Einstellung der "Landser"-Hefte:Wie es niemals war

Hitler, die deutschen Kriegsverbrechen und der Holocaust kamen im "Landser" so gut wie gar nicht vor. Das Groschenheft lieferte der Nachkriegsgesellschaft stattdessen Geschichten von tapferen Soldaten in ehrenvollen Schlachten. Nun stellt der Bauer-Verlag das Blatt ein - zugrunde gegangen ist es an sich selbst.

Von Joachim Käppner

Die meisten Deutschen werden sich über die Nachricht gewundert haben, dass der Bauer Verlag die Heftreihe Der Landser einstellt: So etwas gibt es noch? Seit 1957 war sie der Inbegriff verherrlichender Trivialliteratur zum Zweiten Weltkrieg und deren erfolgreichster Titel. Als das Simon Wiesenthal Center jetzt das Verbot der Reihe forderte, stellte der Verlag es lieber ein. Der Rufschaden hätte wohl in keinem Verhältnis zu den Erträgen gestanden.

Als Landser bezeichnete die Wehrmacht umgangssprachlich die deutschen Frontsoldaten (und es hat lange gedauert, der Bundeswehr den Gebrauch des Wortes auszutreiben). Anders als manche glaubten, war Der Landser kein Naziblättchen, das Hitler angebetet, seine Verbrechen rechtfertigt oder den Holocaust geleugnet hätte. Hitler, die deutschen Verbrechen und der Holocaust kamen im Landser nämlich so gut wie nicht vor.

In den Erzählungen von Jagdflieger-Assen, Stalingrad-Kämpfern oder tapferen Verteidigern des Oderbruchs fehlt diese Welt der Schrecken, als habe sie in einem anderen Universum stattgefunden, ohne Wissen oder gar Beteiligung des deutschen Soldaten. In Einzelfällen darf dieser gar seine Verachtung des braunen Bonzentums äußern, aber nur ganz leise.

Die Heftchen schilderten den Krieg, wie ihn die Vergesslicheren unter seinen Teilnehmern gern gehabt hätten: Hier tun ehrbare Männer ihre Pflicht, vollbringen große Leistungen, verteidigen die Heimat; der Krieg ist hart und grausam, gewiss, der Soldat aber im Grunde nicht anders als zu Zeiten Friedrichs des Großen und seiner prächtig geschmückten Husaren. Wer ihn begonnen hatte und wofür - Stille. Erst recht war nicht die Rede von jenen vielen Einheiten der Wehrmacht, die aktiv an diesen Morden beteiligt waren, etwa an Juden bei der angeblichen Partisanenbekämpfung in der Sowjetunion.

Wie Nierentisch und VW Käfer

Titel wie "Kampf bis zur letzten Stunde" - über das "Schicksal des schweren Kreuzers ,Lützow'" - erscheinen heute bizarr. Aber lange gehörte Der Landser zur Alltagskultur der Nachkriegsgesellschaft wie Nierentisch und VW Käfer. In seinen besten Zeiten hatte er eine monatliche Auflage von einer halben Million Exemplare; sie lagen in deutschen Wohnzimmern neben Zeitung und Fernsehprogramm.

Viele frühere Soldaten drückten ihren Söhnen irgendwann ein Heftchen in die Hand: Schau Junge, so ist es damals gewesen. Genauso stand es ja auch im dünnen Groschenroman selbst, der einen seiner Ritterkreuzträger einmal sagen lässt: "Wenn wir hier jemals herauskommen, dann sollen diejenigen, die nach uns kommen, wissen, wie es in Wirklichkeit war." Wir waren Helden: der selbstgerechte Versuch einer Antwort auf die Vorwürfe, welche die Jungen der Kriegsgeneration machten: Was habt ihr gewusst? Was habt ihr getan? Warum habt ihr euch dafür hergegeben?

