Bundestagswahl:Die Angst der CDU vor den Bayern

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Seehofer verspricht Kanzlerin Merkel ein gutes Ergebnis: "Die Bayern werden einen genauen Pass auf den Elfmeterpunkt spielen, den du, liebe Angela, dann nur noch verwandeln musst." (Foto: Getty Images)

Im Freistaat könnte die CSU mit Parteichef Seehofer zu alter Stärke zurückfinden. Kanzlerin Merkel macht sich trotzdem Sorgen wegen der Landtagswahl. Warum?

Von Robert Roßmann, Berlin

Die CSU hat sich seit den Zeiten Edmund Stoibers ja daran gewöhnt, die Welt in Fußball-Vergleichen erklärt zu bekommen. Horst Seehofer mag in vielerlei Hinsicht anders sein, die Liebe zum Ballsport zelebriert er aber fast genauso wie sein Vorgänger. Und so weiß die Welt inzwischen, dass Seehofer gerne Torwart gewesen wäre - und deshalb bis heute Hans Tilkowski verehrt.

Nun könnte das schon manches erklären: Torwarte gelten ja als besonders eigensinnig. Aber in diesem Fall geht es nicht um das Verhältnis des CSU-Chefs zu sich selbst, sondern um die Beziehung zwischen der bayerischen Landtagswahl und der Abstimmung im Bund.

Die Bayern würden einen "genauen Pass" auf den Elfmeterpunkt spielen, den "du, liebe Angela" dann "nur noch verwandeln musst" - so erklärte Seehofer der CDU-Chefin Ende Juni den Zusammenhang. Am 15. September würde die CSU ein tolles Ergebnis vorlegen - und damit der gesamten Union den Sieg bei der Bundestagswahl eine Woche später erleichtern.

Nun liegt die CSU in den Umfragen tatsächlich stabil bei 47 bis 48 Prozent. Angesichts der ständig wachsenden Konkurrenz sind das sensationelle Werte, alle Institute sagen den Christsozialen die absolute Mehrheit der Mandate voraus. Die Landtagswahl könnte für die Union also wirklich das Sprungbrett zum Erfolg im Bund sein. Doch wer sich in diesen Tagen in der CDU-Spitze umhört, begegnet vor allem Skepsis und Sorgen. Was ist da passiert?

"Die Bayern-Wahl wird uns Probleme bereiten, egal wie sie ausgeht", sagt ein Merkel-Stellvertreter. Falls die FDP in den Landtag komme, sei die absolute Mehrheit der CSU gefährdet. Wenn sie aber an der Fünf-Prozent-Hürde scheitere, würden viele CDU-Anhänger bei der Bundestagswahl der FDP mit Leihstimmen helfen. "Dann wird es eine Woche lang ein Trommelfeuer der Liberalen für die Zweitstimme geben", sagt ein anderer Merkel-Stellvertreter. Dass die Sorge der beiden CDU-Granden nicht unberechtigt ist, zeigt schon das neue Großplakat der FDP. Neben Rainer Brüderle prangt da die Aufforderung: "Zweitstimme FDP".

Auch die Erinnerung an Niedersachsen treibt vielen Christdemokraten noch immer den Angstschweiß auf die Stirn. Bei der Landtagswahl Anfang des Jahres verlor die CDU erdrutschartig Wähler an die FDP. Das Treffen Helmut Kohls mit Brüderle und FDP-Chef Philipp Rösler am Wochenende - samt großflächiger Berichterstattung in der Bild-Zeitung - löste im Adenauer-Haus deshalb nicht gerade Begeisterung aus.

Wenn sich die Union eines Sieges von Schwarz-Gelb bei der Bundestagswahl sicher wäre, könnte sie eine Verschiebung innerhalb des bürgerlichen Lagers ja noch einigermaßen verschmerzen. Aber in Berlin kann es auch zu einer großen Koalition kommen - dann braucht die Union jeden Prozentpunkt Abstand zur SPD.

Den CDU-Strategen macht aber nicht nur das mögliche Abschneiden der bayerischen FDP Sorgen. Auch das CSU-Ergebnis kann der Union schaden. Sollten Seehofer und die Seinen die absolute Mehrheit doch nicht schaffen, würde dies angesichts der glänzenden Umfragen als Niederlage wahrgenommen. Statt eines Schubs für den Bund gäbe es also einen Dämpfer.

Aber auch eine Rückkehr der CSU zur alten Stärke würde der CDU nicht nur Freude bereiten. Zum einen könnte der CSU-Sieg die Unionswähler weiter in dem falschen Glauben lassen, die Wiederwahl Merkels sei praktisch schon entschieden. Die Auguren aus Allensbach warnen ja bereits, die CDU-Anhänger drohten "einzuschlafen". Beim Auftakt der Union zur heißen Wahlkampfphase am Sonntag blieben jede Menge Plätze leer. Dabei hatte die Parteispitze eindringlich an alle Landesverbände appelliert, Anhänger nach Düsseldorf zu schaffen.

Bei einer absoluten Mehrheit für die CSU stünden aber auch der CDU selbst ungemütliche Zeiten bevor. Sollte Schwarz-Gelb im Bund weiterregieren, würden sich die Gewichte in der Koalition dramatisch verschieben. Die FDP hatte 2009 fast 15 Prozent geholt - diesmal kann sie froh sein, wenn sie die Fünf-Prozent-Hürde überspringt. Seehofer wäre dagegen stark wie nie. Die Zeit des "schnurrenden Katers" wäre vorbei. Wie ungemütlich Seehofer werden kann, hat er ja bereits im Streit um das Betreuungsgeld bewiesen.

Falls Volker Bouffier in Hessen abgewählt würde, wäre Seehofer sogar der letzte Unionsministerpräsident in Westdeutschland - abgesehen von Annegret Kramp-Karrenbauer im winzigen Saarland. Der Bayer würde seine neue Stärke neben einer erlahmten CDU und einer gerupften FDP zu nutzen wissen. Koalitionsverhandlungen dürften für die beiden Parteien entsprechend ungemütlich werden.

Und so weisen manche in der CDU schon mal vorsorglich auf ein paar Zahlen hin. In Nordrhein-Westfalen stehe die CDU jetzt bei 41 Prozent, sagt ein Präsidiumsmitglied. Selbst wenn die CSU bei der Bundestagswahl in Bayern 50 Prozent hole, würde NRW wegen seiner Größe der Union mehr Stimmen einbringen. Die CSU sei also gar nicht so einzigartig, wie sie gerne glaube. Das mag stimmen. Allerdings wird sich Horst Seehofer von derlei Rechenspielen in seinem Machtanspruch nicht bremsen lassen. Wenn die CSU in Bayern die absolute Mehrheit holt, wird er sich wieder auf Augenhöhe mit Angela Merkel sehen - mit allen Konsequenzen für die CDU.

© SZ vom 11.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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