Dass sich in Horst Seehofer gelegentlich zwei Charaktere selbst Konkurrenz machen, hat sich in seinen fünf bisherigen bayerischen Jahren in vielen Variationen gezeigt. Der kraftmeiernde Horst und der gütige Herr Seehofer - vereint haben es die beiden geschafft, die CSU im Land wieder an die absolute Mehrheit zu hieven. Nun setzt sich das Doppelspiel in der Mannschaft fort, mit der Seehofer fünf weitere Jahre in der Münchner Staatskanzlei dranhängen will. "Der Horst" bringt in sein neues Kabinett an einigen Stellen unerwartete Dynamik. Und "der Herr Seehofer" gibt den gnädigen Parteivater, der dafür sorgt, dass es nicht übertrieben wird mit der Veränderung.
Um mit Letzterem zu beginnen: Gemessen an der überwältigend starken Stellung, die Seehofer als Organisator der absoluten Mehrheit in der CSU nun hat, machen einige Personalentscheidungen einen unerwartet mutlosen Eindruck. Beate Merk, die wegen ihres hilflosen Kurses in der Affäre Mollath nicht mehr Justizministerin sein durfte, bekommt nun ein aufs Äußerste reduziertes Mini-Ministerium für Europa.
Emilia Müller, die dort zuvor tätig war, erhält ein aufs Rudimentäre zusammengeschrumpftes Sozialministerium. Dafür wird der starke Umweltminister Marcel Huber um einen großen Teil seiner Kompetenzen beraubt - damit seine bisherige Staatssekretärin Melanie Huml zur Gesundheitsministerin aufsteigen kann.
All das sind Entscheidungen, die sich vor allem durch Prinzipien der von Seehofer so ungeliebten alten CSU erklären lassen: Der Regionalproporz lebt. Die Schwäbin Merk, die Oberpfälzerin Müller, die Oberfränkin Huml, dazu mancher Staatssekretär - ein weiteres Mal wird die Herkunft aus einem bestimmten Regierungsbezirk zum vorherrschenden Kriterium der Qualifikation. Das zu beachten, kann in der CSU nach wie vor ein Gebot der Klugheit sein. Seehofer will den Frieden nicht gefährden, den er mit seiner Partei nach schwieriger Anfangsphase geschlossen hat. Es zeigt aber auch, wie schwach die Personaldecke der angeblich so stark aufgestellten CSU in Wahrheit ist.
Die Karriere von Horst Seehofer:Einzelkämpfer mit Machtinstinkt
Horst Seehofer hat sich aus ärmlichen Verhältnissen zum bayerischen Ministerpräsidenten hochgearbeitet. Seine Karriere ist alles andere als geradlinig verlaufen, seine Arbeitswut hätte ihn fast das Leben gekostet. Nun hat er den Höhepunkt seiner Macht erreicht. Ein Werdegang in Bildern.
Mehr Querschüsse aus München
An der Spitze dagegen herrscht Bewegung rund um den dynamischen Horst. Die auffälligste Neuordnung betrifft Seehofers engste Umgebung. Mit der Berufung seiner scharfzüngigen bisherigen Sozialministerin Christine Haderthauer an die Spitze der Staatskanzlei setzt Seehofer ein klares Signal Richtung Berlin. Sie bekommt eigens noch die Zuständigkeiten für Bundesangelegenheiten hinzu - das bedeutet: Die wie auch immer zusammengesetzte Bundesregierung wird sich eher auf mehr denn auf weniger Querschüsse aus München einstellen können. Haderthauer war mal Generalsekretärin ihrer Partei, auch das lässt einigen Klartext erwarten.
Seehofer hat darüber hinaus einiges Gedöns um angebliche "Superministerien" für Markus Söder und Ilse Aigner gemacht, die immer wieder als Aspiranten für seine Nachfolge genannt werden. Das hat die Erwartungen an die neuen Superstars so hoch werden lassen, dass sie sich nun mit den Details abarbeiten dürfen. Finanzminister Söder bekommt als zusätzliche Aufgabe den obskuren Titel Heimatminister und darf sich um die demografischen Probleme auf dem Land kümmern. Wirtschaftsministerin Aigner verliert sogar Kompetenzen aus dem bisherigen Ressort, darf sich dafür aber an den Problemen der Energiewende abarbeiten.
So schart die Ein-Mann-Doppelspitze Horst Seehofer Menschen um sich, die dankbar sind, und andere, die sich gegenseitig in Schach halten. Seehofer lässt Gnade walten, er beruft selbst die Familienbeschäftiger wieder ins Kabinett. Dieses soll nun das Land regieren. Vor allem aber soll es nicht zu viel Glanz von dem Mann ablenken, der an der Spitze steht.