Ein Verbot wäre zu viel Ehre gewesen

Im Landser fand sich darauf niemals eine Antwort. Er gab sich indessen pseudodokumentarisch und behauptete gar, vor den Gräulen des Krieges warnen zu wollen, die er jahrzehntelang beschönigte. So blieb er Balsam für jene, die über die deutsche "Kollektivschuld" lamentieren, unabhängig davon, dass diese kaum jemand ernsthaft behauptete. Schuld ist immer eine individuelle Frage. Aber die Unschuld ist es auch. Wenn man so will, so predigte Der Landser unausgesprochen die These der Kollektivunschuld, der sauberen Wehrmacht, gern gelesen von der schwindenden Zahl derer, die nichts gesehen und nur ihre "Pflicht getan" haben wollten, was immer sie darunter verstanden.

Ein kritischer Autor sprach einmal von einer "Einstiegsdroge für Neonazis", freilich hüteten sich die Autoren, die nicht selten aus einem rechtsextremen Umfeld kamen, strafbare NS-Propaganda zu verbreiten. Am nächsten kamen ihr die Hefte, wenn sie Kriegstaten der Waffen-SS schilderten, auch solcher Verbände, die als Killertruppe bekannt waren.

In der Regel dominierten zwei Erzählstränge: Der erste schilderte den Krieg als ehrenvolles Duell, etwa die Luftschlacht um England, als ritterlichen Zweikampf gesinnungsadeliger Vettern. Damals aber, im Sommer 1940, stand das Überleben der freien Welt auf dem Spiel, und der knappe Sieg der Royal Air Force war der Anfang vom Ende des Nazitums. Der zweite Strang verklärt Heldentum in Abwehrkämpfen gegen weit überlegene Gegner: sowjetische Panzermassen, alliierte Bomberflotten.

Eine eigene Heftreihe widmete sich etwa "Fliegergeschichten" und rühmte gern bekannte Jagdflieger mit vielen Abschüssen. Die Luftwaffe, hoch über den Massengräbern, schien sich als Idealform der sauberen Wehrmacht anzubieten, sieht man von der Kleinigkeit ab, dass die Deutschen die Ersten waren, die in Polen, Holland, England und Russland ganze Städte durch Bomben "ausradierten", wie Hitler es nannte. Das gefälschte Geschichtsbild vom guten Deutschen verhöhnte nicht nur die NS-Opfer, deren Martyrium mit dem Einmarsch der Wehrmacht begonnen hatte, ob diese die Verbrechen nun selbst beging oder SS und Gestapo überließ. Es verspottet, welche Ironie, sogar die wirklichen Soldaten.

Blödsinn ist keine Straftat

1944 etwa warf die Luftwaffe Tausende kaum ausgebildeter jungen Piloten, noch halbe Kinder, den Hunderten "Fliegender Festungen" entgegen, die täglich das Reich bombardierten. Fast alle dieser Jungen starben, ohne etwas erreicht zu haben. Ihre Feinde, die alliierten Jagdpiloten, waren besser trainiert, besser ausgerüstet und kämpften für die bessere Sache. Dass der Kampf, den Hitlers Generäle wider besseres Wissen bis zuletzt fortsetzten, Millionen sinnloser Opfer gekostet hat, dass die Wehrmacht Zehntausende ihrer eigenen Soldaten ermorden ließ, weil sie nicht kämpfen wollten oder desertierten: kein Thema für den Landser.

Es hat über die Jahre nicht an vergeblichen Versuchen gemangelt, gegen den Landser rechtlich vorzugehen und ihn wenigstens auf den Index jugendgefährdender Schriften zu setzen. Man konnte sich angesichts des Beschuldigten an Friedrich Torbergs Erzählung erinnert fühlen, in der ein Anwalt den Vorsitzenden um Hilfe anruft: "Mein Klient verblödet mir unter der Hand!" Aber Blödsinn ist keine Straftat. Die gescheiterten juristischen Schritte halfen dem Heft nur, den Mythos zu verbreiten, man lasse sich nicht verbieten, zu sagen, "wie es war". Wahrscheinlich wären neue Prüfungen auf Strafbarkeit kaum anders ausgefallen. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit hat auch den Landser geschützt, und eine starke Demokratie kann den Krieg im Groschenheft ertragen.

Der Landser ist jetzt an sich selbst zugrunde gegangen, den Staatsanwalt hat es nicht dafür gebraucht. Wenige wollten die Hefte noch lesen, die Auflage war drastisch eingebrochen. Ihre Zeit war vorbei. Ein Verbot wäre zu viel der Ehre gewesen.

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