Frauen in der NPD:Weiblich, selbstbewusst, rechtsextrem

Früher gab es für Frauen in der Neonazi-Szene nur eine Rolle: Freundin eines Kameraden zu sein. Heute lächeln sie von NPD-Plakaten und geben der Partei einen bürgerlichen Anstrich - sie stehen aber auch als Schlägerinnen vor Gericht.

Von Charlotte Theile, Laufach/Dortmund

Ein bescheidendes, braunes Haus in der Nähe von Aschaffenburg. "Familie Schüßler" steht auf dem Schild, doch klingeln ist gar nicht notwendig. Hinter einem mannshohen Holzzaun winkt eine Frau, Mitte 40, rote Haare, viel Lippenstift. Freundlich, ein bisschen nervös.

Es ist das erste Mal, dass Sigrid Schüßler, eine der prominentesten Politikerinnen der NPD in Süddeutschland, Journalisten in ihre Wohnung lässt. Schüßler öffnet die Tür. Sie trägt ein kurzes rotes Kleid, eine Haarspange, roten Nagellack. "Ich hab' mich aufgebrezelt", sagt sie mit einem Lachen, das etwas aufgesetzt wirkt. Dann führt sie durch die Wohnung: Kuscheltiere, Bücherregal, Klavier, Bio-Äpfel, Selbstgebasteltes. Auf der Heizung liegt die Deutsche Stimme, auf dem Boden die Kinderzeitschrift Tierfreund.

Sigrid Schüßler hat vier Töchter, die jüngste ist drei Jahre alt. Sie hat Literatur-, Kunst- und Theatergeschichte studiert, war Spitzenkandidatin für die NPD bei der Landtagswahl. Frauen wie sie sind für die rechtsextreme Bewegung wichtiger als je zuvor: Sie sind das Gesicht der bürgerlichen NPD von nebenan, bringen Kuchen mit zum Kindergartenfest, gründen Fahrgemeinschaften.

Im Garten von Familie Schüßler steht ein kaputtes Trampolin, die beiden jüngsten Töchter füllen Wasser in ein kleines Planschbecken. Sigrid Schüßler spricht so schnell, als hätte sich vieles bei ihr aufgestaut: "Das ist doch Wahnsinn, dass uns Normalität vorgeworfen wird! Man erkennt uns nicht mehr! Eine besonders perfide Unterwanderungsstrategie soll das ja sein . . .", sie ringt mit den Worten, "mir wurde konkret vorgeworfen, dass ich in geblümten Kleidern auftrete!"

Je ungefährlicher aussehend, desto besser

Mit Begeisterung in den Augen beschreibt Schüßler, wie die Menschen im Wahlkampf auf sie reagiert haben: ungläubiges Entsetzen, wenn der NPD-Bus durch die Straßen fuhr, Polizisten, Demonstranten. Und dann bei manchen Irritation: "Keine Baselballschläger, keine Springerstiefel, kein Blutschaum vorm Mund." Genau das habe man erreichen wollen.

Politikwissenschaftlerin Andrea Röpke forscht seit Jahren zu Frauen in der rechten Szene. Sie glaubt, dass ihre wachsende Bedeutung genau damit zusammenhängt: Je attraktiver und ungefährlicher die Frauen aussehen, desto besser. Röpke erinnert an die Urlaubsfotos von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Junge Leute beim Sport, in der Sonne, beim Campen. Nur mit Zschäpe konnten derart freundliche Bilder entstehen. Ohne sie wären es zwei schweigsame Männer mit kurz rasierten Haaren und Campingmobil: ein völlig anderer Eindruck.

Welche Rolle Zschäpe in der rechtsterroristischen Vereinigung NSU gespielt hat, wird derzeit vor Gericht geklärt, die Anklage lautet auf Mord. Obwohl Zschäpe wohl nie geschossen hat, gehen die Ermittler davon aus, dass sie für die Organisation der Zelle entscheidend war. Zschäpe selbst setzt auf die Rolle der Freundin, die von den Taten wenig Ahnung hatte.

Noch vor zwanzig Jahren gab es für Frauen in der rechten Szene nur genau diese eine Rolle: die Freundin eines Kameraden. Gleichzeitig stiegen viele Neonazis aus, wenn sie eine Partnerin fanden. Heute ist das anders. Claudia Luzar leitet die Opferberatungsstelle Back Up in Dortmund, wo es eine der größten und gewalttätigsten Skinhead-Szenen Westdeutschlands gibt. Sie sagt: "Frauen können heute viele Rollen in der Szene ausfüllen. Frauen organisieren im Hintergrund, andere sind vor allem die Freundin-von und es gibt einige, die sind aggressiv und gewalttätig."

