Bankenbranche:Das Ende der guten Ratschläge

Es ist eine Frage des Vertrauens: Durch schlechte Anlageberatung verlieren Sparer jedes Jahr Milliarden Euro. Großbritannien verbietet deshalb Provisionen für Bankberater. Das hinterlässt in der britischen Bankenwelt tiefe Spuren - Kunden mit wenig Geld erhalten kaum noch Tipps.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Auch britische Kunden haben im Zuge der Finanzkrise das Vertrauen in ihren Finanzberater verloren. Deshalb hat die Regierung in London hart durchgegriffen: Seit Jahresbeginn sind Provisionszahlungen für den Verkauf von Finanzprodukten verboten - ohne Ausnahme. Kunden, die sich in Finanzfragen beraten lassen möchten, müssen den Berater direkt mit einem Honorar bezahlen. Gleichzeitig wurden die Ausbildungsanforderungen für Finanzberater deutlich erhöht.

Der konsequente Paradigmenwechsel hat bereits nach einem guten halben Jahr tiefe Spuren hinterlassen. "Die beiden Veränderungen haben dazu geführt, dass im Bankensektor seit Jahresbeginn die Anzahl der Finanzberater um rund 40 Prozent gefallen ist", sagt Ben Waterhouse, Vertriebsleiter bei der Fondsgesellschaft Fidelity in Großbritannien. Im Bereich der unabhängigen Finanzberater sei das Angebot um rund 20 Prozent gesunken. "Die Banken sind dabei, sich im Massengeschäft mit normalen Kunden aus der klassischen Anlageberatung vollständig zurückzuziehen", sagt Waterhouse.

Die britische Erfahrung zeigt, wie abhängig das Bankensystem von Provisionszahlungen ist. In Deutschland hat man sich gegen ein Provisionsverbot ausgesprochen, gleichzeitig wurde aber die Finanzberatung auf Honorar gesetzlich aufgewertet. Wie in Großbritannien auch finanzierten deutsche Sparkassen, Volksbanken, Großbanken und freie Finanzberater ihre Kundenberatung in der Vergangenheit ausschließlich über Provisionen.

Im Jahr 2006 entschied der Bundesgerichtshof (BGH), der Kunde könne in einem solchen System nie sicher sein, ob der Berater ein Finanzprodukt wegen des eigenen Umsatzinteresses oder wirklich im Interesse des Kunden anbiete. Deshalb, so der BGH damals, müsse die Bank ihre Provisionen offenlegen.

Viele Kunden denken, die Bankberatung koste nichts oder nur wenig

Vor dem BGH-Urteil haben Finanzberater über ihre Provisionen nicht gesprochen. Kunden in Deutschland wie in Großbritannien gewannen den Eindruck, die Beratung sei kostenlos - was sie nie war. Schon immer gab es Abschluss- und Bestandsprovisionen. Die Honorarberatung gilt da als eleganteres Modell: Hier bezahlt der Kunde den Berater direkt, in aller Regel ist es sogar günstiger. Die Beratung auf Honorar in Deutschland kostet derzeit im Schnitt 130 bis 220 Euro pro Stunde. Zum Vergleich: Für den Verkauf eines Aktienfonds erhält der Berater bei einer Anlagesumme von 50.000 Euro bis zu 2500 Euro Provision.

In Großbritannien werden zwischen 0,5 und 1,0 Prozent der Anlagesumme als Honorar fällig. Wenn es um kleine Vermögen geht, verdient der Berater da zu wenig. Er bietet seine Dienstleistung daher nur vermögenden Kunden an. "Folglich haben britische Privatkunden derzeit weniger Chancen, eine Finanzberatung zu erhalten als früher, gerade im unteren Einkommenssegment", sagt Waterhouse, der aber davon ausgeht, dass sich das ändern wird: "Diesen Kunden werden vermehrt Portfoliokomplettlösungen angeboten, die sich für den Berater finanziell tragen und ihm gleichzeitig ermöglichen, sich auf seine Honorarberatung zu konzentrieren."

Auch für Kunden ist die Umstellung schwierig. Immer noch denken viele, die Bankberatung koste nichts oder nur wenig. Allerdings haben die Erfahrungen in der Finanzkrise die Anleger sensibilisiert. Ab 2007 merkten sie, dass ihr Bankberater zum Teil schlechte Produkte empfohlen hatte, nur weil sie dem Institut hohe Provisionen einbrachten. Der latente Interessenkonflikt eines Finanzberaters ist seither für eine breitere Öffentlichkeit offenkundig geworden.

Etwa 20 Milliarden Euro gehen Sparern nach Schätzungen des Bundesverbraucherministeriums jedes Jahr verloren. Der Grund: Schlechte oder gar falsche Anlageberatung. Der Kunde hat es nicht leicht. Es gibt gute wie schlechte Honorarberater, es gibt gute wie schlechte Provisionsberater. Am Ende ist es wie beim Arzt: eine Frage des Vertrauens.

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