Frank Schmidt BISS-Verkäufer Foto: Heigl

(Foto: DAH)

Frank Schmidt hat lange graue Haare, trägt Pferdeschwanz und einen Bart. Er sieht weder ungepflegt aus, noch ist er unfreundlich. Trotzdem verwehrt ihm die schwarz gekleidete Frau den Eintritt in das Bierzelt. Es ist Dienstagabend, 18 Uhr: Angela Merkel wird in zwei Stunden sprechen, das Zelt ist längst nicht überfüllt. Eigentlich jeder wird hineingelassen, wirklich jeder. Nur Biss-Verkäufer Frank Schmidt nicht. Die Frage lautet: Warum? "Ich weiß es einfach nicht", sagt Frank Schmidt.

Der gebürtige Hamburger, ein ehemaliger Spediteur, findet keine Erklärung, mutmaßen kann er aber schon. "Die CSU hat vielleicht kein Interesse an Menschen, die von den Rändern der Gesellschaft kommen. Aber es kann doch nicht jeder ein Millionär oder Anwalt sein." BISS- Geschäftsführerin Hildegard Denninger formuliert ihren Vorwurf noch schärfer: "Die CSU spaltet die Gesellschaft in jene, die draußen, und jene, die drinnen sind." Sprich: diejenigen im Bierzelt und diejenigen außerhalb.

Die CSU widerspricht dem vehement. In einer Pressemitteilung aus der Landeszentrale heißt es: "Vor Beginn der Veranstaltung sind alle Ordner von uns angewiesen worden, dass dies eine öffentliche Veranstaltung ist, zu der jeder Zutritt hat und bei der niemand abgewiesen werden darf, außer wegen Überfüllung des Zeltes. Unabhängig davon bedauern wir diesen Vorfall, denn Verkäufer von BISS sind uns selbstverständlich auf unseren Veranstaltungen willkommen." Der Vorsitzende des CSU-Ortsverbands Dachau, Peter Strauch, fügt hinzu: "Unser eigenes Sicherheitspersonal war nicht schwarz, sondern orange gekleidet".

Wer also war die schwarz gekleidete Frau, die BISS-Verkäufer Schmidt nicht in das Zelt ließ. War sie vom Bundeskanzleramt? Vom Bundespresseamt? Vom Bundeskriminalamt? Oder doch von der CSU? Peter Strauch, der als Vorsitzender des Ortsverbands die Veranstaltung mitorganisiert hat, kennt die Herkunft der schwarz gekleideten Dame jedenfalls nicht. Wie auch immer, die Sache bekommt durch einen Vorfall am 11. Juli mindestens einen faden Beigeschmack. Damals sprach Ministerpräsident Horst Seehofer in einem Festzelt in Fürstenfeldbruck, auch dort war die Veranstaltung hervorragend besucht. Doch wer musste draußen bleiben? BISS-Verkäufer Jürgen Kleißler. Auch ihm verwehrten die Ordnungskräfte damals den Eintritt. Kleißler intervenierte damals sogar bei der Polizei - ohne Erfolg. Der Fürstenfeldbrucker CSU-Kreisvorsitzende und Landrat Thomas Karmasin entschuldigte sich später persönlich bei einem Espresso.

Fakt ist, dass Frank Schmidt ebenso wie sein Kollege Kleißler draußen bleiben mussten - jeweils bei CSU-Veranstaltungen. Wer aus München und der Region kommt, der sieht oft Menschen, die BISS-Zeitungen verkaufen. Die Straßenzeitschrift engagiert sich seit 20 Jahren für die Wiedereingliederung armer und obdachloser Menschen - das weiß jeder, auch die CSU. Schmidt gehörte zum Rand der Gesellschaft, war bettelarm und ist auch jetzt nicht wohlhabend, sonst müsste er keine BISS-Zeitungen verkaufen. Früher einmal stand er mit beiden Beinen im Leben, bis es 1992 abwärts ging mit seinem Speditionsunternehmen.

Schmidt ging Pleite, musste Insolvenz anmelden, griff zur Flasche und wurde obdachlos. Heute hat er in München wieder eine Bleibe, er ist bei BISS fest angestellt und verdient seinen eigenen Lebensunterhalt. Man kann sagen: Der Mann hat seine zweite Chance genutzt. Trotzdem musste er am Dienstag seine Zeitungen vor dem Bierzelt verkaufen - aus welchem Grund auch immer.

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