Genauso Alkohol trinken, genauso zuschlagen wie die Männer

An einem Montag im September ist die Skinhead-Front Dortmund-Dorstfeld vor dem Landgericht der Stadt versammelt. Sie kommen aus einer Verhandlung, es geht um eine Sache aus dem Dezember 2010. Neonazis, den Aufnahmen der Sicherheitskamera nach sieben Männer und zwei Frauen, haben an einem Samstagabend die Hirsch-Q überfallen, eine linke Szenekneipe in Dortmund.

Die Angeklagten sind gut gelaunt. Sie glauben, dass ihnen nichts nachgewiesen werden kann, geben sich betont freundlich. "Pass auf, Charlotte, du stehst im Weg", ruft einer. Eine junge Frau, etwas pummelig, rot gefärbte Haare, geht zur Seite. Ihr Smartphone lässt sie dabei nicht aus den Augen. Der junge Mann nickt den Passanten, einem Ehepaar mit identischen Windjacken, freundlich zu. "Entschuldigung, jetzt ist frei." Das Pärchen schaut nicht gerade glücklich. Zögernd gehen sie vorbei. Der freundliche junge Mann trägt Glatze, Runen-Tätowierungen und ein T-Shirt. Darauf steht: "Brauner Stahlhelm. Helden für Deutschland."

Ein anderer hat eine Tätowierung auf dem linken Unterarm: "Bruder Schweige". Der rechte Arm steckt in einem Gips. Charlotte K., das pummelige Mädchen mit dem Smartphone, wirkt unauffällig. Den Schriftzug "Viking" auf ihrer Jacke erkennt man erst auf den zweiten Blick. Sie rempelt einen der Kleineren an, streicht ihm lachend über die Glatze. Er schaut zu ihr hoch, hebt eine Halbliterflasche Bier in die Luft. Die Stimmung ist ausgelassen.

Oben im Gericht hat bis vor ein paar Minuten ein Zeuge ausgesagt, ein Tontechniker, der an dem Tag des Überfalls seinen 39. Geburtstag feierte. Der Abend endete für ihn mit einem angebrochenen Nasenbein, je einem Messerstich in Schulter und Hüfte, Stiefelabdrücken im Gesicht. Er leidet an Schlafstörungen, meidet größere Gruppen, hat die Stadt gewechselt. Charlotte K. saß ihm in der Verhandlung direkt gegenüber, unbewegt. Nur als er von Ängsten sprach, die ihn bis heute heimsuchen, konnte sie sich das Grinsen nicht verkneifen. Die Männer um sie herum haben es erst gar nicht versucht.

Zwei neue Frauenbilder der Szene

Der Wortführer der Gruppe Sven K. hat vor einigen Jahren den Punker "Schmuddel" in einem Dortmunder U-Bahnhof erstochen. Er wurde nach Jugendstrafrecht verurteilt, ist wieder auf freiem Fuß und in der Skinhead-Front aktiv. Lange vor Beginn der Sitzung steht Sven K. auf dem Flur des Gerichts, begrüßt die Männer mit Handschlag. Die Frauen, zwei mit Chucks, schwarzen Haaren, Earplugs und Tattoos, zwei andere, Mädchen noch, mit goldbraun gefärbten Haaren und Kunstlederjacken, umarmt er. Als er Charlotte K. begrüßt, ist etwas anders: Als er ihr an den Hintern fasst, grabscht sie zurück.

Opferberaterin Luzar kennt Charlotte K. noch aus einem anderen Fall: "Da wurde eine schwarze Deutsche vor dem McDonald's brutal zusammengeschlagen. Von jungen Frauen, denen man ihre Gesinnung nicht ansieht." Dass Frauen genauso viel Alkohol trinken, genauso zuschlagen wie Männer: Auch das ist eine Entwicklung der vergangenen Jahre.

Die NPD-Politikerin Schüßler und Charlotte K. stehen für zwei neue Frauenbilder in der rechten Szene: die eine professionell und selbstbewusst, die andere auffällig, laut. Beide im Auftreten viel normaler als die schwarzgekleideten Skinheadfrauen, die man von Demonstrationen kennt oder die blonden Muttis mit Zöpfen und Schürze aus früheren NPD-Werbespots.

Sigrid Schüßler hat jahrelang als Schauspielerin gearbeitet, posiert jetzt für die Kamera in ihrem Garten, im Treppenhaus, vor dem Klavier im Wohnzimmer. Ihre Töchter schauen bewundernd zu: "Schöne Mama", sagt die ältere, ein sechsjähriges Mädchen mit Down-Syndrom. Obwohl Schüßler sagt, dass sie in der Nachbarschaft nicht missioniert, hängen auch dort die Plakate mit ihrem Gesicht. "Unwiderstehlich anders. NPD" steht darauf.

