Regierungskrise in Italien:Rebellion gegen Silvio Berlusconi

Enrico Letta Italien

Italiens Premier Enrico Letta (re.) erhält unverhoffte Unterstützung von PDL-Chef Angelino Alfano.

(Foto: REUTERS)

Kurz vor der Vertrauensfrage im Parlament ruft PDL-Chef Alfano seine Partei zum Votum für Premier Letta auf - und wendet sich damit gegen Berlusconi, den Gründer seiner Partei. Für Letta könnte die drohende Spaltung der PDL die Rettung bedeuten.

Von Andrea Bachstein, Rom

Wenige Stunden vor der Vertrauensabstimmung über die italienische Regierung hat Ministerpräsident Enrico Letta Unterstützung aus dem Lager des früheren Premiers Silvio Berlusconi bekommen: Der Generalsekretär von Berlusconis Volk der Freiheit (PDL), Angelino Alfano, rief am Dienstag "die gesamte Partei" dazu auf, an diesem Mittwoch für den Sozialdemokraten Letta zu stimmen und ihm das Vertrauen auszusprechen. Alfano setzte sich damit in direkten Widerspruch zu Berlusconi, der Neuwahlen durchsetzen will und zuvor seine fünf PDL-Minister zum Rücktritt aus der Koalitionsregierung gedrängt hatte. Im Abgeordnetenhaus hat Lettas PD die absolute Mehrheit, im Senat ist sie bisher jedoch auf die Stimmen der PDL angewiesen.

Berlusconi hatte am Montagabend einen 40-minütigen Monolog vor seiner Fraktion gehalten, ohne Fragen zuzulassen, um die Abgeordneten auf seine Linie einzuschwören. Stattdessen präsentierte sich die PDL am Dienstag jedoch völlig chaotisch. Bis in den späten Abend dauerten die Beratungen an - sowohl zwischen PDL und Berlusconi als auch zwischen PDL und dem Regierungschef sowie zwischen dem Ministerpräsidenten und dem Staatspräsidenten. Berlusconi hatte am Samstagabend im Alleingang über die Rücktritte der Minister entschieden, ohne Parteispitze oder Fraktionschefs zu konsultieren.

Daraufhin stand die PDL am Dienstag kurz vor der Spaltung: in einen gemäßigten Flügel, der angesichts der angespannten Wirtschaftslage den Sturz der Koalition und Neuwahlen für unverantwortlich hält, und einen radikalen Flügel. Dieser unterstützt Berlusconis Plan, seine alte Partei Forza Italia wieder zu gründen und mit ihr die PDL als politische Kraft abzulösen.

Vor allem die zum Rücktritt gedrängten Minister kritisieren Berlusconis Vorgehen. Ausschlaggebend für das Verhalten der Parlamentarier in der Vertrauensfrage könnte die Position des bisherigen Innenministers Angelino Alfano sein. Der PDL-Generalsekretär ist dafür, die Rücktritte zurückzunehmen. Er sagte am Dienstagabend: "Ich bleibe bei meiner festen Überzeugung, dass unsere ganze Partei morgen für Letta stimmen sollte." Nach italienischen Medienberichten soll der Regierungschef das Rücktrittsgesuch der fünf Minister nicht angenommen haben.

Alfano hatte zuletzt heftige Auseinandersetzungen mit Berlusconi, in der Vergangenheit war er aber in anderen Konflikten mit dem PDL-Gründer eingeknickt. Der zu den Falken zählende Ex-Kulturminister Sandro Bondi sagte dazu, ein Ja in der Vertrauensfrage hänge davon ab, was Berlusconi entscheide. PDL-Senator Carlo Giovanardi dagegen sagte: "Alfano hat die ausreichende Anzahl, um eine neue Fraktion zu bilden. Wir sind mehr als 40 und fest entschlossen, die Regierung im Gleichgewicht zu halten. Deshalb werden wir ihr das Vertrauen aussprechen." Im Senat liegt die absolute Mehrheit bei 161 Stimmen, ohne die PDL kann Letta auf 147 Senatoren zählen. Dazu kommen möglicherweise Abweichler der Fünf-Sterne-Bewegung.

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