Microsoft übernimmt Nokia:Der falsche zweite Platz

Nokia ist ein experimentierfreudiges Unternehmen. Aber es hat versäumt, sich auf eine Entwicklung zu konzentrieren, die den Markt komplett umgekrempelt hat: Smartphones.

Von Hakan Tanriverdi

Es gibt zwei Ranglisten, die zeigen, in welcher Position sich Nokia befindet. Erstens: In der weltweiten Produktion von Handys ist Nokia auf Platz zwei. Das Unternehmen war dank klassischer Handys vierzehn Jahre lang unangefochten an der Spitze, erst im Jahr 2012 verkaufte Samsung erstmals mehr Geräte. Auf der Rangliste der meistverkauften Smartphones befindet sich das Unternehmen aus Finnland nicht einmal unter den ersten fünf.

Wenn man jetzt noch bedenkt, dass seit diesem Jahr weltweit mehr Smartphones verkauft werden als klassische Handys, wird das Problem von Nokia klar. Allen voran Nokia selbst:

Nokia wollte damit zeigen, dass es das Unternehmen schon gibt, seit es Handys gibt - und weit darüberhinaus. Nicht ganz seit über 7000 Jahren, aber immerhin schon seit dem Gründungsjahr 1865. Doch was von der Werbung übrig bleibt, ist eine andere Botschaft: der bis heute verfolgte Ansatz des Unternehmens ist vor allem alt.

Anfang der 90er hat sich das Unternehmen dazu entschieden, sich ausschließlich auf Telefone zu konzentrieren. Gasmasken und Gummistiefel wurden aus dem Sortiment genommen. Ab sofort hat es nur noch die Wahl gegeben zwischen Autotelefonen oder 800 Gramm schweren Handys mit dem Spitznamen "Gorba". Weil Michail Gorbatschow damit telefoniert hat.

Seither wurde die Produktpalette beständig erweitert. Nokia ist ein experimentierender Gigant. Emails per Handy abzurufen: möglich seit 1996. Das Internet in die Taschen seiner Nutzer zu stecken, diese Vision hatte das Unternehmen bereits 1999. Was das Design angeht, wurde das Unternehmen ebenfalls 1999 dafür gelobt, Handys als Modestatement zu zelebrieren. Farbige Bildschirme, Kameras in Handys, klar, Nokia war dabei. An allen Ecken und Enden hat das Unternehmen technische Neuheiten ausprobiert (eine kleine Übersicht über die Produktvielfalt finden Sie hier).

Zeitgleich zum iPhone hat Nokia 2007 auch ein Smartphone herausgebracht. Nokia galt zu dieser Zeit als absolut unerreichbar, der Marktanteil des Unternehmens lag bei satten 48,7%. Aber was wir heute unter Smartphone verstehen, ist eher iPhone als Nokia. Das iPhone ist der Grund, wieso Nokia heute, zumindest für den Moment, keine Rolle mehr zu spielen scheint.

Das iPhone ist nicht einfach irgendein Konkurrent gewesen. Von diesem Moment an gewann die Software zunehemend an Bedeutung. Die Hardware - samt Aussehen, Funktionen und Fähigkeiten - war nicht mehr das einzig Wichtige. Die Frage, die immer mehr in den Mittelpunkt rückte, war: Wie intuitiv ist das System, das der Nutzer bedient?

Mit dem Deal sind Soft- und Hardware vereint

Noch 2010 hat Nokia bekannt gegeben, es sei nun ein Software-Unternehmen, kein Telefonhersteller mehr. Das war kurz bevor Stephen Elop, der Mann von Microsoft, zum neuen Geschäftsführer wurde.

Apple hat gepunktet, was die Software angeht, Nokia nicht. Das von Nokia entwickelte Symbian-Betriebssystem, das damals den Smartphone-Markt beherrschte, wurde von den Kunden nicht angenommen. Es galt als klobig. Die Handys von Nokia haben viele Funktionen, hieß es, aber sie sind einfach unmöglich zu bedienen. 2012 wurde Symbian eingestellt.

Dort, wo Nokia einst versprochen hat, seine Software zu platzieren, klafft seitdem ein Loch. Auch deshalb entschied sich Elop wohl für eine Zusammenarbeit mit Microsoft. Nokia hat es nicht geschafft, seine Innovationskultur zu verändern, es ist auch heute noch vornehmlich ein Hardware-Unternehmen.

Jetzt also der Deal mit Microsoft, dem paradigmatischen Gegenstück zu Nokia, ein genuiner Softwarehersteller. Soft- und Hardware sind damit vereint. Ballmer zufolge gehen 80 Prozent der Verkäufe mit dem Betriebssystem "Windows Phone" zurück auf Nokia. Anleger haben begeistert reagiert, heißt es. Es gibt eine Vision, immerhin.

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