Weltbild-Verlag in der Krise:Druck von allen Seiten

Stiftung statt Verkauf: Weltbild-Mitarbeiter erleichtert

Weltbild-Zentrale in Augsburg: Die Verantwortlichen stehen unter Druck.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Die Unruhe wächst: Die Verhandlungen des kirchlichen Weltbild-Verlages mit den Banken ziehen sich hin. Ein Gespräch zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung verläuft emotional - endet aber nicht so wie erhofft.

Von Stefan Mayr

Fünf Wochen nach den ersten Medienberichten über eine drohende Insolvenz des Weltbild-Verlags ist die Stimmung unter den Mitarbeitern bedrückter denn je. "Die Lage ist sehr angespannt", sagt Hans-Peter Dillimann vor der Drehtür der verspiegelten Firmen-Zentrale, "keiner weiß, was wird." Er und 6800 Mitarbeiter bangen um die Zukunft ihres Unternehmens respektive um ihren Arbeitsplatz.

Sie fragen sich: Wie brisant ist die Situation wirklich? Was planen die kirchlichen Gesellschafter? Befriedigende Antworten haben sie bis heute nicht bekommen. Am Montag fand ein erstes Verhandlungsgespräch zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat statt. Es scheiterte und trug nicht unbedingt zur Beruhigung bei. "Der Geschäftsführung geht es - offenbar auch unter dem Druck der kirchlichen Eigentümer - um schnellstmögliche Kostensenkung", berichtet Thomas Gürlebeck von der Gewerkschaft Verdi.

Ständig habe das Management betont, es stehe "unter Zeitdruck von außen", sagt Gürlebeck. Er schließt aus dieser Aussage, das Unternehmen müsse noch vor Jahresende erste Kostensenkungen liefern und den Bischöfen seien die Erlöse wichtiger als das Schicksal der Mitarbeiter. "Das ist Kapitalismus in Reinkultur - wie in einer Aktiengesellschaft."

Er spricht von einem "teils emotionalen Gesprächsverlauf" und sagt mit dem wohl unvermeidlichen Seitenhieb auf das Bistum Limburg: "Bei uns ist der Eindruck entstanden, dass dieselben Gesellschafter, die über Jahre dabei zugesehen haben, wie Millionen für bischöfliche Protzbauten verschleudert wurden, hier Mitarbeiter und ihre Familien für kurzfristige und ziellose Kostensenkungen opfern."

Der Münchner Generalvikar und Weltbild-Aufsichtsratsvorsitzende Peter Beer bestätigt, dass es diesen Zeitdruck gibt: "Der Druck ergibt sich aus den sachlichen Zusammenhängen und Zwängen, denen sich die Geschäftsführung und der Aufsichtsrat zu stellen haben." Beruhigend klingt das nicht.

Der Betriebsrat hatte vor dem Gespräch mit der Geschäftsführung ein eigenes Konzept erarbeitet, mit dem Entlassungen verhindert werden sollen. Doch das Treffen verlief eher ernüchternd: Über das Konzept wurde erst gar nicht gesprochen. Stattdessen wollte das Management das Outsourcing des Kundenservice vorantreiben, was wohl auch mit Entlassungen verbunden wäre. Nach drei Stunden vertagte man sich ergebnislos. "Ein reines Kostensenkungsprogramm kommt für uns nicht in Frage", sagt der Betriebsrats-Vorsitzende Peter Fitz. Die Geschäftsführung wollte sich zum Gespräch nicht äußern.

Weltbild gehört zwölf katholischen Diözesen, dem Verband der Diözesen Deutschlands und der katholischen Soldatenseelsorge Berlin. Jahrelang haben die Eigentümer reichlich an den Gewinnen der Verlagsgruppe mitverdient. Inzwischen hat sich die Situation geändert: Die Buchbranche ist im Umbruch, das Unternehmen reagierte darauf mit einer umfassenden und teuren Umstrukturierung, deshalb schreibt es neuerdings rote Zahlen.

Die Verhandlungen über eine Refinanzierung gerieten ins Stocken, weil die Banken den Eindruck hatten, die Gesellschafter stünden nicht mehr hinter ihrem Unternehmen. Am 10. September eskalierte die Situation. Medien berichteten von einer drohenden Insolvenz. Seitdem ist die Verunsicherung groß in Deutschlands größtem Medienhandelsunternehmen. Geschäftsführer Carel Halff betonte zwar, von einer Gefährdung der Existenz könne "keine Rede sein". Aber dass es Entlassungen geben wird, gilt inzwischen als sicher. Allerdings weiß niemand, wie viele Mitarbeiter betroffen sein werden.

Je länger die Kriseandauert, desto größer wird die Kritik an den Bischöfen, die sich bislang weitgehend in Schweigen hüllen. "Denen ist nur wichtig, dass es ihnen und der Kirche gut geht", sagt eine Weltbild-Mitarbeiterin vor der Drehtür. Aus Angst um ihren Job will sie ihren Namen nicht nennen. "Die Bischöfe reden sich heraus und nehmen die Betroffenen bei Weltbild nicht ernst." Der Betriebsrat hatte vor drei Wochen einen Offenen Brief an die Deutsche Bischofskonferenz geschrieben, in dem er um Unterstützung bat. Bis Montag hat er keine Antwort erhalten.

Am Rande der Herbstvollversammlung in Fulda diskutierten die Bischöfe Ende September über ihren Verlag. Anschließend verkündete Weltbild-Aufsichtsratschef Peter Beer, dass sich die Bischöfe "um eine Lösung für den Fortbestand des Unternehmens bemühen". Geschäftsführer Carel Halff interpretierte diese Aussage als "gute Nachricht", andere schlossen aus diesen Worten: Die Existenz des Unternehmens steht tatsächlich auf dem Spiel.

Selbst die vom Bistum Augsburg herausgegebene Sonntagszeitung gab zuletzt keine Entwarnung. Die Überschrift "Kirche will Weltbild retten" klingt zwar positiv, ist aber nur eine Absichtserklärung. Und die Unterzeile transportiert Skepsis - in Form einer Frage: "Ist der Fortbestand des angeschlagenen Medienkonzerns damit gesichert?" Eine Unternehmenssprecherin teilte am Montag über die Gespräche mit den Banken mit: "Wir sind mitten in den Verhandlungen, die Zeit, Ruhe und Sorgfalt brauchen." Die Gespräche werden wohl "noch bis ins neue Jahr dauern".

Augsburgs Bischof Konrad Zdarsa, dessen Diözese drittgrößter Gesellschafter ist und 2300 betroffene Mitarbeiter umfasst, hatte sich bislang nicht geäußert. Auf Nachfrage ließ er am Montag ausrichten: "Die Gesellschafter haben vereinbart, sich um eine Lösung für den Fortbestand des Unternehmens zu bemühen. Diesen Prozess wird das Bistum Augsburg wie bisher konstruktiv begleiten."

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