Klassikkonzert zum Gedenken an NS-Zeit:"Tote Hosen" erinnern an "entartete Musik"

Konzert der Toten Hosen

"Die Toten Hosen" spielen drei Konzerte mit der Robert-Schumann-Musikhochschule zum Gedenken an die Ausstellung "Entartete Musik".

(Foto: dpa)

Die Robert-Schumann-Musikhochschule hat sich für drei Abende mit der Band "Die Toten Hosen" zusammengetan. Die Klassikkonzerte sollen an die von den Nazis organisierte Ausstellung "Entartete Musik" vor 75 Jahren erinnern - und Campino singt sogar Schönberg.

Von Franz Kotteder

Ziemlich genau vor 69 Jahren standen ebenfalls ein paar Dutzend Kinder auf einer Bühne und sangen. So wie jetzt 36 Schüler des Humboldt-Gymnasiums auf der Bühne der Düsseldorfer Tonhalle stehen und das von melancholischer Fröhlichkeit durchzogene "Lied der Freundschaft" aus der Kinderoper "Brundibár" anstimmen. Das Stück kündet davon, dass man alles schaffen kann, wenn man zusammenhält.

Es ist einer der ergreifendsten Momente des Abends, wenn man sich vor Augen führt, dass Kinder wie diese damals vor 69 Jahren nach Auschwitz geschickt worden sind. Immer wieder neue Kinder brauchte es für diese im KZ Theresienstadt uraufgeführte Oper, weil immer wieder Kinder deportiert wurden. Am 16. Oktober 1944 starben die letzten von ihnen in den Gaskammern, ebenso wie der Komponist von "Brundibár", Hans Krása.

Die Robert-Schumann-Musikhochschule hat mit der Band Die Toten Hosen zum ersten von drei Gedenkkonzerten geladen, weil in der Stadt vor 75 Jahren die Ausstellung "Entartete Musik" zu sehen war. Eine Hetzschau, ähnlich wie die in München mit dem Titel "Entartete Kunst" ein Jahr zuvor. Was haben die Toten Hosen damit zu tun? "Die Toten Hosen haben schon immer entschieden gegen Rechts Stellung bezogen", sagt Prorektor Thomas Leander von der Musikhochschule und Initiator des Konzerts, "und ich wollte vor allem Düsseldorfer Musiker aller Sparten haben für dieses Projekt." Vor drei Jahren hat er die Band angeschrieben, und die hat sofort zugesagt. Jetzt ist es geradezu rührend zu sehen, dass sie vor nur 1800 Zuschauern Lampenfieber zu erfassen scheint.

Großes Kino

1938 fanden auf Initiative von Propagandaminister Joseph Goebbels in Düsseldorf erstmals die "Reichsmusiktage" statt. In deren Rahmenprogramm steuerte der Weimarer Kulturstaatsrat Hans Severus Ziegler, ein Anhänger des Goebbels-Konkurrenten Alfred Rosenberg, die zusammengeschluderte Hetzausstellung "Entartete Musik" bei. Ihr Erfolg beim Publikum war bescheiden, wohl auch, weil Goebbels sie weitgehend ignorieren ließ.

Rein sachlich handelt es sich bei den Klassifizierungen der Nazis um blanken Unsinn. In Wahrheit ging es um Völkermord und die physische Vernichtung der politischen Gegner, nicht um irgendwelche ästhetischen Vorbehalte. Wie beliebig die Kriterien waren, wird auch im Gedenkkonzert deutlich. Erich Wolfgang Korngolds Musik zum Film "Herr der sieben Meere", die er 1940 im Exil in Hollywood schrieb, ist großes Kino, wie man heute sagen würde, das auch zu einem reichsdeutschen Ufa-Ausstattungsschinken passen würde: ein spätromantischer, symphonischer Klotz von gewaltiger Pracht, bei dem man Errol Flynn vor dem geistigen Auge förmlich durch die Takelage fliegen sieht. "Komm, Zigan, spiel mir was vor" von Emmerich Kálmán wiederum ist klassische Operette und hier in der Tonhalle ein Paradestück für den Teufelsgeiger Georg Sarkissjan.

Campino nutzt seinen Auftritt als einer der Comedian Harmonists für eine beinahe slapstickhafte Einlage, auf diese Weise geschickt überspielend, dass seine Stimme halt nicht klassisch geschult ist wie die seiner Mitsänger. Was man bei Kurt Weills "Alabama-Song" im Duett mit der Sopranistin Linda Hergarten dann schon deutlicher bemerkt. Sicher bewegt er sich in den Weill-Songs aus der "Dreigroschenoper" - die hat er ja schon mal in Berlin in einer Inszenierung von Klaus Maria Brandauer gesungen. Auch als Sprechsänger in Arnold Schönbergs "Ein Überlebender aus Warschau" kann er überzeugen.

Das Publikum in der Tonhalle ist am Ende begeistert und reagiert mit stehenden Ovationen. Fast ist der Jubel etwas zu überschwänglich - es ist ja doch kein Hosen-Konzert, sondern eines zum Gedenken an furchtbare Zeiten.

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