Nominierung für den Deutschen Radiopreis:Wild genug fürs Käsefondue

Kristina Hartmann Andreas Christl Antenne Bayern

Drei Stunden halten sie es zusammen aus, länger nicht: Kristina Hartmann und Andreas Christl.

(Foto: Christian Lisch/Antenne Bayern)

Wenn Mut belohnt wird: Der Privatsender Antenne Bayern wagte das Experiment und ließ am Freitagabend Nachwuchs-Moderatoren ran. Sechs Monate später sind Kristina Hartmann und Andreas Kristl dank ihrer natürlichen Präsenz für den Deutschen Radiopreis nominiert.

Von Stefan Fischer

Für drei Stunden geht das gut mit den beiden, ein gemeinsames Wochenende würde in eine Katastrophe münden, da ist sich Kristina Hartmann sicher. Die 25-Jährige und ihr Kollege Andreas Christl, 27, treten bei Antenne Bayern seit einem halben Jahr freitagabends von 19 Uhr an als Die jungen Wilden auf, und das geht wie gesagt ziemlich gut, selbst in der Enge eines Hörfunkstudios. Aber dem Namen sind die jungen Wilden natürlich etwas schuldig. "Spätestens nach 24 Stunden würden wir uns an die Gurgel gehen", mutmaßt Kristina Hartmann.

Das ist zwar nicht gesagt, aber klingt gut. Die zwei Talente sind in Wirklichkeit ein gutes Team - so gut, dass sie mit Die jungen Wilden in der Kategorie Beste Sendung für den Deutschen Radiopreis nominiert sind, der am Donnerstag in Hamburg verliehen wird.

"Wir rocken dein Wochenende", versprechen die Moderatoren und besorgen für ihre Hörer Plätze auf Gästelisten diverser Veranstaltungen - "wir wollen das möglichst Coolste für die Leute organisieren", erklärt Christl: Konzerte, Ballonfahrten, Volksfeste, Braukurse sind im Angebot. Und nach 22 Uhr aber, wenn sie die Studiotüre hinter sich schließen, gehen "die Krissi und der Christl", wie sie auf Sendung heißen, wieder getrennter Wege.

Ihre Lebensstile sind, wie beide äußern, sehr unterschiedlich - und wie jedes gute Duo vor dem Mikrophon machen sie das auch zur Marke. Kristina Hartmann sagt über sich: "Ich bin eine totale Prosecco-Maus." Der Blick von Andreas Christl verrät, dass er eher Kamillentee trinken würde, als ein Glas Prosecco anzurühren. Hartmann achtet darauf, "nicht an zwei Tagen hintereinander dieselbe Kleidung zu tragen", und lässt "auch keine Modefrisur aus". Christl fühlt sich in seiner Lederhose wohl oder in T-Shirt und Jeans, und zum Friseur geht er, wenn die Haare zu weit in die Stirn hängen. Sie hört Dance, er Britpop. Sie sind andrerseits unprätentiös genug, um daraus in der Sendung auch keine Kienzle-und-Hauser-Attitüde zu machen. Was ihnen dabei gelingt, wie nicht vielen anderen: einfach Radio für ein junges Massenpublikum machen, für Zuhörer wie sie es selber wären. "Die Leute wollen vor allem Musik hören", sagt Christl. Und nicht vollgelabert werden.

Entsprechend domestiziert sind die beiden: jung - aber ja. Wild? Naja. Aus ihrem Heimatdorf rausgekommen zu sein und jetzt fürs Radio zu arbeiten, das sei für ihre Familienverhältnisse schon recht wild, findet Kristina Hartmann. Antenne Bayern ist der größte deutsche Privatsender, da ist der Freitagabend kein Experimentierfeld für anarchische Radioguerilla. Die Welle kann sich ein Nischenprogramm nicht leisten, sie ist auch in den Abendstunden darauf angewiesen, mehreren hunderttausend Hörern zu gefallen. "Von 17 bis 20 Uhr ist die Primetime für junge Hörer", sagt Valerie Weber, 47, Programmdirektorin und Geschäftsführerin des Senders. Da haken Die jungen Wilden ein, daran orientiert sich die Musikredaktion: Kein Joe Cocker mehr und weniger Bon Jovi, statt dessen James Blunt und Jamie Cullum.

Sie singt den Wetterbericht, er spielt Gitarre dazu

Es gibt aber ein Wort bei Antenne Bayern, das wie ein Schutzzauber wirkt und das Allzujunge, Allzuwilde in Schranken weist: Käsefondue. "Menschen wie ich, die am Freitagabend zu Hause beim Käsefondue sitzen, müssen die Sendung auch verstehen", sagt Weber. Ab und an bekommen die jungen Wilden dann eine Mail von Valerie Weber, in der nur dieses eine Wort steht.

Dabei sind Christl und Hartmann schon ihr eigenes Korrektiv. Sie, die in der Nähe von Aschaffenburg aufgewachsen ist, übersetzt aus dem Oberbayerischen, wenn der Wirtshaussohn und gelernte Gastronom aus Farchant bei Garmisch für Franken kaum noch verständlich ist. Er probiert schneller mal was aus in seinen Moderationen, baut eine waghalsige Pointe auf. Sie fängt ihn wieder ein, wenn es zu kippen droht, ganz unaufgeregt holt sie das Gespräch zurück auf eine solide Basis. Die beiden kündigen auch nicht unentwegt marktschreierisch an, was noch Tolles kommen wird in der Sendung. Sondern machen einfach. Und bremsen sich gegenseitig, wenn der andere zu viel redet. Über sich selbst sprechen sie in der Sendung wenig.

Beide haben, was man schwer lernen kann: eine natürliche Präsenz. Eine, die nicht bloß durch vorlautes Quasseln behauptet wird. "Ich war schon als kleines Kind auf jeder Familienfeier die Maus, die was vorgeführt hat", sagt Hartmann. Sie sagt das tatsächlich immer wieder über sich: Maus. Oder Mädel. Eigentlich vermeidet sie, als die Niedliche aufzutreten.

In der Sendung singt sie den Wetterbericht. Andreas Christl begleitet sie auf der Gitarre und pfeift falsch dazu.

Für den Sender sind die beiden ein Ausweg aus der Erfolgs-Falle. Antenne Bayern hat allen Grund, an seinen besten Moderatoren festzuhalten: Stefan Meixner hat nachmittags mehr als 1,2 Millionen Hörer in der Stunde, Wolfgang Leikermoser morgens bis zu 1,8 Millionen. Weshalb die ihren Job schon sehr lange machen. Die Kehrseite ist: Stagnation und immer wieder der Verlust von selbst ausgebildeten Talenten an die Konkurrenz. Die Idee zu den jungen Wilden ist entstanden in einer Projektgruppe, in der die Mitarbeiter ohne die Führungskräfte überlegen, was man verbessern sollte. "Ich habe danach verstanden", sagt Valerie Weber, "wir brauchen eine Sendung, wo junge Leute sich ausprobieren können." Auf eines hat sich die Programmchefin jedoch festgelegt: "Die können das natürlich nicht ewig machen." Irgendwann werden Kristina Hartmann und Andreas Kristl zu gut aufeinander eingespielt sein. Und außerdem zu alt und unwild.

Im Moment aber ist es so: Ihre Moderation ist lakonisch, ihr Witz nicht brachial. Das ist beachtlich in diesem Job: die eigene Eitelkeit im Zaum zu halten.

Die Verleihung des Deutschen Radiopreises wird am Donnerstag von 20 Uhr an von 61 Radiosendern live übertragen: www.deutscher-radiopreis.de

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