Zukunft der AfD:Wie man die Unzufriedenen an sich bindet

File photo of Alternative fuer Deutschland leader Lucke

Die Bundestagswahl war erst der Anfang - die AfD rüstet sich für die Europawahl und die Landtagswahlen im nächsten Jahr. Diese blauen Männchen werden wohl genauso wie Bernd Lucke auch nächstes Jahr unterwegs sein.

(Foto: REUTERS)

Eine reine Anti-Partei will die Alternative für Deutschland nicht sein - dabei hat sie bei der Bundestagswahl besonders stark von Protestwählern profitiert. Wollen die Eurokritiker nicht demnächst in der Bedeutungslosigkeit verschwinden, müssen sie versuchen, ihre Anhänger dauerhaft zu halten. Doch wie kann das gelingen?

Von Antonie Rietzschel, Berlin

Fünfzehn Jahre hat es bei den Grünen gedauert. Die Linke ist noch immer nicht soweit. Andere Gruppierungen wie die Schill-Partei aus Hamburg sind daran gescheitert. Der Sprung von einer Protestgruppierung zur etablierten Partei ist schwer. "Die Zukunft einer Protestpartei entscheidet sich in der Langfristigkeit", sagt der Politikwissenschaftler Oskar Gabriel.

In den kommenden Jahren wird sich zeigen, welches Schicksal der Alternative für Deutschland (AfD) beschieden ist. Bei der Bundestagswahl schaffte sie auf Anhieb mehr als vier Prozent - nur sechs Monate nach ihrer Gründung. Mehr als 67 Prozent der AfD-Wähler gaben an, die Eurokritiker aus Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien gewählt zu haben. Die Frage ist nun, ob die eurokritische Partei diese Protestwähler an sich binden kann, oder ob sie einfach weiterziehen, so wie sie es zuletzt bei den Piraten aber auch den Linken getan haben. Letztere verlor bei der Bundestagswahl immerhin 340.000 Stimmen an die AfD.

Bei den Europa- und Landtagswahlen im kommenden Jahr will die AfD zeigen, dass ihr Achtungserfolg keine einmalige Angelegenheit ist. Besonders gute Chancen werden ihr bei der Europawahl im Mai eingeräumt, denn dort gilt nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nur eine Drei-Prozent-Hürde.

Die eurospektischen Positionen der AfD versprechen auch 2014 eine Zielgruppe zu finden, denn die Euro-Krise ist ein Thema, das die Politik voraussichtlich noch über Jahre hinweg beschäftigen wird. Trotzdem: wird der Partei dieses Themenfeld offenbar jetzt schon zu eng: "Wir werden uns programmatisch breiter aufstellen", sagt AfD-Sprecherin Frauke Petry gegenüber Süddeutsche.de. So wolle man Positionen in der Gesundheits-und Sozialpolitik erarbeiten. Aber auch das Thema Energie sei wichtig.

Gleichzeitig will die Partei ihre Strukturen mithilfe der ihr nun zustehenden Parteienfinanzierung verbessern. Die Geschäftsstellen in den Landesverbänden sollen ausgebaut werden und Kreisverbände entstehen - vor allem im Osten. Hier hat die AfD die meisten Stimmen erhalten, hier will sie 2014 bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen punkten. "Wir werden uns natürlich mit landespolitischen Themen auseinandersetzen, die derzeit wichtig sind", sagt Petry.

"Protestwähler können geduldig sein"

Dazu muss die AfD einen Schritt zurück machen. Sie war von Anfang an als Bundespartei angelegt und muss sich nun erst einmal als lokal ernstzunehmende Organisation beweisen. Ganz anders als die Protestparteien vor ihr: Die Grünen entstanden aus Wahlbündnissen und sozialen Bewegungen, die in den Siebzigerjahren zu Kommunal- und Landtagswahlen antraten. Die Linken waren als ehemalige PDS lange vor allem eine Ostpartei, bis nach den Protesten gegen die Agenda-Politik der Regierung Schröder die Westausdehnung gelang. Eine Partei wie die Schill-Partei schaffte es dagegen nie, sich außerhalb von Hamburg zu etablieren - und verschwand nach wenigen Jahren wieder.

"Ich traue der Partei auf Landesebene nicht allzu viel zu", hat Linken-Fraktionschef Gregor Gysi Anfang der Woche auf einer Pressekonferenz über die AfD gesagt. Deswegen müsse sich die Linke keine großen Gedanken über einen zukünftigen Konkurrenten machen. Doch der Politikwissenschaftler Oskar Gabriel warnt davor, die AfD zu unterschätzen. "Bei Landtagswahlen neigen die Menschen eher dazu zu experimentieren. Die wählen dann eine Partei, der sie während einer Bundestagswahl womöglich nicht ihre Stimme gegeben hätten."

Auch das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen im Bund kann entscheidend für die Stimmabgabe sein. CDU und SPD unterscheiden sich in Fragen zum Euro - zumindest äußerlich - kaum. Die Sozialdemokraten haben während ihrer Zeit in der Opposition jedes Rettungspaket der Regierung abgesegnet. Sollte es also zu einer großen Koalition kommen, könnten sich besonders die euroskeptischen Wähler für die AfD entscheiden, um einen Gegenpol zu setzen.

Doch kann eine Dagegen-Partei auf Dauer bestehen? "Protestwähler können durchaus geduldig sein", sagt Politikwissenschaftler Gabriel. Das habe man bei den Grünen beobachten können. Wie schnell es auf der anderen Seite mit der Geduld wieder vorbei sein kann, zeigte sich bei den Piraten. Sie traten 2009 mit dem Anspruch an, einen anderen Politikstil zu verfolgen und verloren sich schließlich im parteiinternen Streit. Damit vermittelten sie den Protestwählern, auch nicht anders zu sein als alle anderen Parteien. Ähnlich verhält es sich bei der Linken, die den etablierten Parteien durch ihre Personalquerelen immer mehr zu gleichen scheint.

Die AfD sieht sich selbst übrigens keinesfalls als Protestpartei. "Wir wollen nicht die reine Frontalopposition sein", sagt Sprecherin Frauke Petry. Und Gründungsmitglied Bernd Lucke hat die AfD nach der Bundestagswahl bereits zur "Volkspartei" ausgerufen. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: