Kritik an Mixa, Kurie und Papst:Raumschiff Vatikan

Klartext vom Rektor des Canisius-Kollegs: Jesuitenpater Mertes, der den Missbrauchskandal ins Rollen gebracht hat, fürchtet eine abgehobene Kurie in Rom - und greift Bischof Mixa an.

Mitte Januar hat Rektor Klaus Peter Mertes einen Brief geschrieben, addressiert an etwa 600 Absolventen seines Elite-Gymanisiums. Der Brief hatte einen brisanten Inhalt, doch die Wirkung, die sein Schreiben auslösen würde, hat er wohl nicht erwartet.

Klaus Peter Mertes ist Jesuitenpater und Leiter des Berliner Canisius-Kollegs.

Der Brief, den er vor fast drei Monaten verschickt hat, war der Auslöser, der die Enthüllungen über unzählige Missbrauchsfälle und Misshandlungen in katholischen Einrichtungen ins Rollen brachte.

Nun meldet sich Mertes wieder zu Wort - und greift als erster namhafter deutscher Kirchenfunktionär den Augsburger Bischof Walter Mixa an. "Wir dürfen Opfer nicht diskreditieren, wie er es tat", sagte Mertes in der Zeit vom kommenden Donnerstag mit Blick auf den erzkonservativen Bischof.

Gegen Mixa werden Vorwürfe erhoben, er habe als Dorfpfarrer Heimkinder geschlagen. Der Bischof weist die Behauptungen zurück, die mehrere seiner Zöglinge in der Süddeutschen Zeitung geschildert haben.

Schulleiter Mertes betonte nun, dass ein Missbrauch durch einen Pfarrer als schlimmer zu bewerten sei als etwa Taten eines Sportlehrers. "Da ist die Fallhöhe höher als bei Missbrauch durch einen Sportlehrer, denn der Priester handelt nach katholischem Verständnis in persona Christi."

"In der Kirchenkritik die Liebe zur Kirche entdecken"

Kritisch äußerte er sich in diesem Zusammenhang auch über die deutschen Bischöfe: Diejenigen, "die sich selbst als Opfer darstellen, diskreditieren die gesamte Kirche".

Derweil will die Empörung über Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone nicht enden, der einen Zusammenhang von Homosexualität und Pädophilie sieht.

Der vatikanische Chefdiplomat sage Schändliches und lüge wissentlich, warf der Präsident der italienischen Homosexuellen-Organisation Arcigay, Franco Grillini, Bertone vor. Es sei wissenschaftlich absurd, Homosexualität und Pädophilie so in einen Zusammenhang zu bringen, erklärte Grillini, der auch Abgeordneter der Partei Italia dei Valori (Italien der Werte) ist.

Die Kirche sei wegen des Skandals um sexuellen Missbrauch unter Druck und versuche die Aufmerksamkeit von sich abzulenken. Er kündigte eine Protestkundgebung beim Vatikan an.

Proteste von Homosexuellen gegen Bertones Vergleich

Auch die Schwulenorganisation GayLib, die politisch konservativ ausgerichtet ist, und Politiker der größten linken Oppositionspartei PD (Demokratische Partei) verurteilten Bertones Äußerungen. "Der Vatikan sollte sich auf der UN-Generalversammlung vor der Welt und der Geschichte entschuldigen", erklärte GayLib. Neben chilenischen Schwulen protestierten auch französische Homosexuelle gegen Bertones Vergleich.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der deutschen Grünen, Volker Beck, fordert eine Entschuldigung des Vatikans. Auch die Deutsche Bischofskonferenz solle klarstellen, dass "diese Diffamierung der Homosexuellen als Pädophile nicht ihrer Auffassung entspricht", sagte Beck.

Bertone, die rechte Hand von Papst Benedikt XVI., hatte bei einem Besuch in Chile einen Zusammenhang zwischen der Ehelosigkeit der Priester - dem Zölibat - und Pädophilie verneint. Dann sprach er über Studien, die aber durchaus einen Zusammenhang zwischen Homosexualität und Pädophilie sähen.

Im Zuge des sexuellen Missbrauchsskandals in Deutschland war zwar von Verteidigern der Kirche auch auf Homosexualität gezeigt worden, bisher allerdings nicht von hoher vatikanischer Stelle aus.

Mertes bezeichnete die Kurie als ein "Raumschiff ..., das den Bodenkontakt zu verlieren droht". Vor Papst Benedikt XVI. habe er "großen Respekt", weil der in der Frage des Missbrauchs keine Angst vor der Wahrheit gezeigt habe.

"Ich wünsche ihm, dass er in Kritik an der Kirche noch mehr auch Liebe zur Kirche entdecken kann", sagte Mertes. Der Papst neige jedoch dazu, die Moderne schlechtzureden. Er wirke manchmal wie von der Welt verletzt. "Das macht ihn schwerhörig dafür, dass Gott auch durch die säkulare Welt zur Kirche spricht."

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