Karriereende von David Odonkor:Held für einen Sommer

David Odonkor

David Odonkor: Kurzer Traum im Nationaltrikot

(Foto: AFP)

Ein Sprint und eine Flanke bei der Weltmeisterschaft 2006 machten David Odonkor berühmt. In den Jahren danach litt er immer wieder an Knieproblemen, nun hat der einst schnellste Flügelflitzer Deutschlands seine Karriere beendet. Dem Fußball-Geschäft bleibt er aber treu.

Von Victor Fritzen

Es war diese Schnelligkeit, diese eine Bewegung, die ihn als Heranwachsenden bei der JSG Holsen-Ahle und beim Bünder SV schon ausgezeichnet hatte. Ein kurzer Schritt in die andere Richtung und dann mit Vollgas nach vorne. Niemand sollte ihn stoppen, niemand konnte ihn stoppen. Erst recht nicht die polnische Abwehr an jenem 14. Juni 2006 im Dortmunder Westfalenstadion.

In der ersten Minute der Nachspielzeit, es stand noch 0:0, hebelte Bernd Schneider den Ball auf David Odonkor. Der damals 22-Jährige lief rechts in den Strafraum und zwirbelte den Ball auf Oliver Neuville, der in der Mitte den Ball zum 1:0 ins Tor grätschte. Einige sagen, es habe bei der WM 2006 keinen schöneren Moment gegeben. Spätestens seitdem war David Odonkor der Inbegriff des Flügelflitzers.

Einen solchen Moment wird es nicht mehr geben. David Odonkor hat sich entschieden, seine Karriere zu beenden - mit 29 Jahren. Sein Knie ist lange schon malad. Diagnose: schwerer Knorpelschaden. "Die Gesundheit geht vor. Ich möchte meine Tochter später nicht am Stock oder humpelnd von der Schule abholen", sagt er.

Es ist das Ende einer kurzen Karriere, die am 15. Mai 2006 so richtig Fahrt aufgenommen hatte. Der 15. Mai 2006 war der Tag, an dem der damalige Bundestrainer Jürgen Klinsmann bei Odonkor, der damals bei Borussia Dortmund unter Vertrag stand, anrief und ihm mitteilte, er solle sich in den kommenden Wochen mal lieber nichts vornehmen. Er stehe im deutschen Kader für die Heim-WM. Odonkor wusste zunächst nicht, wie ihm geschah.

Sein Trumpf war seine Schnelligkeit. 100 Meter unter elf Sekunden, das konnten nur wenige. Die Linie hoch, die Linie runter. 1998 entdeckten die Dortmunder Scouts den 14-Jährigen in Bünde. B-Junioren, A-Junioren, Amateure - je größer seine Bühnen wurden, desto nebensächlicher wurde anderes. Eine Ausbildung zum Briefträger brach Odonkor 2002 ab. Im gleichen Jahr war er Mitglied des Meisterkaders der Borussia, er spielte aber nur zwei Mal. Danach entwickelte sich David Odonkor zum Stammspieler.

Die Schnelligkeit ist gewichen

Die WM-Nominierung 2006 war ein Höhepunkt, der Berufene schwärmte in Superlativen - doch auf der großen Bühne konnte Odonkor sich nicht halten. Nach der WM wechselte er vom BVB nach Spanien, und wer mag, kann sagen: Seitdem ging es stetig bergab. "Natürlich war 2006 das Highlight in meiner Karriere. Aber ich habe auch andere gute Spiele für Dortmund und Betis Sevilla gemacht, das sollte man nie vergessen. Ich bin froh, dass ich all diese Wege gegangen bin": So sieht Odonkor das selbst.

Nach dem Transfer zu Betis Sevilla verschwand er mehr und mehr aus dem kollektiven Bewusstsein. Auch wenn die sportlichen Leistungen immer wieder gestimmt haben mögen: In Spanien wurde Odonkor nie heimisch. Die Knieprobleme begannen. Fünf Jahre blieb Odonkor im Süden, fünf Mal wurde er am Knie operiert. Der letzte größere Eingriff in Sevilla war fatal, das Knie entzündete sich.

Odonkor verließ Spanien. Aber einen Verein fand er zunächst nicht. Die Glasgow Rangers zeigten Interesse, mehr aber auch nicht. Odonkor sei nicht fit genug, hieß es. Anschließend absolvierte der Flügelflitzer Gastspiele bei Alemannia Aachen, mit denen er aus der zweiten Liga abstieg, und beim FC Hoverla-Zakarpattya Uschhorod in der Ukraine. Anfang dieses Jahres sandte Odonkor von dort einen Hilferuf: "Ich muss hier so schnell wie möglich weg! Ich will zurück nach Deutschland."

Nun ist er zurück in der Heimat, in Halle/Westfalen, Ortsteil Künsebeck. Hier fühlt er sich wohl. Hier hat er sich Gedanken über seine Zukunft gemacht. Hier ist seine Entscheidung gereift, die Karriere zu beenden. David Odonkor wirkt, als habe er mit dem, was hinter ihm liegt, abgeschlossen: "Ich denke, dass ich alles richtig gemacht habe. Es bringt einfach nichts, mit Schmerzen noch weiter zu spielen."

Und nun? Am Mittwochabend spielt der SC Verl aus der Regionalliga West in der zweiten Westfalenpokal-Runde beim SuS Langscheid/Enkhausen. Bei der Partie wird David Odonkor auf der Verler Bank sitzen. Nicht als Ersatzspieler, sondern als Trainer. Der einstige Offensivspieler will den B-Trainer-Schein erwerben und hospitiert dafür bei dem Viertligisten aus dem Kreis Gütersloh. Dessen Trainer Andreas Golombek ist bisher ziemlich angetan: "David bringt viel Erfahrung mit und weiß, was er machen muss und wie er mit den Spielern sprechen muss." Er sei ein "überragender Typ, wir verstehen uns gut. Er ist aber hier, um etwas zu lernen".

Im Training darf Odonkor ab und an noch mitkicken. Gerne würde er den Ball öfter und fester treten, aber das geht nicht mehr. Statt loszusprinten gibt Odonkor jetzt Tipps und Kommandos, mindestens noch bis zum 30. September. Wie es danach weitergeht? "Ich will auf jeden Fall den Fußballlehrer machen", sagt Odonkor.

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