Neuer IOC-Chef Thomas Bach:Der Schattenkämpfer muss sein Visier öffnen

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Der neue IOC-Chef Thomas Bach (Foto: Getty Images)

Nur keine Trefferfläche bieten: Das ist die Fechter-Taktik, mit der Thomas Bach sich ins Amt des Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees gekämpft hat. Doch welches Programm verfolgt er? Das war bislang kaum ersichtlich. Spätestens bis zu den Winterspielen in Sotschi wird er wichtige Fragen beantworten müssen.

Ein Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Das IOC hat einen neuen Präsidenten. Aber es hat damit kein neues Programm, keine frische Vision. Es hat bisher nur dieses rätselhafte Motto, mit dem Thomas Bach zur Wahl antrat: "Einheit durch Vielfalt". Was er will, was er plant, hat er nie öffentlich präzisiert.

Nur keine Trefferfläche anbieten, das ist eine Taktik, die man als Fechter lernt - eine Taktik, mit der Bach bereits 1976 zum Olympiasieg gelangte und die ihn nun, fast vier Jahrzehnte später, ein zweites Mal auf globaler Wettkampffläche triumphieren ließ. Deutschland hatte einen Papst im Vatikan, jetzt hat Deutschland einen Weltsportchef in Lausanne - aber was hat Deutschland davon?

Thomas Bach war bislang selbst hierzulande kaum zu greifen, nicht als Fechter, nicht als Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), dem er seit 2006 vorsteht. Bach hat sich öffentlich nie verwahrt gegen den Vorwurf, ein Netzwerker zu sein. In den Zirkeln des Sports wählt bekanntlich auch nicht das Volk, es wählt wie jetzt in Buenos Aires nur eine Hundertschaft. Ein überschaubarer, elitärer Kreis der Weltgemeinschaft, in dem sich Mehrheiten in aller Stille organisieren lassen.

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Medien in Europa kommentieren die Wahl von Thomas Bach zum Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees. Überrascht ist niemand, viele verweisen auf seine ersten Prüfungen durch die Probleme in Sotschi. Doch es gibt auch Zweifel, ob der Netzwerker Bach der richtige Mann ist.

Doch nun wird der ewige Schattenkämpfer Bach sein Visier öffnen müssen. Fortan stellt er sich dem globalen Urteil. Seine Präsidentschaft birgt Herausforderungen wie Gefahren, er muss den Besitz des IOC, die Olympischen Spiele, nicht nur vor Doping oder Wettmanipulation schützen. Sondern auch vor nationaler Vereinnahmung, und da wartet bereits bei den Winterspielen im Februar in Sotschi die erste Prüfung.

Zum einen werden dort Proteste gegen das russische Anti-Homosexuellen-Gesetz erwartet, was Einfluss haben könnte auf die Spendierfreude der Olympia-Sponsoren, die sich gerne sonnen im Glanz von Werten wie Toleranz und Fairness. Zum anderen erklärte soeben das IOC-Mitglied Gian-Franco Kasper, dass er dort "Spiele ohne Herz" erwartet. Der Schweizer Kasper ist nicht irgendwer, er ist Präsident des Welt-Ski-Verbandes, dessen Wettbewerbe im Zentrum von Sotschi stehen werden.

Kaspers Befürchtung ist ein weiteres Indiz dafür, in welch innerer Zerrissenheit das IOC den Wechsel von dem im Amt ermüdeten Jacques Rogge zu Thomas Bach begleitet. Die IOC-Wahl mit sechs Kandidaten, also auch fünf Enttäuschten, wird zu weiteren Reibungsverlusten führen.

Als Visionär ist Bach bislang nicht aufgefallen, die stärkste sportpolitische Auffälligkeit hierzulande war sein Votum gegen ein Anti-Doping-Gesetz, obwohl es viele Athleten fordern. Dem IOC aber scheint das Ihr-kennt-mich-also-wählt-mich-Programm des Deutschen genug zu sein. Dort vertraut man auf sein Talent als Moderator, ausgebildet über Jahrzehnte in den Fluren des Weltsports. Bach ist ein Mann aus der affärenreichen Vergangenheit des IOC, spannend wird, welche Zukunft es mit ihm hat. Ob seinem Motto "Einheit durch Vielfalt" der Inhalt nachgeliefert wird. Vermutlich kalkuliert Bach auch jetzt wieder wie einst als Athlet: Dort, wo die Erwartungen niedrig sind, kann man eher überraschen.

© SZ vom 11.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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