Rente mit 67 im Alltagstest:Es brennt bei der Werkfeuerwehr

Neuer Feuerwehrstützpunkt Melsungen

Harter Job: Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr Melsungen und der Werkfeuerwehr des Medizintechnikherstellers B. Braun bei der Einweihung des neuen Feuerwehrstützpunkts in Melsungen

(Foto: dpa)

Ein Dach von PVC reinigen, einen verletzten Arbeiter wegtragen, 24-Stunden-Schichten: Nicht das Richtige für Menschen jenseits der 60, denen es im Kreuz zwickt. Doch wenn die Mitarbeiter der Werkfeuerwehren frühzeitig in Rente gehen, erwarten sie herbe finanzielle Einbußen.

Von Detlef Esslinger

Neulich, in einer Talkshow zum Wahlkampf: Manuela Schwesig, die stellvertretende SPD-Vorsitzende, wurde auf die Rente mit 67 angesprochen. Ihre Antwort: "Man kann uns zum Vorwurf machen, dass wir sie einfach eingeführt haben, ohne uns zu überlegen, ob das überhaupt funktioniert für die Menschen."

Wo funktioniert es nicht, zum Beispiel? Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) macht nun auf eine Gruppe aufmerksam, um die es in Talkshows nie geht; dafür ist sie zu klein und scheinbar zu unspektakulär. Aber für die 40.000 Beschäftigten der Werkfeuerwehren kommt die Rente mit 67 womöglich einem besonders unbarmherzigen Kürzungsprogramm gleich.

Franz Bachmeier, 55, ist Schichtführer bei der Werkfeuerwehr im Industriepark von Burgkirchen bei Altötting, wo unter anderem die Konzerne Linde und 3M Fabriken betreiben. Als Laie mag man denken: In deutschen Fabriken brennt es doch so gut wie nie, bei der Werkfeuerwehr hat man sicher einen ruhigen Job. Aber mal treten Gase aus, mal muss ein Dach von PVC gereinigt werden, damit nichts in den Kanal weht, mal muss ein Arbeiter geborgen und weggetragen werden. Und jede Schicht dauert 24 Stunden. Auf 2000 Einsätze kommt die Feuerwehr im Jahr.

Weil das alles anstrengend ist und auch gefährlich sein kann, muss jeder Feuerwehrmann über 50 jedes Jahr eine Leistungsprüfung ablegen. Mit dem Ergebnis, dass 90 Prozent der über 60-Jährigen durchfallen. Franz Bachmeier erklärt das so: "Sie können doch nicht von jemandem weggetragen werden, der's selber am Kreuz hat. Verstehen S'?"

Das Ministerium hält Ausnahmen für "keinen gangbaren Weg"

Das versteht man; sogar wenn man weder Arzt noch Gewerkschafter ist. Und die Frage lautet, ob dies so ein Punkt ist, an dem man den Schwesigs in der Politik zurufen müsste: Hättet ihr mal besser vorher nachgedacht! Die IG BCE hat die Interessen von Beschäftigten zu vertreten, und die müssen vielleicht zu dem Eindruck kommen, dass man ihre Probleme ignoriert. Denn im Fall der Werkfeuerwehrleute ist es so, dass man zwar mit 63 Jahren vorgezogen in Rente gehen kann - was jedoch deren Kürzung um mehr als 14 Prozent zur Folge hat.

Edeltraud Glänzer, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft, sagt: "Menschen, die unter besonders belastenden Bedingungen gearbeitet haben, dürfen dafür nicht auch noch bestraft werden." Sie fordert, die Teilrente schon vom 60. Lebensjahr an zu ermöglichen; das ist jenes Instrument, bei dem man vorab einen Teil der Rente bezieht, aber noch mehr als 450 Euro hinzuverdienen darf.

Soll man das tun? Im Bundesarbeitsministerium kennt man dies: dass mal die eine, mal die andere Gruppe vorträgt, warum die Rente mit 67 bei ihr ganz unmöglich sei. Deswegen hält man Ausnahmen für "keinen gangbaren Weg", wie ein Sprecher sagt. Eine Hoffnung ist immer, dass Ältere andere Jobs bekommen und so länger im Dienst bleiben können.

Die Realität im Industriepark aber ist, dass ein Ex-Feuerwehrmann zwar noch für die Pförtnerloge geeignet wäre. "Aber diese Jobs werden inzwischen von Personaldienstleistern erledigt", sagt der Schichtführer Bachmeier. Die Politik ignoriert die Probleme vielleicht nicht. Hier ist aber ein Beispiel dafür, dass niemand eine Antwort darauf hat.

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