Vertragsverlängerung von Joachim Löw:Placebo für die Reise ins Paradies

Joachim Löw

Ob er bis 2016 Bundestrainer bleibt, entscheidet sich in Brasilien: Joachim Löw.

(Foto: dpa)

Dass der Bundestrainer an diesem Freitag seinen Kontrakt beim DFB verlängert, ist beschlossene Sache - die feierliche Verkündung hat nur öffentlichen Schauwert. Ob Löw allerdings wirklich bis 2016 die Nationalelf betreut, hängt stark vom Auftritt der Mannschaft bei der WM in Brasilien ab.

Von Philipp Selldorf, Frankfurt

Für Freitag, 11.30 Uhr, hat der DFB die Medien in die Verbandszentrale eingeladen. Teilnehmer der Pressekonferenz: Präsident Wolfgang Niersbach, Generalsekretär Helmut Sandrock und die sportliche Leitung der Nationalelf. Den Anlass des Promi-Treffs haben die Gastgeber im Dunkeln gelassen, aber es darf als sicher gelten, dass es nicht um die Nominierung von Dortmunds Torwart Roman Weidenfeller, 33, für die nächste Testspielreihe geht.

Der Mainzer Trainer Thomas Tuchel hat bereits verraten, was Niersbach & Co. zu verkünden haben: "Die größte Nicht-Überraschung des Jahres". Im Tagungsraum Sepp Herberger werden die DFB-Verantwortlichen bekannt machen, dass sie sich mit Joachim Löw, Andreas Köpke und Oliver Bierhoff darauf geeinigt haben, die laufenden Verträge bis 2016 zu verlängern - und dass Hansi Flick nach der WM in Brasilien zwar aus dem seit 2006 amtierenden Quartett ausscheidet, aber als Sportdirektor eine neue Stelle beim Verband annimmt.

Dies alles wird im Rahmen großen Medienrummels hin und her besprochen werden, ein Haufen Fernsehsender wird die Zusammenkunft live übertragen, alle Protagonisten werden betont gut gelaunt sein und sich zum Zweck eines Erinnerungsfotos lächelnd die Hände reichen. Und eine Woche später wird Niersbach beim DFB-Bundestag in Nürnberg die Delegierten mit der guten Nachricht erfreuen, dass der Verband ein halbes Jahr vor der WM in Brasilien seine wichtigsten Personalien einvernehmlich und zur allseitigen Zufriedenheit geregelt hat (anders übrigens, als es dem Vorgänger Theo Zwanziger vor der WM 2010 gelungen war, wie sich mancher erinnern wird).

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Was hingegen am Freitag in Frankfurt nicht verraten wird: Ob Löw, Bierhoff und Köpke tatsächlich bis 2016 im Amt bleiben. Es gibt Argumente, die dafür sprechen. Löw versteht sich gut mit dem DFB-Chef und mit seinen Spielern, der Job des Bundestrainers gefällt ihm, er passt zu seinem Naturell und zu seiner Lebensgestaltung. Aber es gibt auch gute Gründe, die dafür sprechen, dass beide Seiten nach der WM friedlich auseinandergehen werden.

Routinierte Beobachter im Umfeld der Akteure sind daher der Meinung, dass der Vertragsschluss und die feierliche Verkündung am Freitag eher öffentlichen Schauwert haben und dass sie eher weniger zu tun haben mit einer verbindlichen Regelung personeller Angelegenheiten. Die Rede ist von einer "Placebo-Zeremonie" und einem "Pro-Forma-Akt" ohne Inhalt. Für diese negativen Interpretationen gibt es, bei näherer Betrachtung, gute Argumente.

"Alle erwarten, dass er als Weltmeister zurücktritt"

Löw hat selbst gesagt, dass er im Falle groben Misserfolgs bei der WM 2014 nicht mehr als Bundestrainer weiterarbeiten werde ("dann muss es Veränderungen geben"). Als anschauliches Beispiel nannte er das Abschneiden der Niederländer bei der EM 2012, die nach der Vorrunde sieglos das Land verlassen mussten. Die Ansprüche an Löw und sein Team sind noch höher. Mit dem Überstehen der Vorrunde würde man sich hierzulande nicht zufriedengeben, selbst dann nicht, wenn der von der Fifa bestellte Lotterie-Pate Lothar Matthäus seinen Landsleuten bei der Auslosung am 6. Dezember die härtesten Gegner zuteilen würde: zum Beispiel die mögliche Konstellation Italien, Elfenbeinküste und USA.

Der Bundestrainer dürfte selbst wissen, dass es nicht viele Konstellationen gibt, die es ihm ermöglichen, die Arbeit nach dem Turnier in Brasilien so fortzusetzen, wie er es kennt und wie er es sich wünscht. Nicht mal als Titelgewinner hätte er diese Gewähr. "Alle erwarten, dass er als Weltmeister zurücktritt - und als Nicht-Weltmeister auch", sagt einer.

Der mögliche Druck von außen ist aber nicht unbedingt der wichtigste Aspekt. Es geht auch um die Motivation der Beteiligten. Als Oliver Bierhoff am Rande der USA-Reise Ende Mai davon sprach, er könne sich auch mal einen anderen Job vorstellen als den des Nationalmannschafts-Managers, hat er nicht unbedacht dahergeredet. Nach zehn Jahren im Dienst des DFB drängt es ihn mitunter nach Abwechslung, das wissen viele in der Szene. Bierhoff könnte sich eine Aufgabe im Fußball-Business vorstellen. Für Hansi Flick gilt unter anderen Vorzeichen das gleiche. Acht Jahre als Assistenztrainer reichen ihm. Dieses Kapitel will er im Sommer auf immer und ewig abschließen. Er möchte in eigener Verantwortung arbeiten. Als Sportdirektor.

Für die WM in Brasilien wird die Motivation aber bei allen Beteiligten mehr als ausreichen. Brasilien wird als Paradies des Fußballs angesehen, das Turnier als emotionaler, faszinierender Höhepunkt. Die Beschaffung des Basisquartiers, die Planung der Reisen durchs riesige Land, die Gestaltung der Vorbereitung - Brasilien mit all seinen Widersprüchen und Unwägbarkeiten ist selbst für die versierten Organisatoren des DFB eine neue Herausforderung.

Bierhoff war bereits viermal im Land, um an Ort und Stelle einen Stützpunkt zu sondieren, bisher haben die Deutschen aber nur Reservierungen hinterlassen, sie wollen sich erst nach der Auslosung auf einen Quartier-Standort festlegen. Unter anderem dort wird sich entscheiden, was das Papier wert ist, das Niersbach und Löw nun unterzeichnet haben.

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