Überwachung durch US-Geheimdienste:NSA hat Brasiliens Ölkonzern Petrobras im Visier

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Ölbohrplattform vor Brasiliens Küste: Ziel der NSA (Archivbild) (Foto: AFP)

Gegen Terrorismus und zukünftige Finanzkrisen? Interne NSA-Unterlagen zeigen, wie der Geheimdienst Daten von Konzernen abgreift. Betroffen ist der internationale Bankenverkehr und der brasilianische Ölkonzern Petrobras. Der US-Nachrichtendienst versucht, sich zu erklären.

Der US-Geheimdienst NSA hat Daten von Konzernen abgefischt sowie auf den Datenverkehr zwischen internationalen Banken zugegriffen. So befindet sich auf internen Geheimdienstunterlagen etwa das Telekommunikationsnetzwerk für den Interbanken-Austausch, besser bekannt als Swift, über das viele Finanztransaktionen weltweit abgewickelt werden. Auch Google und der staatliche brasilianische Ölkonzern Petrobras sind erwähnt.

Das berichtete der brasilianische TV-Sender Globo anhand von Dokumenten des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden. Der Sender berief sich auf NSA-Präsentationen vom Mai 2012, mit denen neue Agenten für das Ausspähen von Unternehmen geschult wurden.

Petrobras ist in einer Präsentation erwähnt, die Unternehmensnamen unter der Überschrift "Viele Ziele nutzen interne Netzwerke" listet. Die Präsentationen sind von der NSA als "streng geheim" gekennzeichnet. Auch das französische Außenministerium ist demnach ein Angriffsziel.

Interne Schulung: "Viele Ziele nutzen private Netzwerke". Mehrere Firmennamen hat die Globo-Redaktion unleserlich gemacht, um nach Angaben von Glenn Greenwald die Terrorismusbekämpfung nicht zu gefährden. (Foto: Globo)

Der nationale Geheimdienstdirektor der USA, James Clapper, räumte ein, dass die US-Geheimdienste Wirtschafts- und Finanzdaten sammelten. Dies ziele aber nur darauf ab, die Finanzierung von Terrorismus zu überwachen und Probleme vorherzusagen, die zu Finanzkrisen oder anderen schweren Verwerfungen am Markt führen könnten. Auch könnte diese Arbeit "Einblicke in die Wirtschaftspolitik" anderer Staaten liefern. Im August hatte ein NSA-Sprecher in einer E-Mail an die Washington Post notiert: "Die Agenten praktizieren ***keine*** Form der Wirtschaftsspionage."

Nicht nur bei Petrobras, auch in der brasilianischen Regierung traut man diesen Aussagen nicht. Der staatliche Konzern ist das größte Unternehmen des Landes. Petrobras ist Vorreiter in der Ölförderung unter dem Meeresboden, die Technologie wird weltweit eingesetzt. Dort sei Brasilien Marktführer, sagte Roberto Villa, der ehemalige Direktor von Petrobras, zu Globo. Der Konzern wisse, wo noch Ölvorräte liegen. "Wenn ein Konkurrent diese Informationen hat, ist er am Markt jetzt in einer viel besseren Postion als zuvor", sagte Villa.

Brasiliens Präsidentin fordert Entschuldigung

Die beteiligten Unternehmen waren auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters zunächst nicht zu erreichen oder lehnten Stellungnahmen ab. In einem Globo-Interview sagte der Enthüllungsjournalist und Snowden-Vertraute Glenn Greenwald, er verfüge über Dokumente, die "noch viel mehr Informationen über das Ausspähen von Unschuldigen enthalten, von Leuten, die nichts mit Terrorismus oder Wirtschaftsinformationen zu tun haben". Diese Dokumente müssten veröffentlicht werden. Greenwald lebt und arbeitet in Brasilien.

Erst vor einer Woche hatte Globo aufgedeckt, dass auch E-Mails und Telefonate der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff sowie von deren mexikanischem Amtskollegen Enrique Peña Nieto angezapft wurden. Brasilien hat deswegen eine Entschuldigung von US-Präsident Barack Obama gefordert. "Die Spionage eines demokratischen Landes ist nicht zu entschuldigen, ich sehe nicht wie das möglich sein soll", sagte Rousseff während des G20-Gipfels. Sie erwarte bis Mittwoch eine Entschuldigung von Obama. Darin solle er nun auch zur Spionage bei dem staatlichen Ölkonzern Stellung nehmen.

Piraten: Swift-Abkommen kündigen

Die NSA nennt auch die Datenautobahn der Finanzindustrie Swift in ihren Schulungsunterlagen als Ziel von Spionageattacken. Swift steht für "Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication". Der 1973 gegründete Verband sorgt dafür, dass Mitgliedsbanken rund um den Globus Geschäfte über ein einheitliches Telekommunikationsnetz machen können - über das Swift-Netz. Dazu zählen beispielsweise Überweisungen an ein ausländisches Institut.

An das Swift-Netz sind mehr als 10.000 Finanzinstitute in 212 Ländern angeschlossen. Sie tätigen jeden Tag mehrere Millionen Geschäfte. Dabei werde die Vertraulichkeit der geheimen Daten gewahrt, wirbt der Dienstleister. Er gehört seinen Nutzern und hat seinen Hauptsitz im belgischen La Hulpe südöstlich von Brüssel.

Das sogenannte Swift-Abkommen ist eine Vertrag zwischen den USA und der Europäischen Union, das im August 2010 nach langem Streit in Kraft getreten ist. Es schuf die Rechtsgrundlage dafür, dass US-Fahnder im Falle eines Terror-Verdachts Informationen über Überweisungen von Europäern ins nicht-europäische Ausland abfragen können. Übermittelt werden können die Namen von Auftraggebern und Empfängern einer Überweisung, die Kontonummern, Anschriften und nationalen Kenn-Nummern. Auch die Europäische Union kann auf diesem Wege Bankdaten in den USA anfordern.

Die Vorsitzende der Piratenpartei, Katharina Nocun, forderte nach dem Bekanntwerden der neuen NSA-Unterlagen Konsequenzen. "Das Swift-Abkommen muss sofort gekündigt werden und hätte nie unterschrieben werden dürfen", twitterte sie.

© Süddeutsche.de/Reuters/bero/laho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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