"Schaum der Tage" im Kino:Zuckerbäckerei

Der Schaum der Tage, Kino, Audrey Tautou Romain Duris

Nebenfiguren in einer Wundertüten-Welt: Colin (Romain Duris) und seine große Liebe Chloé (Audrey Tautou) in "Der Schaum der Tage (L'Écume des jours)".

(Foto: StudioCanal)

Michel Gondry hat Boris Vians "Schaum der Tage" verfilmt: mit viel Tricktechnik und wundersamen Effekten. Leider lässt das die Figuren zu Nebenfiguren eines Ausstattungsfilms verkommen. Und Audrey Tautou ist als Chloé süß. Pappsüß.

Von Martina Knoben

Auch die Romantik hat ihre Mechanik. Die Wolke etwa, auf der Colin (Romain Duris) und Chloé (Audrey Tautou) in den Himmel der Liebe schweben, ist eine Plastikgondel mit Plexiglashaube wie von einem Kirmeskarussell, die von einem Kran in die Luft gezogen wird. Und die romantische Musik, die dann ertönt, hat ebenfalls der Mann im Kran aufgelegt, in seinem Cockpit befindet sich auch ein Plattenspieler.

Dieser Film ist für Erwachsene, die noch "Sendung mit der Maus" schauen, die wissen wollen, wie die Marmelade in den Krapfen kommt oder ein Stellwerk funktioniert. Michel Gondry ist nicht nur ein Kinozauberer mit überquellender Phantasie, sondern vor allem ein Bastler. Wenn er in seiner Verfilmung von Boris Vians "Der Schaum der Tage" so ungeniert hinter die Kulissen des Zaubers blickt und das Zusammengezimmerte und Gewerkelte offenbart, mag das der Romantik abträglich sein, gehört aber unbedingt zum Konzept.

1946 schrieb Vian seinen berühmtesten Roman, im Alter von nur 26 Jahren. Dass er nicht nur Schriftsteller, sondern auch Jazz-Musiker war - er spielte Trompete -, merkt man dem Buch an, den wie Improvisationen daherkommenden Einfällen, der so temperamentvollen wie zärtlichen Sprache. Für die berauschende Sprache Vians findet Gondry Entsprechungen in der Bilderwelt. Er reiht so viele, so originelle Einfälle aneinander, dass der Zuschauer kaum hinterherkommt mit dem Schauen und Staunen. Gondry, Autor zahlreicher Musikvideos (u.a. für Björk) und von Filmen wie "Vergiss mein nicht", "Anleitung zum Träumen" oder "Green Hornet", hat viele Ideen Vians eins zu eins in Bildsequenzen übersetzt, sie aber noch beschleunigt und mit der Erfahrung des Internets und seiner unendlichen Möglichkeiten und Verzweigungen angereichert. Die Welt des reichen Müßiggängers Colin, die uns vorgeführt wird, ist eine einzige Wundertüte.

So verwandelt sich etwa die Türklingel in Colins extravagantem Appartement über den Dächern von Paris in ein vielbeiniges Insekt, das jedes Mal auszureißen versucht, wenn es an der Tür läutet. Ein Aal fließt aus dem Wasserhahn und wird von Colins ziemlich bestem Freund und Koch (Omar Sy) im Nu zubereitet. Ein Apparat namens Pianococktail mixt phantastische Drinks, anhand der Noten, die auf ihm gespielt werden. So ließe sich von dem visuellen Reichtum des Films, der sich bei aller Tricktechnik einen charmanten Retro-Analog-Look bewahrt hat, immer und immerfort erzählen. Doch dann kommt die Liebe ins Spiel, die das einzige ist, das dem Lebemann Colin noch fehlt.

Er lernt Chloé kennen, verliebt sich und heiratet sie. "Auf der Route de Soleil wird gebaut", heißt es während der Fahrt in die Flitterwochen, "aber es müsste eine Regenbogen-Option geben." Sonne mit Regen . . . die bittersüße Liebesvariante. Auf der Hochzeitsreise atmet Chloé eine Schneeflocke ein, woraufhin eine Seerose in ihrer Lunge wächst. Chloé wird immer kränker, und Colin gibt bei dem Versuch, das Wachsen der Seerose zu hemmen, sein ganzes Geld aus, bis er gezwungen ist, zu arbeiten.

Psychologie war schon nicht die Stärke von Vians Roman - in Michel Gondrys Verfilmung sind die Figuren endgültig zu Nebenfiguren in seinem Ausstattungs- und Tricktechnik-Wunderland degradiert. Und weil Audrey Tautou als Chloé so pappsüß ist, dass sie mit einem Warnhinweis für Diabetiker versehen werden sollte, hat der verspielte Film endgültig die Anmutung von Zuckerbäckerei. Auch wenn Gondry das Pastellige dimmt, Colins Appartement schrumpft und Flechten die Fenster verdunkeln, bis der Film nur noch schwarz-weiß daherkommt, driften das am Ende tatsächlich recht bittere Original und Gondrys Verfilmung doch merklich auseinander.

L'Écume des jours, Regie: Michel Gondry. Buch: M. Gondry, Luc Bossi. Kamera: Christophe Beaucarne. Musik: Etienne Charry. Schnitt : Marie-Chrlotte Moreau. Mit: Romain Duris, Audrey Tautou, Gad Elmaleh, Omar Sy, Aïssa Maïga. Verleih: Studiocanal, 125 Minuten.

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