Ermittlungen wegen Marktbehinderung:Bundeskartellamt droht Amazon mit "glasklarer Verfügung"

Pakete in einer Amazon-Lagerhalle

Eine Lagerhalle von Amazon

(Foto: Getty Images)

Das Kartellamt knöpft sich die großen Internetanbieter vor: Amazon, das Reiseportal HRS, Adidas und Asics. Immer wieder geht es um strittige Preisklauseln, die den Wettbewerb behindern.

Von Caspar Busse und Marc Beise

Manchmal fangen große Dinge ganz klein an. Als Andreas Mundt, 53, einmal mit seiner Familie unterwegs war, quartierte er sich in einem Hotel am Chiemsee ein. Das Doppelzimmer kostete 90 Euro, die Herberge war nahezu leer. Als Mundt dann außerplanmäßig eine Nacht verlängern wollte, wurde das Zimmer plötzlich fünf Euro teurer. Begründung an der Rezeption: Die niedrigsten Preise könne es nur über das Online-Hotelportal HRS geben, das sei vertraglich so geregelt. Dumm nur, wenn der Gast hauptberuflich Präsident des Bundeskartellamts ist.

Zurück in Bonn setzte Mundt eine ganze Abteilung in Bewegung. Die Beamten prüften die sogenannte Best-Price-Klausel auf eine mögliche Wettbewerbswidrigkeit. Aus der Prüfung wurde mehr. "Das Verfahren gegen HRS läuft", sagte Mundt jetzt im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Im Januar 2012 gab es bereits eine Abmahnung für HRS, ein ernster Hinweis, dass das Kartellamt mit der Praxis nicht einverstanden ist.

Die Wettbewerbshüter haben seit einiger Zeit ein besonderes Augenmerk auf das Geschäftsgebaren im Internet und gehen vehement gegen mögliche Wettbewerbsverstöße vor. Nicht nur HRS, auch Amazon und die Sportartikelhersteller Adidas und Asics haben Mundt und seine Leute bereits ins Visier genommen. "Das Bundeskartellamt hat in diesem Bereich sicher auch eine gewisse Vorreiterrolle. Wir sind energischer als manch andere Wettbewerbsbehörde", sagt Mundt. Aber er weiß auch: "Es ist mitunter gar nicht so einfach, sich als nationale Behörde gegen global aufgestellte Konzerne durchzusetzen. Zum Glück haben wir die Folterinstrumente, die wir nötigenfalls auch einsetzen."

Kartellbehörde drängt auf Änderungen in Amazons AGB

Seit Februar ermittelt das Amt gegen Amazon. Es geht um den Verdacht, dass der US-Konzern den Wettbewerb zwischen Online-Marktplätzen behindern könnte. Händler können ihre Waren über Amazon verkaufen, das Unternehmen nennt das Marketplace. Sie durften bislang diese Produkte aber nicht über andere Plattformen preisgünstiger anbieten - der Fall ähnelt dem von HRS. Amazon ist mit Abstand der größte Onlinehändler der Welt. Allein in Deutschland lag der Umsatz im vergangenen Jahr bei 6,5 Milliarden Euro, etwa bei Unterhaltungselektronik und Büchern wird der Marktanteil auf bis zu 25 Prozent geschätzt. Deutschland ist für die Amerikaner der wichtigste Auslandsmarkt, vor Japan und Großbritannien.

"Die Bedingungen, zu denen Amazon den sogenannten Marketplace betreibt, haben wettbewerbsbehindernde Wirkung. Außerdem werden dadurch Marktzutrittsbarrieren errichtet", betont Mundt. Inzwischen hatte Amazon neue Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) an einige Händler verschickt, die keine Best-Price-Klausel mehr enthielten. Einige Amazon-Partner hatten das gar nicht bemerkt. Trotzdem gelten offenbar die strittigen Passagen noch für die, die Amazon Platinhändler nennt, also Händler mit den größten Volumina bei Amazon. Auch hier drängt die Kartellbehörde auf Änderungen.

"Es läuft ein Verfahren, und wir sind mit Amazon im Gespräch, um diese Wettbewerbsbehinderung zu beseitigen. Falls nötig werden wir gegen Amazon auch eine glasklare Verfügung erlassen", kündigte Mundt an. Amazon wäre dann gezwungen, die Geschäftspraktiken zu ändern. Mundt ist sich sicher, dass die Amerikaner dies dann auch umsetzen würden: "Deutschland ist ein sehr wichtiger Markt für Amazon. Eine Entscheidung der Kartellbehörde kann man da nicht mal einfach ignorieren."

Kartellamt ermittelt auch gegen Markenhersteller

Im Fall der großen Markenhersteller und ihres Internetvertriebs sind die Bonner dagegen noch nicht so weit. Quasi repräsentativ für eine ganze Branche prüfen Wettbewerbshüter derzeit Adidas und Asics. "Unter anderem geht es darum, dass die Hersteller es den Händlern erschweren oder verbieten, die Produkte über Drittplattformen wie Ebay oder Amazon zu vertreiben", sagt Mundt. Zudem gibt es auch hier Preisklauseln, die Waren sollen nirgendwo anders billiger angeboten werden als bei den Herstellern selbst. Markenhersteller suchten noch nach der richtigen Strategie im Internetvertrieb, sagt Mundt und mahnt: "Dabei darf der Wettbewerb nicht auf der Strecke bleiben."

Derzeit werden Betroffene befragt und der Markt untersucht. Eine Entscheidung wird es wohl erst im kommenden Jahr geben. "Diese Verfahren werden im Ergebnis nicht nur in Deutschland eine Signalwirkung entfalten", ist sich Mundt jetzt schon sicher.

Das könnte übrigens auch bei HRS der Fall sein. "Das Ergebnis wird auch für andere Buchungsportale eine Orientierung bieten", meint Mund. Und: Ein Abschluss sei noch in diesem Jahr zu erwarten. Es sieht nicht gut aus, die Preisklauseln stehen wohl vor dem Aus. HRS - die Abkürzung steht für Hotel Reservation Service - wurde 1972 in einem ehemaligen Gemüseladen in Köln als kleines Reisebüro gegründet. 1986 erschien zunächst ein Katalog mit Hotels. Schließlich expandierte die Firma 1996 ins Internet - mit großem Erfolg

Heute ist das Unternehmen HRS Marktführer bei Hotelbuchungen im Internet - mit vielen Millionen Nutzern im Monat. Doch nach Ansicht des Kartellamts gefährdet die Firma mit ihren Exklusivklauseln, die HRS mit Hotelpartnern vereinbart hat, den Wettbewerb. Weiß Mundt, siehe oben, aus eigener Erfahrung.

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