"Ich denke gesund und normal"

Ihre Auffassung von nationaler Weiblichkeit hat Schüßler in ein Konzept gepresst, "aggressive Fruchtbarkeit" genannt. Es hat mit kurzen Röcken, Lippenstift, positiver Sexualität und Gebärfreude zu tun. Damit, dass Frauen Aufmerksamkeit von Männern brauchen und sie sich offensiv einholen. Und mit dem Beruf Mutter, für den sich Frauen entscheiden sollten.

560.660 Menschen haben bei der Bundestagswahl NPD gewählt - andere rechtsextreme Parteien, darunter die Dortmunder Neugründung Die Rechte, konnten weitere Stimmen holen. Der deutsche Verfassungsschutz geht von 22.150 Personen aus, die zum "rechtsextremistischen Spektrum gehören". Etwa 20 bis 35 Prozent von ihnen sind weiblich. Etwas mehr als 7000 sind Mitglied einer Partei - oft sind es die älteren, ruhiger gewordenen Rechten. Menschen, die wie Schüßler peinlich genau darauf achten, keine Anglizismen zu verwenden und sich als friedliebende Patrioten inszenieren. In der Szene der Freien Kameradschaften, zu denen Charlotte K. gehört, ist es egal, ob jemand englischen Hip-Hop oder Heimatmusik mag. Schüßler dagegen spricht von Ökologie. Was sie nie sagt, ist "Umwelt". "Mitwelt" sei das korrekte deutsche Wort, der Mensch lebt ja mit der Natur.

Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen ist nicht viel mehr als eine Stilfrage. Auch Schüßler weiß, dass der Kampf, den sie auf den Podien kämpft, auf der Straße weitergeht. Es war eine Kollegin vom Ring Nationaler Frauen, die vor einigen Wochen die Proteste gegen das Asylbewerberheim im Berliner Bezirk Hellersdorf mit angestoßen hat. Schüßler befürwortet das, "zu hundert Prozent".

Sie sagt auch, was sie vom deutschen Umgang mit Konzentrationslagern hält, "hier wird unabhängige Forschung verboten", welche Frau für sie ein Vorbild ist, "Beate Uhse, die als Kampfpilotin geflogen ist und später sehr erfolgreich war" und wie sie in einem Staat, den sie ablehnt, an Fördergeld für Familienfreizeiten kommt.

"Früher hätte ich gesagt, ich denke national"

Nachmittagssonne fällt auf ihr Gesicht, Sigrid Schüßler lehnt sich gegen die Wand, schaut herausfordernd in die Kamera. Ihre jüngste Tochter rennt zu ihr. "Nein, Wenke, jetzt nicht!" Wenke klammert sich an sie. Schüßler sieht ein, dass sie erklären muss: "Wenke, du kannst nicht aufs Foto, das ist für die Zeitung. Und Papa schimpft, wenn du in der Feindpresse bist."

Falko Schüßler und Sigrid Schüßler sind seit einiger Zeit offiziell getrennt. Sie will wenig über ihn sprechen. Aber nicht nur deshalb. Falko Schüßler war Mitglied der 1994 verbotenen Wiking-Jugend, der Nachfolgeorganisation von Hitlerjugend und dem Bund Deutscher Mädel. Auch die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei, deren Bayern-Vorsitzender er war, wurde bald darauf verboten. Aus dieser Zeit stammen Ermittlungspapiere gegen ihn, illegaler Waffenbesitz, und Fotos von einer Demonstration in Aschaffenburg, die Schüßler mit Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe zeigen - zufällig, wie er beteuert.

Im Garten ist es kühler geworden. Die Mädchen jammern, sie haben Hunger, wissen nichts mit sich anzufangen. Sigrid Schüßler serviert noch einmal Leitungswasser, redet über das Theater, die linke Szene, die sie jahrelang voller Abneigung beobachtet hat, über Österreich, wo alles ein bisschen besser ist und ihren Lieblingssänger Hubert von Goisern. "Aber brenna tuats guat" singt sie. Und jetzt, wo ihr jemand zuhört, erzählt sie noch, wie sehr sie Schiller mag und wie gern sie als Hexe Ragna Kinderprogramm gemacht hat - bevor sie als rechtsextrem geoutet wurde und keine Aufträge mehr bekam. Fragen nach ihrem Mann beantwortet sie weniger gern. Eines sagt sie dann doch: "Er findet gut, was ich mache."

Sigrid Schüßler steht vor ihrem Haus, sucht nach einem Satz, der die letzten zwei Stunden auf den Punkt bringt. Schließlich sagt sie: "Früher hätte ich gesagt, ich denke national. Heute würde ich einfach sagen, ich denke gesund und normal." Sie winkt freundlich, dann ist die Tür zu.

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