Klimaabkommen:Wenn sich das Wissen vom Tun entkoppelt

Pinguine

Die Weltgemeinschaft ringt um ein Klimaabkommen, damit viele Tierarten überleben können.

(Foto: dpa)

US-Präsident Obama tut sich inzwischen leichter mit dem Klimaschutz und erlässt strenge Auflagen für Kohlekraftwerke. Und selbst China probiert den Emmissionshandel aus. Die Welt wartet jetzt auf Paris 2015, wo ein neues Abkommen gelingen soll. Doch ausgerechnet der einstige Vorreiter Europa schwächelt.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Natürlich zählte Christiana Figueres zu den Ersten, die etwas loswerden wollten. "Um die Menschheit aus der Gefahrenzone zu halten", kabelte Figueres gleich aus Bonn, "müssen die Regierungen unmittelbar etwas für das Klima tun und 2015 ein Abkommen schaffen." Schneller, besser müsse die Antwort der Weltgemeinschaft auf den Klimawandel jetzt sein, forderte die Chefin des UN-Klimasekretariats in Bonn - eben jene Frau, die bis 2015 genau dieses Abkommen organisieren soll. Wenn die Staaten denn mitspielen.

Die Schlachtordnung ist vertraut. Auch beim letzten Weltklimabericht waren die Botschaften alarmierend, die politische Realität aber mau. Nach der Klimakonferenz 2006 in Nairobi waren die Staaten ohne greifbare Ergebnisse auseinandergegangen, namhafte Mächte hatten erfolgreich blockiert, allen voran die USA unter George W. Bush. Doch mit dem IPCC- Bericht änderte sich die Lage.

Im Februar 2007 erschien damals der erste Teil, er entwickelte eine ungeheure Dynamik. Angela Merkel schwang sich zur Klimakanzlerin auf, machte das Thema zum großen Streitpunkt beim G-8-Gipfel in Heiligendamm und ließ sich mit ihrem Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) vor grönländischem Packeis ablichten. Und im Dezember, beim Klimagipfel in Bali, fiel die US-Unterhändlerin Paula Dobriansky buchstäblich um. "Wir haben sorgfältig zugehört", so begann damals ihre Schlüsselrede - und am Ende hatten auch die USA eingewilligt, bis 2009 ein neues Abkommen auszuhandeln.

2009 jedoch endete im Fiasko von Kopenhagen. Kein Klimaabkommen, kaum Fortschritt. Jetzt wartet die Welt auf 2015. Bis dahin sollen 195 Staaten abermals Anlauf nehmen auf ein neues Klimaabkommen, den groben Fahrplan haben sie schon vereinbart, und auch der Schauplatz steht fest: Paris.

Doch bislang tut sich wenig in den Verhandlungen. "Bei keinem der großen Akteure haben wir den Eindruck, dass sie die Dringlichkeit in Handeln umsetzen" sagt Martin Kaiser, Klimaexperte von Greenpeace. Auf die nächste Klimakonferenz, die im November in Warschau stattfindet, richtet derzeit niemand große Erwartungen - was allerdings auch mit dem Gastgeber zusammenhängen könnte. Das Kohleland Polen gilt nicht gerade als Vorreiter.

Obama tut sich leichter mit dem Klimaschutz

So droht sich das Wissen zunehmend vom Tun zu entkoppeln. Der Weltklimarat präsentiert Ergebnisse, die valide sind wie nie - doch der große Aufbruch bleibt aus. Für Herbst 2014 will UN-Generalsekretär Ban Ki Moon Regierungschefs aus aller Welt zusammentrommeln, um rechtzeitig den Boden zu bereiten für die Konferenz in Paris Ende 2015. Nicht noch einmal sollen alle Streitfragen in einer Art High Noon am Schluss auf den Tisch kommen, wie einst in Kopenhagen. Die Frage ist nur: Wie konkret wollen die Staaten schon 2014 werden? Und wie ernst ist es ihnen damit?

Immerhin, etwas passiert. In den USA tut sich Präsident Barack Obama in seiner zweiten Amtszeit leichter mit dem Klimaschutz; und vorige Woche erließ seine Umweltbehörde Auflagen für Kohlekraftwerke, die Europas Vorschriften in den Schatten stellen. Allerdings fällt das den USA neuerdings auch leicht, seitdem sie Unmengen an Schiefergas fördern und damit ihre Emissionen senken: Gas verbrennt sauberer als Kohle.

Die wahren Klimaauswirkungen der umstrittenen Fracking-Technologie freilich sind noch umstritten. Und auch China engagiert sich zunehmend im Klimaschutz. In drei Provinzen wird derzeit ein Emissionshandel ausprobiert, der die Kohlendioxid-Emissionen begrenzt. China und die USA galten lange Zeit als Hauptbremser im Klimaschutz. Inzwischen träumen Experten von Klimaschutzkoalitionen etwa zwischen China und der EU, um den Rest der Welt auf Trab zu bringen.

Dumm nur, dass ausgerechnet die EU seit Jahren im Klimaschutz schwächelt. Die Europäer hatten als Erstes im großen Stil einen solchen Emissionshandel installiert; er legt Obergrenzen für Kohlendioxid-Emissionen fest und zwingt Kraftwerke und Fabriken, mit CO2-Zertifikaten zu handeln. Nur wer solche Zertifikate besitzt, darf Kohlendioxid ausstoßen. Über den Preis, so die Theorie, würden sich die Emissionen noch am besten in den Griff bekommen lassen. Vor allem aber wäre das System globalisierungsfähig: Auch andere Staaten könnten mitmachen, selbst China.

Nur regelt der Preis derzeit gar nichts, denn er ist im Keller. Ein riesiger Überschuss an Zertifikaten ließ ihn verfallen, und eine künstliche Verknappung scheiterte nicht zuletzt an der hinhaltenden Position der schwarz-gelben Bundesregierung. Entsprechend groß sind europaweit die Erwartungen an ein neues Regierungsbündnis. "Alle warten darauf, wie Merkel ihre Klimapolitik ohne FDP ausrichtet", sagt Greenpeace-Mann Kaiser. Deutschland war lange eine große Nummer in der Klimapolitik. Und könnte es wieder werden.

Bewegung gibt es. Eine neue Koalition, sagt Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), müsse "ehrgeizige Ziele vereinbaren", samt Extra-Kapitel im Koalitionsvertrag. Und vorher noch könnte sich die alte Regierung zudem in die Rettung des Emissionshandels einschalten. Auf die FDP muss sie ja keine Rücksicht mehr nehmen.

Ob das alles aber am Ende noch reichen wird? Zusehends rückt ein ganz neues Thema auf die Tagesordnungen der UN-Konferenzen, es nennt sich loss and damage. Verluste und Schäden, falls sich eben nichts tut. Irgendwer wird sie begleichen müssen.

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